Umstiegsprämie: Kostenloser ÖPNV bei Verschrottung alter Diesel-Kfz
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Rathaus Umschau 100 / 2019, veröffentlicht am 27.05.2019
Umstiegsprämie: Kostenloser ÖPNV bei Verschrottung alter Diesel-Kfz
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anna Hanusch, Sabine Krieger und Dr. Florian Roth (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 2.10.2018
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Sie beantragen, die Landeshauptstadt München solle als Umstiegsprämie bei Verschrottung von älteren Dieselfahrzeugen bis Euro 5/V ein kostenloses Jahresticket des ÖPNV im Stadtgebiet für zunächst ein Jahr gewähren. Außerdem solle eine Kombination mit kostenlosen bzw. verbilligten Carsharing-Angeboten geprüft werden.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 2.10.2018 können wir Ihnen folgenden Sachstand mitteilen:
Die als sonstige Maßnahme (SoM 16) im Masterplan zur Luftreinhaltung aufgenommene Umstiegsprämie kann – wie im Masterplan dargelegt – hinsichtlich der lufthygienischen Wirkung nicht näher bewertet werden (siehe S. 45 der Anlage 1 zur Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 12218). Gutachterlich wurde den sonstigen Maßnahmen ein nur geringer direkter Beitrag zur NO2-Minderung bescheinigt. Die sonstigen Maßnahmen sollen daher vom Masterplan abgekoppelt vorangetrieben werden. Unabhängig davon ist diese Maßnahme in Prüfung.
Umstiegsprämie nach dem Muster der Stadt Reutlingen und 365-Euro-Ticket
In der Stadt Reutlingen wird der dort ursprünglich verfolgte Ansatz einer Umstiegsprämie, nach Prüfung des im Zuge des Modellstadt-Programms eingereichten Maßnahmenvorschlags durch den Bund, inzwischen nicht weiter verfolgt.
Anstelle einer ursprünglich geplanten Umstiegsprämie wurde ab 1.1.2019 ein 365-Euro-Ticket für die Bürgerinnen und Bürger im Nahverkehrsverbund eingeführt, unabhängig von einer Kfz-Stillegung bzw. -verschrottung. Der Gültigkeitsbereich des 365-Euro-Tickets umfasst neben dem Stadtgebiet Reutlingen eine Auswahl an Umlandgemeinden, nämlich den Bereich der sogenannten „Wabe 220“ im Verbundnetz. Neben dem Jahresticket, dessen Kosten vor Einführung des 365-Euro-Tickets bei 524,20 Euro lagen und jetzt 365 Euro betragen, wurden auch die Kosten für das Schülerticket und für die Tagestickets gesenkt. Mit der Einführung des 365-Euro-Tickets wurde eine Kapazitätserweiterung erforderlich. Ab Jahresmitte 2019 wird in diesem Zusammenhang das Angebot des ÖPNV im Stadtbusnetz ausgeweitet (zehn neue Buslinien, 100 neue Haltestellen, sechs statt bislang vier Millionen Fahrplankilometer).Die Einführung des 365-Euro-Tickets in Reutlingen führt in der Bilanz der Betreibergesellschaft/-en für das ÖPNV-Angebot (naldo Verkehrsverbund Neckar-Alb-Donau GmbH, Stadt Reutlingen als Komplementärin der Reutlinger Stadtverkehrsgesellschaft mbH Hogenmüller & Kull Co. KG) zu einer Verringerung auf der Einnahmenseite und zusätzlich zu Mehrkosten auf der Ausgabenseite aufgrund der erforderlichen Kapazitätsausweitung des Busangebotes. In Summe ergibt sich eine Kostenunterdeckung in Höhe der Kostendifferenz verkaufter Tickets zu den deutlich vergünstigten und damit nicht kostendeckenden Ticketangeboten ab 1.1.2019 im Vergleich zu den ursprünglichen Ticketpreisen. Weiter tragen die Mehrkosten für die erforderliche Kapazitätsausweitung des Busangebotes zu der Kostenunterdeckung bei. Die sich in Summe ergebende Kostenunterdeckung müsste zunächst von der Stadt Reutlingen getragen werden.
Förderungen durch den Bund
Da die Stadt Reutlingen als eine der insgesamt fünf Modellstädte „Saubere Luft“ ausgewählt wurde, wird das 365-Euro-Ticket über das Projekt Lead City (Förderprogramm für Modellstädte, Bund) gefördert. Dabei trägt der Bund jeweils die Kostendifferenz zum Normalpreis für ein Ticket des Verkehrsverbundes bis zu einer Höhe von 95% und trägt so zu einer Minderung der Kostenunterdeckung bei, die sonst vollumfänglich die Stadt Reutlingen zu tragen hätte.
Offen ist, ob der Bund die Förderung eines 365-Euro-Jahrestickets auch außerhalb des Förderprojektes Lead City für andere Städte zugänglich machen wird, z. B. im Rahmen des „Sofortprogramm Saubere Luft 2017 – 2020“.
Förderungen durch den Freistaat Bayern
Zudem hat die bayerische Staatsregierung die Idee eines 365-Euro-Tickets aufgegriffen. Im Koalitionsvertrag der Regierungsparteien CSU und Freie Wähler für die Legislaturperiode 2018 – 2023 ist die Einführung eines 365-Euro-Jahrestickets für die großen Städte München, Nürnberg/Fürth/ Erlangen, Augsburg, Regensburg, Ingolstadt und Würzburg auf Dauer vorgesehen.
Betroffenheit der Stadt München
Im Stadtgebiet München sind ca. 129.200 Diesel-PKW bis einschließlich Euro 5 (Stand 31. Januar 2019) gemeldet. Wird das im Antrag erwähnte „Stadtgebiet“ analog der Ringe 1 bis 4 (Innenraum) im Tarifgebiet der Münchner Verkehrsbetriebe gesehen, dann kostet ein Jahresticket bei jährlicher Zahlweise im Voraus 750 Euro. Wenn alle 129.200 betroffenen Halter von Dieselfahrzeugen ihr Fahrzeug verschrotten und die Umstiegsprämiebeantragen würden, müsste die Landeshauptstadt München für die im Antrag vorgeschlagene Umstiegsprämie 96,9 Millionen Euro Haushaltsmittel bereitstellen. Legt man die neuen, ab Ende 2019 gemäß Tarifreform beschlossenen Preise für die zukünftig den Innenraum abbildende Zone M zugrunde, wären bei jährlicher Zahlweise 522 Euro für ein Jahresticket fällig und damit 67,4 Millionen Euro aus Haushaltsmitteln bereitzustellen – wiederum das Szenario unterstellt, dass alle betroffenen Dieselfahrerinnen und Dieselfahrer mit Verschrottung ihres Fahrzeuges die Förderung beanspruchen würden. Diese Mittel müssten von der Landeshauptstadt München zur Umsetzung dieser Maßnahme für die Auflage eines entsprechenden Förderprogramms bereitgestellt werden.
Weiteres Vorgehen
Dem Gebot der sparsamen Haushaltsführung folgend bleibt vorerst abzuwarten, inwieweit die im Antrag geforderte Umstiegsprämie, auch in Form eines 365-Euro-Tickets, aus Fördermitteln des Bundes bzw. aus Landesmitteln finanziert werden kann.
Da sowohl der Bund als auch der Freistaat Bayern die Förderung eines 365-Euro-Tickets als Ziel angegeben haben, steht die Stadtverwaltung mit den zuständigen Stellen des Bundes und des Landes im Austausch, wie dies konkret für München umgesetzt werden kann. Vor diesem Hintergrund ist aktuell von einer eigenen – äußerst kostenintensiven – Maßnahme durch die Landeshauptstadt München abzusehen und sind die eigenen beschränkten Haushaltsmittel zielgerichtet für die Maßnahmen zur Luftreinhaltung im eigenen Zuständigkeitsbereich der Landeshauptstadt München zu konzentrieren. Sobald neue belastbare Erkenntnisse vorliegen, werden wir den Stadtrat selbstverständlich informieren.
Stellungnahme des Planungsreferates zu kostenlosen und verbilligten Carsharing-Angeboten
„Das Angebot von kostenlosen und verbilligten Carsharing-Angeboten, wie im Antrag gewünscht, wird fachlich als nicht zielführend eingestuft. In einem multimodalen Mobilitätsmix ergänzt Carsharing das Angebot des öffentlichen Personenverkehrs für nicht-verlagerbare Fahrten z. B. in Folge eines Transportbedürfnisses oder bei einem Zielort, welcher mit den Verkehrsmitteln des Umweltverbunds schwer erreichbar ist. Carsharing dient somit lediglich in den verbleibenden Einzelfällen als automobile Alternative zum eigenen Kfz. Eine teilweise oder vollständige Bezuschussung von Carsharing-Anbietern entspräche damit nicht der Kostenwahrheit und ist folgerichtig nicht Bestandteil der Daseinsvorsorge.“
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.