Lösungen fürs Bahnhofsviertel 10: Einsatz für eine Entflechtung der Spielhallen im Münchner Bahnhofsviertel
Antrag Stadtrats-Mitglieder Verena Dietl, Hans Dieter Kaplan, Horst Lischka, Gerhard Mayer, Christian Müller, Klaus Peter Rupp und Christian Vorländer (SPD-Fraktion) vom 8.11.2017
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Sie beantragen u. a., dass sich die Stadt München weiter gegenüber dem Freistaat Bayern dafür einsetzen möge, den Kommunen wirkungsvolle Möglichkeiten und zweckmäßige Instrumente zur Regulierung der Spielhallen zur Verfügung zu stellen. Hierzu solle sie weiterhin und erneut über den Städtetag entsprechende Änderungen des Glücksspielrechts und des Gewerberechts anregen. Darüber hinaus solle sich die Stadtverwaltung auch mit den Vermieterinnen und Vermietern sowie den Spielhallenbetreiberinnen und -betreibern austauschen und gemeinsam mit diesen Lösungen zur Vermeidung von unbilligen Härten bei Betriebsschließungen suchen sowie diese Betroffenen beraten. Als Begründung hierzu führten Sie insbesondere aus:
„Die Lebensqualität sinkt in der Nachbarschaft vieler Spielhallen. Der sogenannte Trading-Down-Effekt führt zu Verdrängungseffekten von anspruchsvollem Gewerbe wie zum Beispiel Buchläden und ansprechenden Restaurants hin zu einer weiteren Verstärkung von Fastfood-Läden, Wettbüros u.a.
Das am 1.7.2017 in Kraft getretene Spielhallen-Gesetz verfehlt weitgehend eine steuernde Wirkung, auch die Vollzugshinweise des Bayerischen Staatsministeriums des Innern lassen zu viele Lücken frei für wirkungsvollere Einschränkungen der Spielhallen, die sich insbesondere rund um den Hauptbahnhof in zu naher Abfolge befinden.
Auf die Bitte des Oberbürgermeisters Dieter Reiter, gemeinsam mit den Oberbürgermeistern aus Nürnberg, Augsburg, Regensburg und Ingolstadt im Februar 2017, die entsprechenden Vollzugshinweise zu überarbeiten, re- agierte der Freistaat nicht.
Obwohl sehr viele Spielhallen die neuen gesetzlichen Voraussetzungen für einen Betrieb nicht mehr erfüllen, machen viele Betreiberinnen und Betreiber nun eine ‚unbillige Härte‘ im Fall einer Betriebsuntersagung geltend und erreichen so eine Befreiung. Begründet wird dies insbesondere mit den getätigten Investitionen, der langen Betriebsdauer und den langfristigen Miet- und Pachtverträgen.
Auch nutzt der Freistaat Bayern als einziges Bundesland nicht das Mittel der sogenannten Vergnügungssteuer, die in anderen Bundesländern auf einzelne Spielgeräte erhoben wird und einen hemmenden Einfluss entfaltet.
Neben der Ausschöpfung aller gesetzlichen Möglichkeiten der Entflechtung ist aber auch der beratende Austausch mit den betroffenen Vermieterinnen und Vermietern sowie den Betreiberinnen und Betreibern auszubauen. Wenn es möglich ist, aus langfristigen Verträgen früher auszusteigen oder auch alternative Geschäftsmodelle aufgezeigt werden, kann dies unbillige Härten bei der Schließung einer Spielhalle verhindern.”
Ihr Antrag befasst sich in erster Linie mit dem Vollzug des Glücksspielrechts, insbesondere des Glücksspielstaatsvertrages. Der Vollzug dieser spezialgesetzlichen Regelungen als hoheitliche Aufgabe ist dem übertragenen Wirkungskreis der Landeshauptstadt München zuzuordnen und stellt eine laufende Verwaltungsangelegenheit dar, die vom Kreisverwaltungsreferat wahrzunehmen ist.
Der Inhalt Ihres Antrags betrifft insoweit eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung dieser Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Soweit Ihr Antrag auf eine Beauftragung der Stadt abzielt, erlaube ich mir – Ihr Einverständnis vorausgesetzt – diesen Antrag ebenfalls mittels Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 8.11.2017 teile ich Ihnen in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister Folgendes mit:
Für die Beantwortung Ihres Antrages habe ich sowohl das Sozialreferat als auch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung um Stellungnahme gebeten.
Das Sozialreferat sieht keine Ansatzpunkte, im Sinne Ihres Antrages tätig zu werden.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung teilte Folgendes mit: „Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung teilt den Wunsch, dass den Kommunen wirkungsvollere Instrumente zur Regulierung von Spielhallen zur Verfügung gestellt werden. Eine konkrete Initiative im Rahmen des Städtetags zur Änderung des Glücksspielrechts bzw. Gewerberechts liegt jedoch nicht in der Zuständigkeit des Referates für Stadtplanung und Bauordnung.
Weiter ist im Rahmen einer solchen Initiative zu berücksichtigen, dass das Gesetz zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen inDeutschland jüngst durch Gesetz vom 24.7.2017 geändert und damit erst verschärft wurde.
Als Bauaufsichtsbehörde ist uns die Problematik der Ansiedlung von Spielhallen (vor allem für die Umgebung) durchaus bewusst.
Im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren bzw. bauaufsichtlichen Verfahren wird daher ein Hauptaugenmerk auf die Frage des Rücksichtnahmegebotes bzw. Trading-Down-Effektes gelegt und Spielhallen werden bei bauplanungsrechtlicher Unzulässigkeit negativ beurteilt.
Da das Referat für Stadtplanung und Bauordnung allerdings allein die bauplanungs- bzw. bauordnungsrechtlichen Belange berücksichtigen kann und die entsprechenden Konzessionen gerade nicht durch uns erteilt werden, sind die Handlungsmöglichkeiten insoweit eingeschränkt.
Möglichkeiten, auf die Vermieterinnen bzw. Vermieter zuzugehen und gemeinsam Lösungen zur Vermeidung von unbilligen Härten bei Betriebsschließungen zu suchen, sieht das Referat für Stadtplanung und Bauordnung grundsätzlich nicht. Im Einzelfall kann hier ein Dialog im Rahmen von bauaufsichtlichen Verfahren stattfinden.“
Auch das Kreisverwaltungsreferat sieht keine rechtliche Möglichkeit, freiwillige Betriebsschließungen durchzusetzen. Hierfür sind die beachtlichen Verdienstmöglichkeiten und die gezahlten Mieten der Branche zu hoch. Rechtliche Eingriffsmöglichkeiten für eine „freiwillige“ Reduzierung sind nicht vorhanden.
Eine Beratung hinsichtlich alternativer Geschäftsmodelle kann das Kreisverwaltungsreferat als Sicherheits- und Ordnungsbehörde ebenso nicht leisten, zumal dies zu einer rechtlich schwierigen Konkurrenz mit der grundsätzlich zu gewährleistenden Gewerbefreiheit führen könnte.
Die bestehenden öffentlich-rechtlichen Regelungen des Glücksspielstaatsvertrages gehen grundsätzlich in die richtige Richtung. So wurde das rasante Wachstum der Branche seit dem Jahr 2012 nahezu gestoppt.
Sogenannte Mehrfachkonzessionen werden seither nicht mehr erteilt. Ein Mindestabstand von aktuell 500 m wird zwischen Einzelspielhallen bei Neuerteilung einer Erlaubnis eingefordert.
Der Bestand an Spielhallen ist seit dem Höchststand im Jahr 2014 von 245 genehmigten Spielhallen bereits zurückgegangen auf derzeit stadtweit 214. Zudem ist tendenziell mit weiteren Schließungen bis zum Auslaufen des Glücksspielstaatsvertrages am 30.6.2021 zu rechnen, da manche Vermieter bestehende Mietverträge nicht verlängern und die Immobilien anderweitig nutzen möchten.
Da Herr Staatsminister Herrmann leider nicht bereit war, die ministeriellen Vollzugshinweise vom 16.12.2016 nachzuschärfen, werden auch die „Härtefallspielhallen“ zunächst bis 30.6.2021 weiterbetrieben werden können.Die dann neu zu fassende Rechtslage auf Landes- bzw. Bundesebene muss abgewartet werden.
Eine Gesetzgebungsinitiative steht dem Kreisverwaltungsreferat bzw. der Landeshauptstadt München jedoch nicht zu.
Selbstverständlich wird das Kreisverwaltungsreferat über die entsprechenden Gremien wie dem Deutschen bzw. Bayerischen Städtetag aber weiterhin darauf hinwirken, einen effektiven Vollzug des Glücksspielrechts zu erreichen, um künftig keine weiteren Härtefallregelungen mehr akzeptieren zu müssen und Betriebsschließungen durchsetzen zu können.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.