Ist bezahlbarer und genossenschaftlicher Wohnraum auf großen privaten Entwicklungsflächen realistisch oder entstehen hier vorrangig hochpreisige Wohnungen?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 6.3.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(l) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 6.3.2019 haben Sie gemäß Paragraph 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Wir bedanken uns für die mit Schreiben vom 7.5.2019 gewährte Fristverlängerung bis zum 31.7.2019.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Bei den beabsichtigten Siedlungsprojekten im Münchener Norden und Nordosten gibt es einerseits einen breiten gesellschaftlichen und politischen Konsens bei vielen Themen, wie z. B. Linderung der Münchener Wohnungsnot und Schaffung vorrangig bezahlbaren Wohnraums durch ein schlüssiges städtebauliches Gesamtkonzept unter Verzicht von Enteignungen. Andererseits besteht ein Dissens über die Frage nach den geeigneten städtebaulichen Instrumenten und Rahmenbedingungen für eine derart große Fläche. Die Erfahrungen zeigen, dass eine Entwicklung der Flächen mit den aktuellen Regularien der SoBoN bzw. durch den Verlust von Flächen für die Allgemeinheit durch den Verkauf privater Flächen an spekulative Immobilienentwickler oder gewinnorientierte Baufirmen nicht zu bezahlbaren Wohnungen führen.“
Frage 1a:
Beispiel – 5. Bauabschnitt Messestadt/Arrondierung Kirchtrudering: a) Ist es richtig, dass für diese geplante Entwicklung sämtliche private und landwirtschaftliche Flächen in den Besitz eines kommerziellen Bauträgers übergegangen sind?
Antwort:
Nein.
Nach dem Kenntnisstand des Referates für Stadtplanung und Bauordnung sind hier mehrere Bauträgerfirmen involviert.
Frage 1b:
b) Sind der LH München von privaten Eigentümern Flächen zur Entwicklung von „bezahlbarem“ bzw. geförderten/genossenschaftlichem Wohnungsbau zum Kauf angeboten worden?
Antwort:
Nein.
Im Bereich des 5. Bauabschnitts Messestadt/Arrondierung Kirchtrudering sind der Landeshauptstadt München unserer Kenntnis nach bislang keine Flächen zum Kauf angeboten worden.
Frage 2:
Beispiel – Schwarzbau-Gewerbegebiet am Rappenweg: Ist es richtig, dass – noch lange bevor hier möglicherweise Baurecht entsteht – sich private Immobilienentwickler den Zugriff auf private Flächen gesichert haben?
Antwort:
Nach dem Kenntnisstand des Referates für Stadtplanung und Bauordnung sind bereits mehrere Bauträgerfirmen involviert.
Frage 3:
Ist es richtig, dass im privaten Münchner Immobiliengeschäft Flächen zu Spekulationszwecken zum Teil mehrfach an den Besitzer wechseln mit dem Ergebnis, dass bei jedem Eigentümerwechsel der Grundstückswert steigt und dadurch im Wesentlichen hochpreisige Wohnungen entstehen?
Antwort:
Ja.
Dies kommt tatsächlich vor, kann aber aufgrund der freien Marktwirtschaft nicht verhindert werden.
Frage 4:
Sind der Stadtverwaltung Beispiele geplanter Wohnungsbau-Entwicklungen bekannt, bei denen private Flächen der LH München, städtischen Wohnungsbaugesellschaften oder gemeinnützigen Genossenschaften (zu einem fairen Preis) angeboten wurden?
Antwort:
Zum derzeitigen Stand sind keine entsprechenden Flächenangebote bekannt.
Nachrichtlich kann an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass in Bezug auf das Gelände der ehemaligen Paulaner-Brauerei am Nockherbergbekannt ist, dass im Jahr 2016 über den Ankauf einer Fläche durch die Landeshauptstadt München für den geförderten Wohnungsbau entschieden wurde.
Die Vollversammlung des Stadtrates hat im nichtöffentlichen Teil der Sitzung am 20.4.2016 (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 05506) mehrheitlich einen Ankauf von Flächen in diesem Bereich abgelehnt.
Hierfür waren die von der Eigentümerin für einen Ankauf vorgegebenen Konditionen ursächlich. Der Ankauf nur zum Marktwert der Grundstücke führte zum Ergebnis, dass die zu beachtende Wirtschaftlichkeit bei der Mittelverwendung nicht mehr gegeben gewesen wäre. Aufgrund der Beschlussfassung in nichtöffentlicher Sitzung können keine weiteren Informationen gegeben werden.
Grundsätzlich kann man sagen, dass der Landeshauptstadt München in unregelmäßigen Abständen Grundstücke zum Kauf von Privat angeboten werden. Meistens handelt es sich dabei aber um Flächen im Außenbereich nach Paragraph 35 BauGB, die, wenn überhaupt, nur mit einem minimalen Baurecht bewertet werden können.
In der Regel werden Grundstücke von den Privaten selbst entwickelt und dabei möglichst viel Baurecht verwirklicht.
Nach momentanem Kenntnisstand gab es auch kein Angebot mit der Bedingung, das erworbene Grundstück alleinig für die Schaffung günstigen Wohnraums zu verwenden.
Die Landeshauptstadt München selbst kauft im Rahmen der Mehrung ihres Vorratsvermögens allgemein Flächen auf. Diese werden üblicherweise der Stadt zu Marktpreise angeboten.
Parallel dazu bewerben sich die städtischen Gesellschaften um den Erwerb privater Wohnbauflächen insbesondere für den geförderten Wohnungsbau. Der Zukauf von Mietwohnungen durch die städtischen Gesellschaften zur weiteren Stärkung der sogenannten „Eingriffsreserve“ der Stadt verbleibt, wie vom Stadtrat wiederholt bekräftigt, eine wohnungspolitische Aufgabenstellung und Anforderung an die Gesellschaften.
Zusätzlich hat die Landeshauptstadt München die Möglichkeit, das kommunale Vorkaufsrecht in Erhaltungssatzungsgebieten zu Gunsten der städtischen Wohnungsbaugesellschaften auszuüben. Es ist unter anderem in Abhängigkeit von der Entscheidung des Stadtrates somit möglich, dass weitere Immobilienobjekte von den städtischen Wohnungsbaugesellschaften angekauft werden. Die Finanzierung möglicher Erwerbe wird durch die Landeshauptstadt München über Bareinlagen unterstützt. Gleiches gilt für Ankäufe von Objekten der GBW Gruppe, sofern Kaufangebote auch nach dem Auslaufen des vertraglichen Vorkaufsrechts herangetragen werden.
Frage 5:
Kann die Stadtverwaltung bestätigen, dass die freifinanzierten Wohnungen auf dem ehemaligen Paulanergelände in Haidhausen und in der Au zwischen 9.000 und 21.000 Euro pro Quadratmeter auf dem Immobilienmarkt angeboten werden?
Antwort:
Ja.
Derzeit werden die ersten Wohnungen im Baugebiet an der Regerstraße von der Bayerischen Hausbau auf dem ehemaligen Paulanergelände vermarktet. Es handelt sich um Wohnungen, die innerhalb des Baugebietes eine bevorzugte Lage zum ruhigen Quartierspark haben.
Die Wohnungen an der Regerstraße selbst sind dem geförderten Wohnungsbau vorbehalten.
Die Kaufpreisspanne bewegt sich in dem in der Anfrage genannten Rahmen von 9 bis 21.000 Euro pro Quadratmeter. Die untere Grenze wird gebildet durch erdgeschossige kleine Wohnungen, die Obergrenze wird erreicht durch Vierzimmerwohnungen mit privater Dachterrasse mit Blick über die Isarhangkante.
Frage 6:
Teilt die Stadtverwaltung die Befürchtung, dass in den Entwicklungsgebieten im Norden und Nordosten, wenn diese nach den aktuellen Münchner SoBoN-Regularien stattfindet, mit einzelnen B-Plänen und städtebaulichen Verträgen, eine ganzheitliche Entwicklung und die Schaffung „bezahlbarer“ und genossenschaftlicher Wohnungen erheblich erschwert wird?
Antwort:
Die sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN), wie sie seit langem in München erfolgreich praktiziert wird, ermöglicht es der Stadt, auf privaten Flächen einen nicht unerheblichen Teil an sozial gefördertem Wohnungsbau zu verwirklichen. Derzeit sind in Neubaugebieten 30% der neu geschaffenen Wohnflächen im geförderten Wohnungsbau und 10% als preisgedämpfter Mietwohnungbau herzustellen. Das Marktgeschehen am Bodenmarkt antizipiert diese Konditionen bei der Preisbildung von potentiellen Flächen, die einer städtebaulichen Entwicklung zugeführt werden sollen.Die gleichen Quoten würden auch im Norden oder im Nordosten gelten, würde man bei einer Entwicklung die SoBoN-Grundsätze anwenden. Mit entsprechenden Bodenpreisen wäre dementsprechend ggf. zu rechnen. Derzeit laufen im Münchner Nordosten sogenannte vorbereitende Untersuchungen für eine städtebauliche Entwicklungsmaßnahme. Im Norden hat der Stadtrat die Verwaltung beauftragt, ein kooperatives Stadtentwicklungsmodell zu entwickeln. Beiden Vorgehensweisen ist gemeinsam, dass eine Bindung an die SoBoN nicht besteht. D.h. die Stadt ist in einem bestimmten Rahmen grundsätzlich frei, andere Bindungsquoten anzusetzen. Bei vertraglichen Gestaltungen ist jedoch auch der Grundsatz der Angemessenheit zu berücksichtigen.
Maßgeblich hierfür sind die entstehenden Bodenwertsteigerungen. Je höher diese sind, desto mehr Spielraum bleibt für anzusetzende Kosten und Lasten wie auch für die Quoten an gefördertem Wohnungsbau.
Die Sozialgerechte Bodennutzung ist eher besser für kleinere Flächen geeignet, die bereits erschlossen sind und bei denen die Aussicht auf ein zeitnahes Baurecht besteht. Dabei ist in der Regel nicht ein so hoher Bedarf an verschiedensten und umfangreichen Infrastrukturmaßnahmen – vor allem eine verkehrliche Erschließung – erforderlich, wie dies im Norden und Nordosten zu regeln ist.
Bei der Öffnung der Gebiete für SoBoN-Bebauungspläne bestünde ggf. das Risiko, dass der Markt, ohne Bindung an die Gesamtmaßnahme, vermehrt spekulative Transaktionen tätigt.
Dies führt wiederum zu steigenden Grundstückspreisen und zu der notwendigen Konsequenz der privaten Projektwickler, entsprechenden Gewinn aus der Entwicklung zu ziehen. Dies konterkariert ggf. das Ziel von bezahlbarem Wohnraum.
Zusammenfassend kann aufgrund der Größe und der Lage am Stadtrand sowie der fehlenden Erschließung und anderer Infrastrukturleistungen nur durch die Entwicklung eines Gesamtkonzeptes die ganzheitliche Entwicklung und die Schaffung bezahlbarer und genossenschaftlicher Wohnungen gewährleistet werden. Daher wäre in größeren Gebieten, in denen es zudem mit vielen Grundstückseigentümerinnen und -eigentümern mit unterschiedlichsten Interessen zu verhandeln gilt, das geeignete Mittel der Bodenaufteilung sicher die SEM.
Durch die einheitliche Entwicklung eines Gesamtgebiets kann eine gerechte Kosten- und Lastenverteilung im Gesamtgebiet sowie eine preisdämpfende Wirkung erzielt werden, da die konkreten Entwicklungsflächen nicht feststehen und somit weniger spekulativer Transaktionen möglich sind.