Welche Faktenlage besteht bezüglich des Dolmetscherprojekts für den Gesundheits- und Sozialbereich des Bayerischen Zentrums für Transkulturelle Medizin e.V. (BZM) und wie kann dessen Fortbestehen garantiert werden?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Jutta Koller, Dr. Florian Roth und Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 3.6.2019
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 3.6.2019 führen Sie Folgendes aus:
„Im April 2018 hat der Stadtrat die Einstellung der Regelförderung durch das Sozialreferat zum 30.9.2018 sowie die Umstellung auf ein europa- weites Ausschreibungsverfahren beschlossen (s. Stadtratsbeschluss vom 25.4.2018, Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 10582). Mit dem Beschluss wurde das Sozialreferat beauftragt, einen neuen Rahmenvertrag für das Sozialreferat und das Kreisverwaltungsreferat für den Zeitraum 1.10.2018 – 31.12.2019 auszuschreiben. Das Auftragsvolumen für das Jahr 2019 wurde – wie in den Jahren zuvor – mit 31.000 Dolmetscherstunden veranschlagt. Das BZM hat das Ausschreibungsverfahren für diesen Zeitraum gewonnen und einen neuen Rahmenvertrag abgeschlossen. Dennoch stellt sich das BZM nun existenziellen Herausforderungen, da das Sozialreferat und das Kreisverwaltungsreferat (KVR) ein wesentlich geringeres Auftragsvolumen als im Rahmenvertrag formuliert abgerufen haben. Die Vermittlungsgebühr für Dolmetscheraufträge musste von 5,50 Euro auf 24 Euro zur Weiterfinanzierung des Dolmetscherprojekts (Personal und Infrastruktur) erhöht werden. Allerdings wurde hierbei seitens BZM mit einem Kontingent von 20.000 Dolmetscherstunden kalkuliert. Da 2018 nur 9.745 Stunden anstatt der 20.000 als Minimum kalkulierten Stunden abgerufen wurden, musste das BZM bereits Kündigungen aussprechen und Personalstellen um ca. 50 Prozent reduzieren. Gleichsam ist laut BZM das Auftragsvolumen über den städtischen Dienst gestiegen. Weiterhin wurden seitens BZM die aktuell bestehenden hohen bürokratischen Hürden zur Erstattung der Vermittlungsgebühren für freie Träger durch die KOR kritisiert (siehe oben genannten. Stadtratsbeschluss). Diese Vermittlungsgebühr wird seitens der KOR bei Vermittlung stadtinterner DolmetscherInnen nicht erhoben, was einen klaren Wettbewerbsnachteil darstellt. Zudem wurde im Sinne der Neutralität seitens BZM die Doppelfunktion der KOR bemängelt, die sowohl für das Controlling des Rahmenvertrages und Vergabe externer Leistungen sowie für die Steuerung sozialreferatsinterner Dolmetscherleistungen ver- antwortlich ist.“ Zu Ihrer Anfrage vom 3.6.2019 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Wie viele Dolmetscherstunden wurden 2018 seitens der städtischen KOR stadtintern vermittelt?
Antwort des Sozialreferats:
Im Jahr 2018 wurden durch die Koordinationsstelle 19.000 Dolmetscherstunden stadtintern vermittelt (2017: 18.097 Stunden). Darüber hinaus vermittelte das abgeordnete Personal des Jobcenters München 13.994 Stunden innerhalb des Jobcenters (2017: 16.041 Stunden).
Frage 2:
Wie viele Vermittlungen stadtinterner DolmetscherInnen hat die städtische KOR seit Oktober 2018 an freie Träger vergeben?
Antwort des Sozialreferats:
Seit Oktober 2018 wurde 163 Dolmetschereinsätze durch die städtische Koordinationsstelle an freie Träger vermittelt, die Aufgaben für das Sozialreferat übernehmen.
Frage 3:
Ist die Umstrukturierung der Vergabepraxis von Aufträgen an das BZM hin zu einer Mindestabnahmezahl von 20.000 Dolmetscherstunden jährlich zur Existenzsicherung denkbar? Wenn nein, welche weiteren Optionen wären zur Sicherung der ursprünglich veranschlagten Anzahl von 20.000 Dolmetscherstunden jährlich denkbar?
Antwort des Sozialreferats:
Nein. Im Rahmenvertrag wurde lediglich eine Höchstgrenze von 31.000 Stunden festgelegt; eine Mindestabnahmezahl wurde nicht vereinbart. Das in der Anfrage benannte Kontingent (20.000 Dolmetscherstunden) entspricht nicht den im August 2018 vom BZM im Informationsschreibens benannten, auf Grundlage aktueller Statistiken kalkulierten Dolmetscherstunden (10.000 bis maximal 15.000 Stunden). Aktuell wird eine Beschlussvorlage erarbeitet (München lebt Vielfalt – Einwanderungsgesellschaft dauerhaft gestalten und sozialen Frieden erhalten), mittels derer die Finanzierung eines Mindestabnahmekontingents von 10.000 Stunden sichergestellt werden soll.
Frage 4:
Ist eine Entbürokratisierung des Verfahrens für die freien Träger für die Erstattung der erhöhten Vermittlungsgebühr durch die Stadtverwaltung umsetzbar? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht?
Antwort des Sozialreferats:
Nein. Bereits bei Erarbeitung der Vorlage zum Beschluss des Sozialausschusses zum Einsatz von Dolmetscherinnen und Dolmetschern – Vergabeermächtigung für den Abschluss eines Rahmenvertrages vom 19.4.2018 (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/A 03814) in 2017 wurde nach einer unbürokratischen Lösung gesucht. Unser Vorschlag, dem BZM einen reduzierten Zuschuss für die Dolmetscherbedarfe freier Träger zur Verfügung zu stellen, wurde aufgrund vergaberechtlicher Vorschriften verworfen. Um freien Trägern weiterhin Zugang zu qualitativen Dolmetscherleistungen zu günstigen Preisen zu ermöglichen, wurde zur Kompensation der erhöhten Vermittlungsgebühr ein stark vereinfachtes Zuschussverfahren entwickelt. Das Sozialreferat bemüht sich das Verfahren möglichst unbürokratisch umzusetzen.
Frage 5:
Ist eine Trennung der Steuerung sozialreferatsinterner Dolmetscherleistungen und des Controllings des Rahmenvertrages und der Vergabe externer Leistungen im Sozialreferat umsetzbar? Wenn ja, wie, wenn nein, warum nicht?
Antwort des Sozialreferats:
Ja. Die Trennung ist bereits umgesetzt. Mit der aktuellen Dienstanweisung des Sozialreferats für Dolmetschereinsätze, die Ende letzten Jahres in Kraft trat, wurde – ausdrücklich auch auf den Wunsch des Bayerischen Zentrums hin – eine Wahlfreiheit für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Sozialreferat aufgenommen. Es steht somit allen Mitarbeitenden frei, ob sie für den Dolmetschereinsatz das Bayerische Zentrum oder die sozialreferatsinterne Koordinationsstelle beauftragen. Hierdurch wurde eine Steuerung des Zugangs zu den Dolmetscherleistungen durch die Koordinationsstelle aufgehoben. Das Instrument des Abruf-Controllings dient lediglich internen statistischen Zwecken und soll insbesondere sicherstellen, dass die vertraglichen Grenzen des Rahmenvertrags und des zur Verfügung stehenden finanziellen Budgets eingehalten werden. Hierzu sind wir schon aus vergaberechtlichen Gründen verpflichtet.
Frage 6:
Wie hat sich die Personalsituation der KOR im betreffenden Bereich seit 2017 entwickelt?
Antwort des Sozialreferats:
Die Personalausstattung der KOR hat sich seit 2017 nicht verändert.
Frage 7:
Wie viele Dolmetscherstunden sollen seitens des Sozialreferats und des KVR für das Jahr 2019 beim BZM abgerufen werden und wie viele wurden bis heute abgerufen?
Antwort des Sozialreferats:
Wir kalkulieren mit vergleichbaren Zahlen wie in 2018, also mit ca. 10.000 Dolmetscherstunden. Im Zeitraum 1.1.2019 bis 30.4.2019 wurden laut dem Controlling des BZM 3.642,67 Stunden innerhalb des Rahmenvertrags abgerufen. Weitere Zahlen wurden uns von Seiten des BZM noch nicht vorgelegt.
Frage 8:
Wie viele MitarbeiterInnen-Schulungen wurden durch die städtische KOR jeweils stadtintern und für freie Träger durchgeführt?
Antwort des Sozialreferats:
Im Jahr 2018 wurden sieben stadtinterne Schulungen durchgeführt; hiervon wurden vier Fortbildungen auf Wunsch des Steuerungsbereichs I des Sozialreferats auch für externe Teilnehmerinnen und Teilnehmer geöffnet.
Ergänzend nimmt das Referat für Gesundheit und Umwelt wie folgt Stellung zur Kooperation mit dem BZM:
„Das Referat für Gesundheit und Umwelt hat mit dem BZM ebenfalls einen Rahmenvertrag abgeschlossen. Zur Erledigung seiner dienstlichen Aufgaben ist es dringend auf die über den Rahmenvertrag vermittelten Dolmetscherinnen und Dolmetscher angewiesen. Es betrachtet deshalb die wirtschaftlichen Schwierigkeiten des BZM mit Sorge. Ohne das BZM kann der Dolmetscherdienst des Referats für Gesundheit und Umwelt, von dem auch seine bezuschussten Einrichtungen profitieren, nicht aufrecht erhalten werden. Es begrüßt deshalb nachdrücklich alle Bemühungen des Sozialreferats, eine Lösung für die dargestellten Schwierigkeiten des BZM zu finden.“