Aufwandsentschädigung für Medizinstudierende in städtischen Kliniken – Verantwor tung und Leistungsanforderung im Praktischen Jahr gerecht werden
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Anna Hanusch, Jutta Koller, Dominik Krause und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 11.3.2019
Antwort Stadtkämmerer Christoph Frey:
Nach Paragraph 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages fällt jedoch nicht in die Zuständigkeit des Stadtrates oder als laufende Angelegenheit in die Zuständigkeit des Oberbürgermeisters, sondern in den operativen Geschäftsbereich der München Klinik (MüK). Eine beschlussmäßige Behandlung im Stadtrat ist rechtlich daher nicht möglich. Ihr Antrag wird deshalb im Folgenden als Brief beantwortet.
Zu Ihrem Antrag teile ich Ihnen Folgendes mit.
Zu Ziff. 1:
Ihr Antrag lautet:
„Die städtischen Kliniken werden dazu aufgefordert, Medizinstudierende während des Praktischen Jahres monatlich mit einer Aufwandsentschädigung in Höhe des aktuellen BAföG-Höchstsatzes zu entlohnen. Zusätzlich werden ab dem Erreichen des 25. Lebensjahres die entsprechenden Krankenversicherungsbeiträge der Studierenden übernommen.“
Die Geschäftsführung der München Klinik hat dazu wie folgt Stellung genommen:
„Die München Klinik bietet im Rahmen des Praktischen Jahres, welches für angehende Mediziner*innen und ihren weiteren Berufsweg vorgeschrieben ist, Einblicke in vier Krankenhäuser der Maximalversorgung und die Dermatologische Fachklinik – von der Versorgung von Frühchen bis zur Behandlung von hochaltrigen Patienten*innen mit sehr komplexen Erkrankungen. Aufgrund der hohen Spezialisierung und eines umfangreichen Fortbildungsprogramms kommen angehende Mediziner*innen bevorzugt für das Praktische Jahr in die Krankenhäuser der München Klinik.
Die Approbationsordnung für Ärzte*innen (ÄApprO) regelt die Ausbildung der Medizinstudenten*innen. Das Praktische Jahr, welches nach Bestehendes zweiten Abschnitts der ärztlichen Prüfung stattfindet, kann gemäß der Regelungen der Paragraphen 3 und 4 ÄApprO in außeruniversitären Einrichtungen absolviert werden. Die Universitäten haben mit der München Klinik auf Basis ihrer Standardmuster einen Lehrkrankenhausvertrag geschlossen. Dieser verpflichtet die München Klinik, die nach ÄApprO geforderten Voraussetzungen zu erfüllen und legt fest, dass die München Klinik zu den Studierenden nicht in eine unmittelbare vertragliche Rechtsbeziehung tritt. Demzufolge haben die Studierenden grundsätzlich keinen Anspruch auf Vergütung,
Unterkunft, Verpflegung oder Erstattung der Fahrkosten. Auf diesen Umstand weist die Universität die Studierenden vor Antritt der praktischen Ausbildung hin. Die Studierenden sind berechtigt, an der Gemeinschaftsverpflegung der München Klinik teilzunehmen.
Das Klinikum Ingolstadt als anerkanntes Lehrkrankenhaus der LMU gewährt inzwischen eine Aufwandsentschädigung in Höhe von monatlich 399Euro, um PJ-Studenten*innen für sich gewinnen zu können. Die Herangehensweise der Münchner Universitätsklinika gestaltet sich unterschiedlich – ein Klinikum signalisiert Bereitschaft zur Zahlung einer Aufwandsentschädigung, ein anderes nicht. Vor der Entscheidung für eine monetäre Aufwandentschädigung seitens der MüK sollte daher eine Abstimmung mit der Praxis der Universitätsklinika stattfinden. Grundsätzlich steht die MüK einer Geldleistung an PJ-Studenten positiv gegenüber.
Die MüK hat Interesse an der Durchführung der praktischen Ausbildung der Medizinstudierenden, weil sie ein attraktives Fachspektrum und zahlreiche exzellente Ausbilder*innen zu bieten hat. Die Ausbildung der Medizinstudierenden verschafft der MüK die Möglichkeit, gute Weiter bildungsassistent*innen zu finden.
In der MüK absolvieren monatlich bis zu 170 Studenten*innen ihr Praktisches Jahr. Sollte eine Aufwandsentschädigung von monatlich etwa 400Euro zur Diskussion stehen, wäre mit Kosten von monatlich rund 70.000 Euro zuzüglich möglicher Sozialversicherungsbeiträge zu rechnen. Jährliche Mehrkosten beliefen sich somit voraussichtlich auf rund 840.000Euro zuzüglich möglicher Sozialversicherungsbeiträge.
Die Vergütung der PJ-Studenten*innen ist im kostenträgerfinanzierten Krankenhausbudget der MüK nicht vorgesehen und somit nicht gedeckt. Aktuell enthält die Wirtschaftsplanung der MüK keinen Ansatz für einen derartigen Aufwand. Von daher lehnt die Geschäftsführung der München Klinik eine monatliche Zahlung an PJ-Studenten*innen ab.“
Zu Ziff. 2
Ihr Antrag lautet:
„Weiterhin werden den Studierenden seitens der städtischen Kliniken wöchentlich mindestens vier Stunden vor- und nachbereitende Lehrveranstaltungen sowie acht Stunden individuelles Selbststudium garantiert.“
Die Geschäftsführung der München Klinik hat dazu wie folgt Stellung genommen:
„Neben der ÄApprO treffen die Studienordnung der Universität sowie Verlautbarungen des Wissenschaftsrates weitere Festlungen zur Durchführung des Praktischen Jahres. Derzeit werden durch die Universität zwei Stunden pro Tag für ein Selbststudium vorgesehen. Die Universität/die Fakultät verpflichtet die Studierenden zur gewissenhaften Führung ihres persönlichen Logbuches und legt die Evaluation fest. Hierbei hat die München Klinik ebenfalls keine Regelungskompetenz.
Mit dem Lehrkrankenhausvertrag verpflichtet sich die München Klinik, die von den Paragraphen 3 und 4 ÄApprO geforderten, differenziert geregelten praktischen Ausbildungsinhalte umzusetzen. Hierfür setzt die München Klinik mit ihrem sehr breit gefächerten und fachlich hervorragendem medizinischen Angebot erhebliche personelle und sachliche Ressourcen ein.Hierzu zählt eine breite Palette gesonderter Lehrveranstaltungen sowie die Zeit für das Eigenstudium nach den Regeln der ÄApprO.“
Zu Ziff. 3
Ihr Antrag lautet:
„Zudem arbeiten die städtischen Kliniken aktiv auf eine Reform der Approbationsordnung hinsichtlich der Anerkennung von Krankheitstagen auch in gesplitteten Tertialen hin. Den ausbildenden Einrichtungen obliegt dabei die Entscheidung, in welcher Form die Krankmeldung der Studierenden eingereicht wird.“
Die Geschäftsführung der München Klinik hat dazu wie folgt Stellung genommen:
„Die ÄApprO ist eine Rechtsverordnung, die das Bundesgesundheitsministerium (BMG) mit Zustimmung des Bundesrates erlassen hat. Hierfür ist das BMG gemäß Paragraph 4 Bundesärzteordnung ermächtigt. Eine Reform der ÄApprO kann nach Maßgabe der Gewaltenteilung durch die Exekutive oder die Legislative veranlasst werden, ggf. als Länderinitiativeüber den Bundesrat. Insoweit ist die München Klinik nicht der geeignete Adressat der Ziff. 3 des Antrages.“
Zu Ziff. 4
Ihr Antrag lautet:
„Die Stadtverwaltung und die städtischen Kliniken wirken zudem aktiv daraufhin, dass sämtliche beschriebene Maßnahmen auch geschlossen seitens kirchlicher und privater Münchner Krankenhausträger beschlossen und unterstützt werden“
Die Geschäftsführung der München Klinik hat dazu wie folgt Stellung genommen:
„Die München Klinik ist nicht der richtige Adressat, da die Studienfinanzierung nicht zu den Unternehmenszwecken gehört.“
Das Referat für Gesundheit um Umwelt berichtet dazu wie folgt:
„Grundsätzlich sind die Bestrebungen, für Medizinstudierende im Praktischen Jahr stadtweit einheitliche Aufwandsentschädigungen durchzusetzen und bessere Rahmenbedingungen zu schaffen, begrüßenswert. In München gibt es eine Vielzahl an Krankenhausträgern (kirchlich, privat, staatlich und kommunal) mit unterschiedlichsten Strukturen, die ihre Finanz- und Personalentscheidungen unabhängig voneinander zu verantworten haben. Ein geschlossenes Vorgehen aller Münchner Kliniken auf kommunaler Ebene zu erreichen, dürfte daher schwierig sein. Dies kann nach bestehender Rechtslage nur ein Appell sein.
Die Approbationsordnung für Ärzte (ÄApproO) regelt die Ausbildung der Medizinstudierenden im Praktischen Jahr. Es besteht demnach kein Anspruch auf Vergütung. Es können Geld- oder Sachleistungen gewährt werden. Diese dürfen jedoch insgesamt den Bedarf für Auszubildende nach Paragraph 13 Absatz 1 Nummer 2 und Absatz 2 Nummer 2 des
Bundesausbildungsförderungsgesetzes (BAföG) nicht übersteigen. Die Studierenden haben die Wahl, ihr Praktisches Jahr an ihrer Heimatuniversität, in den Lehrkrankenhäusern der Heimatuniversität oder in Universitätskrankenhäusern oder Lehrkrankenhäusern anderer Universitäten zu absolvieren. Da die Ausbildung somit überregional angelegt ist, erscheint eher eine einheitliche Regelung auf Landes- oder Bundesebene sinnvoll. Auch Ärzteverbände, wie beispielsweise der Hartmann bund, setzen sich aktuell für eine bundesweit einheitliche Aufwandsentschädigungim Praktischen Jahr in Höhe des BaföG-Satzes ein. Aus kommunaler Sicht sollten ebenfalls überregionale Vereinbarungen präferiert werden.“
Wie der Internetseite des Bundesvertretung der Medizinstudierenden in Deutschland e.V. (bvmd)1 sowie einem Artikel des Ärzteblatts2 zu entnehmen ist, wurde die von Ihnen erwähnte „Petition für ein faires Praktisches Jahr im Medizinstudium“ mit 108.646 gesammelten Unterschriften beendet3. Diese Petition soll in den nächsten Wochen dem Bundesministerium für Gesundheit, dem Medizinischen Fakultätentag, der Gesundheitsministerkonferenz, dem Verband der Universitätsklinika Deutschlands und der Deutschen Krankenhausgesellschaft überreicht werden.“
Die Stadtkämmerei kann das Anliegen der Medizinstudierenden nachvollziehen. Die Kosten der Aufwandsentschädigung für die Studenten*innen im Praktischen Jahr würden sich auf rund 840.000 Euro zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge belaufen. Die Finanzierung muss grundsätzlich durch die München Klinik aus dem Personalbudget erfolgen, da es aus Sicht der Stadtkämmerei keine Rechtsgrundlage gibt, die Aufwandsentschädigungen für die Medizinstudierenden im Praktischen Jahr durch die Landeshauptstadt München zu finanzieren. Die Geschäftsführung der München Klinik sieht in ihrer Stellungnahme derzeit keine Möglichkeit, diese Kosten in das Personalkostenbudget einzuplanen. Daher muss abgewartet werden, ob aufgrund der derzeitigen bundesweiten Initiativen die Approbationsordnung dahingehend abgeändert wird, dass die PJ-Studierenden künftig einen gesetzlichen Anspruch auf eine Aufwandsentschädigung haben.
Ich möchte Sie um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 siehe https://www.bvmd.de/unsere-arbeit/projekte/praktisches-jahr/petition-fuer-ein-faires-pj/
2 siehe https://www.aerzteblatt.de/nachrichten/101462/Faires-PJ-Viel-Unterstuetzung-fuer-Petition