Rückläufige Flüchtlingszahlen zur Verbesserung des Verfahrens der Standortfindung nutzen!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Michael Kuffer, Otto Seidl, Johann Stadler und Dr. Manuela Olhausen (CSU-Fraktion) vom 17.6.2016
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrem Antrag fordern Sie angesichts rückläufiger Zugangszahlen im Flüchtlingsbereich Veränderungen im Prozess der Standortauswahl für Flüchtlingsunterkünfte und der dazugehörigen Öffentlichkeitsarbeit und Information der Bezirksausschüsse.
Aufgrund von Umstrukturierungen und Überlastung der zuständigen Fachabteilungen konnte der Antrag nicht innerhalb der geschäftsordnungsgemäßen Frist erledigt werden. Die Antragsteller wurden zuletzt mit Schreiben vom 21.8.2017 über eine Terminverlängerung informiert.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Prozess der Standortfindung und die Öffentlichkeitsarbeit für Flüchtlingsunterkünfte betreffen eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich. Ich erlaube mir deshalb, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten. Zu Ihrem Antrag vom 17.6.2017 teile ich Folgendes mit:
Zunächst teile ich Ihre Einschätzung, dass im Sinne einer demokratischen Stadtgesellschaft Debatten, Rückfragen und Vorschläge zu Standortplanungen der Flüchtlingsunterbringung selbstverständlich möglich sein müssen. Um dies auch vor dem Hintergrund einer enorm großen Bedarfslage und unter hohem Zeitdruck zu ermöglichen, wurde in enger Abstimmung mit der Stadtspitze ein mittlerweile bewährtes Verfahren zur Standortfindung für Flüchtlingsunterkünfte entwickelt, das seit Juli 2015 für alle neu zu entscheidenden Standorte zur Anwendung kommt. Demnach erstellt die Stadtverwaltung nach eingehender Prüfung sogenannte Standort-Exposés, in denen alle relevanten Daten einschließlich baurechtlicher Zulässigkeit, sozialplanerischer Einschätzung und ein Überblick über bereits vorhandene bzw. in Planung befindliche Unterkünfte für Flüchtlinge und Wohnungslose in der Umgebung enthalten sind. Diese Standort-Exposés werden zunächst der Stadtspitze vorgelegt. Danach und noch vor Befassung des Stadtrats mit dem jeweiligen Standortbeschluss erfolgt zumfrühestmöglichen Zeitpunkt eine schriftliche Erstinformation der jeweiligen Bezirksausschuss-Vorsitzenden per E-Mail sowie mündlich per Telefon. Die Erstinformation enthält ein Kurzexposé mit den wichtigsten Eckdaten sowie Umgebungs- und Lagepläne. Die letztliche Entscheidung über die Realisierung von Standorten obliegt dann dem Stadtrat.
Zu Ihren Antragspunkten teile ich im Einzelnen mit:
Punkt 1:
Dem Vollgremium des Bezirksausschusses muss vor Schaffung vollendeter Tatsachen ausreichend Zeit zur Befassung mit dem Thema gegeben werden.
Punkt 2:
Debatten, Rückfragen und Vorschläge zu einzelnen Standorten (besser geeignete oder schneller verfügbare Alternativen, Begrenzung der Größe und Plätze, andere Situierung) müssen im Sinne einer demokratischen Stadtgesellschaft möglich sein.
Antwort zu Punkt 1 und 2:
Mit dem oben beschriebenen bewährten Verfahren ist es in der Praxis gelungen, den Bezirksausschüssen ausreichend Möglichkeit zur Befassung und Stellungnahme zu geben und gleichzeitig der Eilbedürftigkeit der Standortentscheidungen gerecht zu werden. Die Eilbedürftigkeit ist zwar nicht mehr in vergleichbarem Maße wie 2015 und 2016 vorhanden. Dennoch besteht bei Entscheidungen in Standortfragen in vielen Fällen nach wie vor eine Eilbedürftigkeit, da beispielsweise vermietungsbereite Eigentümer bei zu langer Planungsdauer abspringen, sich Leerstände ergeben oder sich Baukosten erhöhen. Nach wie vor werden in gewissem Umfang neue Unterkünfte benötigt, da Überbrückungsstandorte wegfallen und durch höherwertigere Unterkünfte auf dem Standard von Gemeinschaftsunterkünften ersetzt werden müssen. Außerdem besteht ein hoher Bedarf an Unterkünften für anerkannte Flüchtlinge und Wohnungslose.
Bei verschiedenen Standorten meldeten Bezirksausschüsse nach der Erstinformation tatsächlich Bedenken, besser geeignete Alternativvorschläge oder den Wunsch nach Begrenzung von Kapazitäten an. Nach eingehender nochmaliger Prüfung durch die Verwaltung wurde diesen Rückmeldungen in einigen Fällen soweit möglich entsprochen, so z.B. bei der Verlegung des ursprünglich vorgesehenen Standortes in die Triebstraße 24 oder beim Planungsstopp des Standortes Cosimastraße/ Englschalkinger Straße. Auch wurden und werden Vorschläge von Bezirksausschüssen und Anwohnerinnen und Anwohnern hinsichtlich der Situierung oder baulichen Ausgestaltung von Unterkünften im Planungsprozess selbstverständlich berücksichtigt, soweit dies wirtschaftlich und technisch möglich und sinnvoll ist.
Punkt 3:
Wo es bei der Nutzung von Grundstücken zu Zielkonflikten kommt, z.B. mit der geplanten Bebauung mit Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulen, Seniorenwohnheimen oder anderen wichtigen (sozialen) Einrichtungen, muss es eine faire Abwägung der unterschiedlichen Interessen geben.
Antwort zu 3:
Bei den seit 2014 eröffneten Standorten für Flüchtlingsunterkünfte handelt es sich zumeist um Zwischennutzungen der jeweiligen Liegenschaften, die in der referatsübergreifenden Task Force Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen unter Einbeziehung aller beteiligten Referate, insbesondere des Kommunalreferates, des Referates für Bildung und Sport, des Sozialreferates sowie des Referates für Stadtplanung und Bauordnung abgestimmt worden sind. Zielkonflikte mit anderen Nutzungsinteressen treten insofern in aller Regel nicht auf, als die Realisierung von Flüchtlingsunterkünften an Standorten grundsätzlich nicht weiter verfolgt wird, an denen bereits andere Bebauungen geplant sind.
Punkt 4:
Bei der Dimensionierung der Einrichtung, der Situierung und dem Charakter der Einrichtung muss auf die örtlichen Verhältnisse sowie die soziale Integrationsfähigkeit Rücksicht genommen werden. In diesem Sinne muss insbesondere wieder eine verantwortungsvolle Begrenzung der Größenordnung je Standort erfolgen. Hierzu muss eine Stellungnahme der betroffenen Bezirksausschüsse eingeholt werden.
Antwort zu 4:
Bei allen Standorten erfolgen im Rahmen der Task Force Unterbringung von Flüchtlingen und Wohnungslosen unter Beteiligung der jeweils zuständigen Referate eingehende Prüfungen einschließlich baurechtlicher Zulässigkeit, stadtplanerischer und sozialplanerischer Einschätzung der örtlichen Gegebenheiten sowie nicht zuletzt der möglichst gleichmäßigen Verteilung sozialer Einrichtungen im Stadtgebiet. Im Falle von Standorthäufungen, die aufgrund des Unterbringungsbedarfs und der nicht überall im Stadtgebiet gleichmäßigen Verfügbarkeit geeigneter Standorte nicht ausgeschlossen werden können, erfolgt eine enge Abstimmung mit dem jeweiligen
Bezirksausschuss. Bei der sozialplanerischen Einschätzung wird jeder Standort einzeln geprüft und dabei der jeweilige Sozialraum untersucht, der je nach Lage nicht an den Stadtbezirksgrenzen endet. Die Ergebnisse all dieser Prüfungen fließen selbstverständlich in die Entscheidungsvorlagen für den Stadtrat mit ein und haben Auswirkungen auf Größe, Situierung und Charakter der jeweiligen Einrichtungen. Dabei ist jedoch auch immer eine Abwägung bezüglich der zu erfüllenden Bedarfslage notwendig.
Hinsichtlich der Dimensionierung von Unterkünften beauftragte der Stadtrat die Verwaltung mit Beschluss der Vollversammlung vom 22.10.2014 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 00955), die Zahl der Bettplätze in Flüchtlingsunterkünften im Regelfall auf 200 zu begrenzen.
Aufgrund der seit Sommer 2015 rasant angestiegenen Zuweisungen von Flüchtlingen durch die Regierung von Oberbayern hat der Stadtrat die Einhaltung der genannten Maximalkapazität im Regelfall zwischenzeitlich auf 500 Bettplätze angehoben (Beschluss der Vollversammlung vom 25.3.2015, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 02714).
Ob eine Unterkunft in ihrem Umfeld gut integriert werden kann, hängt nicht ausschließlich von ihrer Größe ab, sondern auch von einer guten Betreuung innerhalb der Einrichtung. Die Landeshauptstadt München hat daher den vom Freistaat Bayern vorgesehenen Personalschlüssel für die Asylsozialberatung von 1:150 Personen auf freiwilliger Basis auf 1:100 Personen aufgestockt (Beschluss der Vollversammlung vom 20.5.2015, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 03149). In städtischen Einrichtungen der Flüchtlingsunterbringung ist zusätzlich täglich rund um die Uhr Personal vor Ort, das als Ansprechpartner für die Bewohnerinnen und Bewohner wie auch für Anwohnerinnen und Anwohner zur Verfügung steht. Täglich bis 24 Uhr sowie am Wochenende wird eine niederschwellige soziale Betreuung angeboten. In den Nachtstunden ist Sicherheitspersonal in den Unterkünften.
Wie oben beschrieben hat sich das bisherige Verfahren der Standortfindung, der möglichst frühzeitigen Information und der Möglichkeit zur Stellungnahme durch die Bezirksausschüsse bewährt. Auch von Seiten der Bezirksausschüsse liegen keine anderweitigen Rückmeldungen vor.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.