München fordert Verbot von Atomwaffen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 16.8.2018
Antwort Oberbürgermeister Dieter Reiter:
Zunächst bitte ich um Entschuldigung dafür, dass sich die Beantwortung Ihres Antrags wegen der Prüfung komplexer rechtlicher Gegebenheiten verzögerte, und bedanke mich für die gewährte Fristverlängerung. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, teile ich Ihnen auf diesem Wege zu den einzelnen Punkten Ihres Antrags vom 16.8.2018 nach rechtlicher Prüfung durch die Rechtsabteilung des Direktoriums Folgendes mit:
Zu 1.:
Ziffer 1 Ihres Antrags enthält eine allgemeinpolitische Forderung. Der Antragspunkt berührt keine spezifische kommunale Betroffenheit der Landeshauptstadt München. Denn die Entscheidung über den Beitritt zum Atomwaffenverbotsvertrag trifft nach der bundesstaatlichen Kompetenzordnung der Bund.
Folglich ist ein Stadtratsbeschluss rechtlich nicht zulässig.
Er hätte aber auch inhaltlich keine Aussicht auf Erfolg, denn die Bundesregierung hat sich erst 2018 ablehnend hinsichtlich eines Beitritts zum Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen geäußert.
Einem Stadtratsbeschluss stünde somit materiell die eindeutige Haltung der Bundesregierung entgegen. Sie hält den Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen für nicht geeignet, das von ihr angestrebte Ziel einer nuklearwaffenfreien Welt tatsächlich und in nachprüfbarer Weise zu erreichen. Diese Haltung begründet sie wie folgt (Bundestagsdrucksache 19/1779 auf S. 4, als Anlage beigefügt):
-Keiner der Nuklearwaffenstaaten, auf deren Mitwirkung es bei einer an echtem Fortschritt orientierten nuklearen Abrüstung in erster Linie ankommt, hat sich an den Verhandlungen zum Atomwaffenverbotsvertrag beteiligt. Der Konferenz blieben nicht nur die Bundesrepublik Deutschland und diverse NATO-Staaten, sondern vor allem alle neun Atomwaffenstaaten (China, Frankreich, Großbritannien, Indien, Israel, Nordkorea, Pakistan, Russland und USA) fern.-Der Vertrag über das Verbot von Nuklearwaffen droht, dem Nuklearen Nichtverbreitungsvertrag von 1968 (NVV) und den mit ihm verbundenen Kontrollregime zur Verhinderung nuklearer Proliferation nachhaltigen Schaden zuzufügen sowie das globale Nonproliferations- und Abrüstungsregime zu gefährden.
-Die Bundesregierung ist insbesondere zu der wichtigen Frage der Verifikation der Umsetzung eines sogenannten Atomwaffenverbots besorgt, dass deren Regelung im Verbotsvertrag aus ihrer Sicht hinter die geltenden Verifikationsstandards der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und der NVV-Vertragsstaaten zurückfällt.
-Darüber hinaus sieht der Atomwaffenverbotsvertrag den Beitritt zum Kernwaffenteststop-Vertrag CTBT von 1996 und dessen Ratifizierung nicht als Voraussetzung für einen Beitritt vor. Die Bundesrepublik Deutschland hat den CTBT bereits 1998 ratifiziert. Er ist aber noch nicht in Kraft getreten. Pakistan, Nordkorea und Indien haben ihn z. B. noch nicht unterzeichnet.
-Nukleare Abrüstung und das Ziel einer Welt ohne Nuklearwaffen können und dürfen zudem nach Auffassung der Bundesregierung nicht losgelöst von der sicherheitspolitischen Realität sowie den bündnispolitischen Verpflichtungen Deutschlands im Rahmen der NATO, zu denen die Bundesregierung uneingeschränkt steht, betrachtet werden.
Zu 2. und 3.:
Sie bitten mich darum, als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München mich an den Deutschen Städtetag bzw. die deutsche Sektion der „Mayors for Peace“ zu wenden, damit sich diese für eine Unterzeichnung des Atomwaffenverbotsvertrags vom Juli 2017 verstärkt einsetzen.
Wie Sie in der Begründung Ihres Antrags ausführen, habe ich 2017 zur bisherigen völkerrechtlichen Praxis der Nicht-Ächtung von Nuklearwaffen kritisch Stellung bezogen und in diesem Zusammenhang die Vergabe des Friedensnobelpreises an ICAN als richtungweisendes Signal für weitere Abrüstungsbemühungen ausdrücklich begrüßt.
Als Oberbürgermeister der Landeshauptstadt München und Mitglied der „Mayors for Peace“ möchte ich explizit meine tiefe Besorgnis über die Bedrohung durch Atomwaffen für Städte und Gemeinden auf der ganzen Welt ausdrücken. Ich bin fest davon überzeugt, dass alle Menschen ein Recht auf ein Leben frei von dieser Bedrohung haben. Jeder Einsatz von Atom-waffen, ob vorsätzlich oder auch nur versehentlich, zieht weitreichende und lang anhaltende Folgen für Mensch und Umwelt nach sich.
Vor diesem Hintergrund werde ich mich an den derzeitigen Präsidenten des Deutschen Städtetages und Oberbürgermeister der Stadt Münster, Herrn Markus Lewe, mit dem Ziel wenden, Handlungsoptionen auszuschöpfen.
Der Landeshauptstadt Hannover werde ich einen Abdruck dieses Schreibens zukommen lassen, weil diese als deutsche Lead City der Mayors for Peace die zuständige Stelle für koordinierte Aktivitäten in diesem Städtenetzwerk ist.
Anlässlich des angekündigten Rückzugs der USA aus dem INF-Vertrag habe ich bereits ein Schreiben unterstützt, das die Landeshauptstadt Hannover in dieser Funktion an Herrn Bundesaußenminister Maas gerichtet hat.
Ich bitte, von obigen Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.