Nachgefragt: „Minderjährige“ Flüchtlinge, die gar nicht minderjährig
sind
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 2.5.2019
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 02.05.2019 führen Sie Folgendes aus:
„Schon seit Jahren ist bekannt, dass viele vorgeblich ‚minderjährige‘ Flüchtlinge, die oftmals als unbegleitete Schutzsuchende nach Deutschland kommen, überhaupt nicht minderjährig sind und den bundesdeutschen Behörden gegenüber falsche Altersangaben machen. In Hamburg etwa ergab im Januar 2018 eine Senatsantwort auf eine Kleine Anfrage, daß 2017 jeder dritte von der Hansestadt in Betreuung genommene ‚minder- jährige‘ Migrant falsche Angaben gemacht hatte und in Wirklichkeit voll- jährig war. Bei den Migranten, bei denen eine ärztliche Untersuchung in der Rechtsmedizin angeordnet wurde, war sogar jeder zweite schon über 18 (hier wiedergegeben nach: https://www.welt.de/regionales/hamburg/article172501285/Hamburg-Jeder-dritte-junge-Fluechtling-gibt-sein-Alter-falsch-an.html; zuletzt aufgerufen: 01.05.2019, 22.45 Uhr; KR). Die Kategorisierung als Minderjähriger bringt handfeste und geldwerte Vorteile, etwa ein besseres – und kostspieligeres – Betreuungsangebot und einen besseren Schutz vor Abschiebung. Weil behördenseitig auf eine konsequente medizinische Altersüberprüfung von Migranten verzichtet wird (z.B. durch Röntgenuntersuchungen oder Untersuchungen des Handwurzelknochens), bleibt der Anteil der ‚Minderjährigen‘, die sich durch falsche Angaben ein besseres Betreuungsangebot erschwindeln, unverändert hoch. Auch in München erfolgt eine Überprüfung der Altersangaben nur in begründeten Verdachtsfällen und in der Regel nur durch Inaugenscheinnahme durch Fachpersonal. – Es stellen sich Fragen.“
Zu Ihrer Anfrage vom 02.05.2019 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
In der LHM befanden sich nach städtischen Angaben Ende 2017 rund 1400 „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ in städtischer Obhut (Angabe nach: https://www.muenchen.de/rathaus/Stadtverwaltung/Sozialreferat/ Fluechtlinge/Hintergrund.html; zuletzt aufgerufen: 01.05.2019, 22.55 Uhr; KR):- In wie vielen Fällen wurde in den Jahren 2016 mit 2018 von städtischen Behörden eine Überprüfung der Altersangaben angeblich „minderjähriger“ Flüchtlinge vorgenommen? In wie vielen Fällen konnten Probanden falscher Altersangaben überführt werden?
- Mit welchen Konsequenzen? In welchem Umfang wurden überführte Probanden in den Jahren 2016 mit 2018 aus der Minderjährigen-Betreuung ausgegliedert und in die reguläre Betreuung für „Flüchtlinge“ über 18 Jahre überstellt?
Antwort:
Im Jahr 2016 hat das Stadtjugendamt München 1.844 Gespräche zur Alterseinschätzung durchgeführt und dabei 1.025 Minderjährige sowie 819 Volljährige identifiziert. In 2017 wurden 817 Gespräche durchgeführt. Bei 284 Personen wurde Minderjährigkeit und bei 533 Personen Volljährigkeit festgestellt. In 2018 wurden in 287 Gesprächen zur Alterseinschätzung 116 Minderjährige sowie 171 Volljährige identifiziert.
Sollte sich im Rahmen des behördlichen Verfahrens zur Altersfeststellung gem. Paragraf 42 f SGB VIII herausstellen, dass es sich um eine volljährige Person handelt, wird diese unverzüglich an die Regierung von Oberbayern überstellt.
Bezüglich der Anfrage in welchem Umfang überführte Probanden in den Jahren 2016 mit 2018 aus der Minderjährigen-Betreuung ausgegliedert und in die reguläre Betreuung für „Flüchtlinge“ über 18 Jahre überstellt wurden, verweist das Sozialreferat auf die o. g. Zahlen. Es gibt im Rahmen der Betreuung von minderjährigen Personen keine parallele (Mit-) Betreuung von volljährigen Personen in der gleichen Einrichtung, da dies weder den Vorgaben der Heimaufsicht (Regierung von Oberbayern) noch den gesetzlichen Anforderungen des Paragraf 45 SGB VIII entsprechen würde. Die Bewilligung von Hilfen für junge Volljährige gem. Paragraf 41 SGB VIII unterliegt einem separaten Prüfverfahren und bleibt davon unberührt.
Frage 2:
Wie viele vorgeblich „unbegleitete minderjährige Flüchtlinge“ (UmF‘s) befanden sich mit Stand vom 31.12.2018 in städtischer Obhut?
Antwort:
Am 31.12.2018 befanden sich im Young Refugee Center, dem Erstaufnahmezentrum für unbegleitete minderjährige Ausländer*innen, zwölf Personen in städtischer Obhut gem. § 42a SGB VIII. Zu dieser Gruppe gehörtenvier Personen, die aufgrund der qualifizierten Inaugenscheinnahme gem. Paragraf 42 f Abs. 1 SGB VIII als Zweifelsfälle zur medizinischen Altersbestimmung im Institut für Rechtsmedizin der LMU angemeldet worden sind. Im Übrigen wird auf die o. g. Zahlen für das Jahr 2018 und auf die gesetzlichen Vorgaben zur bundesweiten Verteilung ausländischer Kinder und Jugendlicher verwiesen (vgl. Paragrafen 42 b ff SGB VIII), die durch das Stadtjugendamt München konsequent umgesetzt werden.