Wie sorgt die Landeshauptstadt für den Nachwuchs bei Lehrkräften für die Berufsschulen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 5.11.2018
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Auf Ihre Anfrage vom 5.11.2018 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Im Auftrag der Bertelsmann-Stiftung hat der Bildungsforscher Klaus Klemm1 ermittelt, dass sich in Zukunft ein geradezu dramatischer Man- gel an qualifizierten Lehrkräften für die Berufsschulen abzeichnet. Denn die Kultusminister-Konferenz schätze die Lage viel zu optimistisch ein. So gehen bis 2030 bundesweit nahezu die Hälfte der rund 125.000 Berufsschul-Lehrerinnen und -Lehrer in den Ruhestand. Allein bis 2020 werden jährlich rund 4.000 neue Lehrkräfte benötigt, ausgebildet werden derzeit jedoch nur jährlich 2.000! In den Schuljahren 2030/31 bis 2035/36 hinge- gen müssten jedes Jahr 6.100 Berufsschul-Lehrerinnen und -Lehrer neu eingestellt werden.“
Die Kultusministerkonferenz (KMK) kalkuliert mit 2.900 Neubewerbern, also mit mehr Kandidaten, als in den Studiengängen für das Lehramt an Berufsschulen überhaupt ausgebildet werden.
Die Stadt München ist noch sehr gut im Bereich der Berufsschulen aufgestellt, sie gilt als die Berufsschulstadt Deutschlands. Dies hängt auch und gerade von Anzahl und Qualität des Lehrpersonals ab. Gerade in den Jahren, die die Schülerinnen und Schüler an der Berufsschule verbringen, werden wichtige Weichen gestellt nicht nur für Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern darüber hinaus für Motivation, Selbstbewusstsein und Chancen auf dem Arbeitsmarkt.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Lassen sich diese bundesweiten Daten zumindest tendenziell auch für München bestätigen?
Antwort:
Trotz intensiver Bemühungen übersteigt an den städtischen beruflichen Schulen bereits seit Jahren der Bedarf an Lehrkräften deutlich das Angebotan vollausgebildeten Bewerberinnen und Bewerbern. Aktuell ist bei den städtischen beruflichen Schulen ein Bedarf von 35 Stellen offen – allerdings sind hierbei auch befristete Stellen (zum Beispiel Schwangerschaftsvertretung) berücksichtigt. Zu beachten ist auch, dass sich der Mangel nicht über alle Fachlichkeiten hinwegzieht, sondern insbesondere die gewerblich-technischen Fachrichtungen betrifft. Die Prognosen der Bertelsmann-Stiftung werden durch den Münchner Bildungsbericht Berufliche Bildung 2017 für München bestätigt: Im Schuljahr 2015/16 waren von 2.446 städtischen Lehrkräften an den beruflichen Schulen 46,2 Prozent über 50 Jahre alt, so dass – analog zur Studie der Bertelsmann-Stiftung – davon auszugehen ist, dass bis zum Jahr 2030 etwa die Hälfte der städtischen Lehrkräfte an beruflichen Schulen in den Ruhestand geht und ersetzt werden muss. Auch der in der Studie prognostizierte zusätzliche Bedarf durch steigende Schülerzahlen gilt entsprechend für die Landeshauptstadt München.
Frage 2:
Gibt es Maßnahmen, die die Landeshauptstadt unterstützt, um die Absolventenzahlen für das Lehramt an Berufsschulen zu erhöhen?
Antwort:
Der Geschäftsbereich Berufliche Schulen hat im Frühjahr 2016 eine Kampagne zur zielgerichteten Gewinnung von Lehrkräften für die beruflichen Schulen gestartet. Zusammen mit einer Werbeagentur wurde der Slogan „Mach Albert zu Einstein“ kreiert, der potentielle Bewerberinnen und Bewerber ansprechen sollte, um auf die attraktiven Chancen für Lehrkräfte an den städtischen beruflichen Schulen aufmerksam zu machen. Ende 2017 wurde die Kampagne erweitert. Mit dem Slogan „Mach Schule zu Deinem Beruf“ werden nun gezielt Abiturientinnen und Abiturienten durch Messeauftritte aber auch Werbeanzeigen in Magazinen oder Plakataushänge im Öffentlichen Nahverkehr auf die Studiengänge „Lehramt für berufliche Schulen“ „Wirtschaftspädagogik“ sowie „Ingenieurpädagogik“ aufmerksam gemacht. An einem Zugang zu den P-Seminaren der Gymnasien wird gearbeitet, ein eigener Instagram-Account wäre wünschenswert.
Darüber hinaus gibt es eine enge Zusammenarbeit mit den Hochschulen, welche ihrerseits Maßnahmen initiieren, um die Absolventenzahlen zu erhöhen: So bietet der Masterstudiengang „Berufliche Bildung integriert“ der Technischen Universität München (TUM) eine attraktive Möglichkeit, mit einem Bachelor- oder Ingenieurabschluss den Masterstudiengang und das Referendariat zu verbinden. Zudem kann an der TUM ab dem kommenden Semester der Masterstudiengang Wirtschaftspädagogik belegt werden. An der Hochschule Landshut hat sich darüber hinaus der Bache-lorstudiengang Ingenieurspädagogik etabliert, welcher Absolventinnen und Absolventen mit Fachhochschulreife den Zugang zum Lehramtsstudium ermöglicht.
Mittelfristig wäre ein solches Angebot sicherlich auch für den Standort München zu begrüßen. Auch der Studiengang „Lehramt für berufliche Schulen – Fachrichtung Sozialpädagogik“ wird bislang nicht in München angeboten.
Frage 3:
Was tut die Landeshauptstadt, um den Quereinstieg von Fachkräften als Fachlehrer und/oder Berufsschullehrer zu erleichtern?
Antwort:
Die „Sondermaßnahmen zum Erwerb einer Lehramtsbefähigung für das Lehramt an beruflichen Schulen“ werden ausschließlich durch das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus angeboten. Der Landeshauptstadt München bleibt hier nur die Möglichkeit, diese Maßnahmen bekannt zu machen und städtische Schulen als Einsatzschulen anzubieten, mit der Hoffnung, dass sich die Lehrkräfte im Anschluss an die Sondermaßnahme für die Landeshauptstadt München als Arbeitgeberin entscheiden. Eigene Sondermaßnahmen – in Koordination mit dem Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus – wären wünschenswert.
Darüber hinaus beschloss der Stadtrat am 11.5.2016, das Konzept zur Weiterqualifizierung von Fachlehrerinnen und Fachlehrern an beruflichen Schulen für die vierte Qualifikationsebene für eine kommunale Kohorte in Kooperation mit der Stadt Nürnberg umzusetzen (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 05597). Mit dieser Sondermaßnahme wird das Ziel verfolgt, geeignete Beamtinnen und Beamte in den beruflichen Fachrichtungen mit Mangelsituation aufbauend auf ihren bereits typischerweise vorhandenen Berufserfahrungen zeitlich und inhaltlich gezielt auf die steigenden Anforderungen der nächsthöheren Qualifikationsebene vorzubereiten. Im Bereich der beruflichen Schulen wird somit ausgewählten Fachlehrkräften ermöglicht, durch eine zweijährige universitäre Nachqualifizierung und eine einjährige schulpraktische Ausbildung in die vierte Qualifikationsebene zu gelangen. Der Geschäftsbereich unterstützt die Lehrkräfte in dieser arbeitsintensiven Phase mit Anrechnungsstunden.
Frage 4:
Wie schätzt das Bayerische Kultusministerium diese Situation für Bayern ein?
Antwort:
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus verweist auf Anfrage auf die Publikation „Prognose zum Lehrerbedarf in Bayern 2018“ Hier heißt es: „Im Bereich der beruflichen Schulen wird der jährliche Einstellungsbedarf zunächst noch hoch bleiben, im Jahr 2020 dann aber etwas geringer ausfallen. In der ersten Hälfte der 20er-Jahre werden die Einstellungszahlen vergleichsweise stabil zwischen 400 und 500 liegen, bevor es im Jahr 2025 zu einem Sondereffekt kommt: Da im Rahmen der Einführung des neuen neunjährigen Gymnasiums der Abiturientenjahrgang 2025 einmal deutlich schwächer ausfallen wird, werden im Herbst 2025 auch spürbar weniger Schülerinnen und Schüler mit Hochschulreife an den beruflichen Schulen eintreten. So sinkt auch der Lehrereinstellungsbedarf punktuell auf nur rund 270. Ab dem Jahr 2026 ist dann mit Einstellungszahlen von über 600 zu rechnen, am Prognosehorizont im Jahr 2030 sogar mit etwa 860.2
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.
Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
2https://www.km.bayern.de/download/8979_lehrerbedarfsprognose2018_langfassung.pdf