Medikamentenlagerung für obdachlose chronisch Erkrankte
Antrag Stadtrats-Mitglieder Gülseren Demirel, Lydia Dietrich, Jutta Koller und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen/Rosa Liste) vom 1.12.2017
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Sie beantragen für obdachlose chronisch erkrankte Menschen längerfristige Kühl- und Lagerungsmöglichkeiten für kühl zu lagernde Medikamente zur Verfügung zu stellen.
Die Ausstattung von Räumlichkeiten und Lagerungsmöglichkeiten für obdachlose Menschen zählt zu den laufenden Angelegenheiten der Verwaltung.
Der Inhalt Ihres Antrages betrifft damit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 1.12.2017 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Im Rahmen eines Fachgesprächs wurde mit den betroffenen Arztpraxen und mobilen Straßenambulanzen (Malteser Migranten Medizin, Ärzte der Welt/Open Med, Arztpraxis im Haus an der Pilgersheimer Straße, Arztpraxis in St. Bonifaz), die in München wohnungslose und obdachlose Menschen ärztlich versorgen, die Thematik der (Kühl-)Lagerungsmöglichkeiten für Medikamente diskutiert. Wohnungslose Menschen, die sich im städtischen Notunterbringungssystem oder in privaten Notquartieren befinden, haben in aller Regel die Möglichkeit, ihr Hab und Gut in Schränken einzuschließen bzw. Medikamente in Kühlschränken aufzubewahren.
Für einzelne obdachlose Menschen, die auf der Straße leben und keine Transferleistungen beziehen, wäre ein solches Angebot grundsätzlich aber relevant. Allerdings wird aus der Sicht der Fachleute der Umfang des Bedarfes als gering eingeschätzt.
Der bestehende Tagesaufenthalt der Teestube „komm“ des Evangelischen Hilfswerks München bietet täglich das ganze Jahr über von 14 bis 20 Uhr wohnungslosen, obdachlosen und von Wohnungslosigkeit bedrohten
Männern und Frauen soziale Beratung an. Die Anlaufstelle berichtet, dass bisher seitens der Besucherinnen und Besucher kein Bedarf für Kühlungsmöglichkeiten für Medikamente geäußert wurde. Die Arztpraxis im Hausan der Pilgersheimer Straße sowie die Straßenambulanz haben Kühlschränke, deren Platzangebot bisher zur Versorgung der wohnungslosen bzw. obdachlosen Menschen ausreichend war.
Grundsätzlich stellt sich die Frage, in welchem Umfang derartige Kühlungsmöglichkeiten von den obdachlosen Menschen auf der Straße genutzt werden würden, da hierfür auch Fahrtwege zurückgelegt werden müssen. Dieselbe Wegstrecke könnte hierzu auch zur Nutzung der bestehenden Arztpraxen, an denen Medikamente verschrieben werden können, zurückgelegt werden.
Hinsichtlich der Fragestellung, inwieweit derartige Lagerungsmöglichkeiten im öffentlichen Raum installiert werden könnten, zeigt sich (laut der Stellungnahme der Regierung von Oberbayern) dass, „mit der Abgabe der Arzneimittel (an die Obdachlosen) das Arzneimittelgesetz nicht mehr einschlägig und insbesondere die Zuständigkeit der Regierung von Oberbayern zur Überwachung nicht gegeben ist“... „Die erforderliche Kühlschranklagerung bezieht sich auf die Lagerung beim Großhandel und in der Apotheke sowie im Falle von Impfstoffen auch in den Arztpraxen. Die Lagerung von Anbrüchen sollte entsprechend der Gebrauchsinformationen an den Endverbraucher erfolgen.“
Die Umsetzung mit entsprechendem Betrieb und Aufsicht eines solchen Angebotes stellt sich in der Praxis als schwierig und kostenintensiv dar. Die Schwierigkeiten liegen hierbei insbesondere darin, dass erfahrungsgemäß viele Habseligkeiten nicht wieder abgeholt werden oder sich verderbliche Waren darin befinden. Die Aufsicht und die Verwaltung der Schließfächer müssten gewährleistet sein und würden zusätzliche Kosten verursachen.
Grundlegend beschränkt sich die Auswahl der zur Behandlung obdachloser Menschen in Frage kommenden Arzneimittelgruppen auf Insuline, Antibiotikasäfte, Augen- und Ohrentropfen. Ungeöffnet müssen Präparate wie Insulin, Impfstoffe, Augen- bzw. Ohrentropfen bei zwei bis acht Grad gelagert werden, angebrochen müssen sie schnell verbraucht werden.
In aller Regel werden kühlungspflichtige Impfstoffe nicht an Endverbraucher zur eigenständigen Kühlung zu Hause gegeben, sondern vor Ort in den Arztpraxen oder Straßenambulanzen verabreicht. Das Referat für Gesundheit und Umwelt erarbeitet gerade eine Stadtratsvorlage mit der u.a. der Aufbau eines Impfangebotes im RGU für Menschen ohne Krankenversicherung vorgeschlagen wird. Im Falle von Antibiotikasäften, die gekühlt werden müssen, besteht die Möglichkeit feste Darreichungsformen zu verwenden.Derzeit realisiert das Sozialreferat einen zweiten Tagesaufenthalt für obdachlose Frauen und Männer. Im Zuge des Aufbaus des Tagesaufenthaltes wird die Fachsteuerung mit der AWO (Träger des Tagesaufenthaltes) die Einrichtung von Kühlfächern besprechen.
Alternativ besteht die Möglichkeit obdachlosen Menschen, Kühltaschen zur Verfügung zu stellen, deren Kühlleistung alleine durch Wasser – auch über mehrere Tage hinweg – erzeugt werden kann.
Das beantragte Angebot von Lagerungsmöglichkeiten für kühl zu lagernde Medikamente zur Nutzung durch obdachlose chronisch erkrankte Menschen ließe sich aufgrund des damit verbundenen Unterhaltsaufwand nur unter hohem Kostenaufwand realisieren. Auch im Hinblick auf den möglichen Umfang der Nutzung durch obdachlose und wohnungslose
Menschen steht eine solche Investition in keinem Verhältnis. Aufgrund der schon vorhandenen Hilfestruktur der Arztpraxen und mobilen Straßenambulanzen mit entsprechenden Lagerungsmöglichkeiten, wie oben angeführt, wird ein derartiges Angebot aktuell als nicht zielführend erachtet.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.