Bebauungspläne aussagekräftiger gestalten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 20.7.2017
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Am 20.7.2017 haben Sie den oben stehenden Antrag gestellt, mit dem Sie fordern, künftig in allen Bebauungsplänen die Angabe zur maximal möglichen Bebauung des betreffenden Grundstücks und die gegebenenfalls mögliche Befreiung von Abstandsflächen aufzuführen.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil von diesem Antrag gesetzlich vorgegebene Verfahrens- und Verwaltungsabläufe im Bauleitplanverfahren betroffen sind. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 20.7.2017 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
1. Die maximal mögliche Bebauung des betreffenden Grundstückes in allen Bebauungsplänen aufführen
Bei der Durchführung der Bebauungsplanverfahren und bei der Erstellung von Plan- beziehungsweise Textteil von Bebauungsplänen handelt das Referat für Stadtplanung und Bauordnung gemäß dem Baugesetzbuch (BauGB), also Bundesrecht.
So kann in Bebauungsplänen aus städtebaulichen Gründen das Maß der baulichen Nutzung (durch die Grundflächenzahl oder die Größe der Grundflächen der baulichen Anlagen, die Geschossflächenzahl oder die Größe der Geschossfläche, die Baumassenzahl oder die Baumasse, die Zahl der Vollgeschosse oder die Höhe der baulichen Anlagen) festgesetzt werden, § 9 Abs. 1 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 16 Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 3 BauNVO. Dabei kann die Zahl der zulässigen Vollgeschosse oder die Höhe der baulichen Anlagen entweder als zwingend einzuhaltender Wert oder in Form eines Mindestmaßes oder eines Höchstmaßes (siehe § 16 Abs. 4 BauNVO) festgesetzt werden.Die im Einzelfall im Bebauungsplan zu treffenden Festlegungen ergeben sich aus den städtebaulichen Grundsätzen des § 1 BauGB sowie aus den Anforderungen eines qualifizierten Bebauungsplanes nach § 30 Abs. 1 BauGB. Im Übrigen obliegt es dem planerischen Ermessen im Rahmen des verfolgten städtebaulichen Konzeptes, ob und in welchem Umfang oder in welcher Kombination von den einzelnen Festsetzungsmöglichkeiten nach § 16 Abs. 2 BauNVO Gebrauch gemacht wird. Setzt der einzelne Bebauungsplan über die vorgenannten Regelungen eine „Obergrenze“ für eine Überbauung durch das Maß der baulichen Nutzung fest, so haben die Bauherren das Recht, diese „Obergrenze“ auch tatsächlich auszuschöpfen.
Die Angabe eines theoretisch möglichen Maximums im Sinne eines nachrichtlichen Grenzwertes einer Überbauung des Plangebietes, der keine reale Obergrenze festlegt, kann jedoch nicht Inhalt eines Bebauungsplanes, wie ihn das Baugesetzbuch in § 9 BauGB vorsieht, sein. Dieser regelt abschließend, was in Bebauungsplänen festgesetzt werden kann.
Eine Vorwegnahme einer im Wege einer Befreiung möglichen Überschreitung des festgesetzten Maßes der baulichen Nutzung gem. § 31 Abs. 2 BauGB, der eine (konkret-individuelle) Einzelfallprüfung voraussetzt, ist auf der (abstrakt-generellen) Ebene des Bebauungsplanes nicht möglich. Möglich ist allerdings, – und davon wird in den Bebauungsplänen der Landeshauptstadt München häufig Gebrauch gemacht – dass gem. § 31 Abs. 1 BauGB Ausnahmen von dessen Festsetzungen, die nach „Art und Umfang“ zu bestimmen sind, zugelassen werden.
2. Gegebenenfalls mögliche Befreiung/Abweichung von Abstandsflächen in allen Bebauungsplänen aufführen
In (qualifizierten) Bebauungsplänen wird die bauplanungsrechtlich mögliche Bebauung verbindlich festgelegt. Ein Überschreiten ist nur im Wege der Befreiung oder im Hinblick auf Abstandsflächen durch Erteilung einer Abweichung möglich.
Schon im Bebauungsplan mögliche Befreiungen oder Abweichungen im Wege einer Vorausschau/Vorwegnahme generell-abstrakt zu benennen, widerspräche (wie oben bereits ausgeführt auch bei den Abstandsflächen) den rechtlichen Anforderungen an eben diese, nämlich der Notwendigkeit einer individuell-konkreten Prüfung.
Sowohl bei Befreiungen, als auch bei Abweichungen handelt es sich um durch den Gesetzgeber eingeführte Lösungsmöglichkeiten/Öffnungen für von der Regel abweichende, nicht vorhersehbare Einzelfälle, die jeweils inBezug auf ihre besondere Situation gegenüber dem Regelfall konkret abgewogen werden müssen. Durch diese Einzelfallentscheidungen kann in begründeten Ausnahmefällen von den Festsetzungen des Bebauungsplans oder von gesetzlichen Vorgaben abgewichen werden. Befreiungen oder Abweichungen beziehen sich immer auf ein konkretes Bauvorhaben und legen die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Entscheidung zugrunde. In einer Bebauungsplanung werden spätere individuelle Bauvorhaben aber grundsätzlich nicht festgelegt. Deshalb ist eine Prognose, in welchem Umfang gegebenenfalls Befreiungen oder Abweichungen zu einem späteren Zeitpunkt für noch unbekannte Bauvorhaben zulässig sein werden, nicht möglich und widerspräche dem gesetzlichen Zweck dieser Regelungen.
In Bezug auf Abweichungen von den Abstandsflächen ist zudem darauf hinzuweisen, dass diese nur in seltenen Fällen erteilt werden können, da die Rechtsprechung insbesondere unter dem Aspekt des Nachbarschutzes sehr strenge Vorgaben macht. Für einzelne Fallkonstellationen werden daher im Moment auf Ebene des Freistaates Bayern gesetzliche Lockerungen diskutiert.
Unabhängig davon gehen Festsetzungen des Bebauungsplans vor und können sich auf Grundlage von städtebaulichen Gründen von den Abstandsflächenvorschriften nach Art. 6 Bayerische Bauordnung (BayBO) unterscheiden. Dieser Vorrang des Bauplanungsrechts nach BauGB ist in Art. 6 Abs. 5 Satz 3 BayBO festgeschrieben. In diesen Fällen wird in der Begründung des Bebauungsplans im Einzelnen auf die Gründe und Ziele der festgesetzten Abstandsflächen besonders eingegangen, sodass die später mögliche Bebauung geringen Spielraum für noch weitergehende Abweichungen zulässt.
3. Vermittlung der Planungen durch Öffentlichkeitsarbeit
Im Hinblick auf Ihre Ausführungen zu einer fairen Informationspolitik in der Begründung Ihres Antrags dürfen wir Ihnen ergänzend mitteilen, dass das Referat für Stadtplanung und Bauordnung seit Jahren eine aktive Beteiligungskultur pflegt, weit über das im Baugesetzbuch vorgeschriebene Maß hinaus. Bei herausgehobenen Planungen, wie zum Beispiel dem Paulanergelände, werden Wettbewerbe und Partizipation in kooperativen Verfahren eng miteinander verschränkt. Anhand von Visualisierungen oder Modellen können lokale Gegebenheiten berücksichtigt und diskutiert werden. Gerade den Themenfeldern Dichte, Flächen und Grün kann so eine höhere Bedeutung beigemessen werden. Um solche Beteiligungsformate weiter ausbauen zu können, wurde mit Beschluss zur Optimierung der Be-bauungsplanverfahren und der Bürgerbeteiligung und Öffentlichkeitsarbeit vom 16.3.2016 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 04459) die künftige Öffentlichkeitsarbeit und Partizipation im Referat für Stadtplanung und Bauordnung neu organisiert. Die konkreten verfahrensbezogenen Beteiligungsformate werden weiter ausgebaut. Dem Wunsch nach einer fairen Informationspolitik soll und kann damit verstärkt Rechnung getragen werden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.