Automobilbranche im Wandel – Was sind die Folgen für München?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl, Mario Schmidbauer und Andre Wächter (Fraktion Bayernpartei) vom 16.7.2019
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 16.7.2019 führten Sie als Begründung aus:
„Der Bayerische Industrie- und Handelskammertag e.V. warnt vor dem Wegfall von bis zu 55.000 Arbeitsplätzen bayernweit in der Automobil- und Zulieferbranche durch den Umstieg auf E-Autos, basierend auf einer Studie des ifo-Instituts. Er fordert einen Subventionsstopp für die Batteriefertigung, da mit ihr nur wenige Arbeitsplätze und wenig Wertschöpfung gesichert werden kann. Die Automobilbranche ist für Münchens Wohlstand enorm wichtig. BMW der mit Abstand größte Gewerbesteuerzahler in der Stadt.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Gibt es bereits Prognosen, wie viele Arbeitsplätze in München gefährdet sind durch den von der öffentlichen Hand massiv subventionierten Wandel hin zu batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen?
Antwort:
Die ifo-Studie geht für Bayern von rund 137.000 Arbeitsplätzen aus, die vom Technologiewandel betroffen wären, davon entfallen 55.000 auf die Zulieferbetriebe. Eine auf München bezogene Prognose der Arbeitsmarktentwicklung in der Automobilbranche in Hinblick auf den Wandel zu elektrifizierten Fahrzeugen ist im Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) nicht bekannt
Die sich aufgrund der EU-Regulierung 443/2009 im Zeitablauf verschärfenden CO2-Grenzwerte für neu zugelassene Fahrzeuge zwingen die europäischen Automobilhersteller zunehmend zu einem Wechsel der Antriebstechnologie. Damit der Wandel auch nachfrageseitig vorangetrieben wird und die Wettbewerbsfähigkeit erhalten bleibt, wird die Elektromobilität subventioniert.Der Wandel zu batteriebetriebenen Elektrofahrzeugen verändert jedoch die Wertschöpfung und Lieferbeziehungen. Hiervon wird massiv die Zulieferbranche betroffen sein, deren Komponenten zunehmend nicht weiter benötigt werden (wie z.B. Verbrennungsmotor, Auspuff- und Abgasanlage, Lichtmaschine, Kraftstoffpumpen und -filter). Laut der von den Auftraggebern der Anfrage zitierten ifo-Studie gehen Vertreter der betroffenen Zulieferunternehmen allerdings davon aus, dass der bis 2030 bei einem graduellen Wandel der Antriebstechnologien entstehende Beschäftigungsschwund durch die natürliche Altersfluktuation kompensiert werden kann.
Zudem steht den gefährdeten Arbeitsplätzen in der Automobilbranche im Gegenzug auch die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Rahmen der Elektrifizierung entgegen. So entsteht im Bereich der Batteriemanagementsysteme zusätzliche Wertschöpfung durch Software und Elektronikkomponenten, die deutsche Hersteller weitestgehend selbst generieren. BMW wird hierzu die Forschungs- und Entwicklungsbemühungen in seinen neuem Forschungskomplex FIZ Future intensivieren und in den nächsten Jahren eine Vielzahl von Arbeitsplätzen schaffen. Dies steht auch im Einklang zur Empfehlung der ifo-Studie, Subventionen für die Batteriefertigung abzulehnen und den Fokus stattdessen auf die Material- und Batterieforschung zu legen.
Zudem geben auch die Autoren der ifo-Studie keine eindeutige Prognose ab, ob bis 2030 „jedes neunte oder jedes zweite Fahrzeug einen alternativen Antrieb“ besitzt. Somit ist der Arbeitsmarkt-Gesamteffekt in der Münchner Automobilbranche schwer abzuschätzen. Berücksichtigt man positive Beschäftigungseffekte durch die zunehmende Vernetzung der Fahrzeuge und neue Dienstleistungen im Rahmen der gesamten Mobilitätskette, könnte der Beschäftigungseffekt auch positiv ausfallen.
Frage 2:
Wie werden sich nach Einschätzung des Referats für Arbeit und Wirtschaft und der Stadtkämmerei die Gewerbesteuereinnahmen der Stadt verändern, wenn keine Autos mit Verbrennungsmotor mehr gebaut werden dürfen?
Antwort:
Zu dieser Frage hat die Stadtkämmerei wie folgt Stellung genommen: „Die Gewerbesteuer ist seit dem Wegfall der Gewerbekapitalsteuer ab 1998 als reine Steuer auf den Gewerbeertrag gem. § 7 GewStG ausgestaltet und knüpft damit an den Gewinn aus Gewerbebetrieb an. Entsprechende Gewinne können Automobil- und Zulieferindustrie grundsätzlichsowohl durch Fahrzeuge mit Verbrennungsmotoren als auch solche mit alternativen Antriebskonzepten generieren. Eine konkrete Einschätzung, wie sich die Elektromobilität auf die Unternehmensgewinne auswirken wird, ist nicht möglich.“
Dieser Stellungnahme fügt das Referat für Arbeit und Wirtschaft Folgendes hinzu:
Erfahrungsgemäß sinken Unternehmensgewinne und damit auch die Steuereinnahmen bei der Etablierung einer neuen Technologie. Kurzfristig könnten damit sinkende Steuereinnahmen für die Stadt verbunden sein. Mittel- bis langfristig sichern diese Investitionen aber die weitere Unternehmensentwicklung und damit voraussichtlich künftige Steuerzahlungen.
Frage 3:
Mit welchen weiteren Konsequenzen (massiver Abbau von Arbeitsplätzen, Wegfall von Unterstützung z.B. für kulturelle Veranstaltungen und Einrichtungen) muss die Landeshauptstadt München (LHM) rechnen, wenn die Automobil- und Zulieferbranche einen deutlichen wirtschaftlichen Einbruch erleidet?
Antwort:
Wie in den Antworten zu Frage 1 und Frage 2 bereits erwähnt, ist eine konkrete Einschätzung zur wirtschaftlichen Entwicklung der Automobil- und Zulieferbranche nicht möglich. Ein deutlicher wirtschaftlicher Einbruch ist nicht zwingend zu erwarten, zudem kann die Etablierung einer neuen Technologie auch Chancen bieten, die zu einem Beschäftigungszuwachs führen.
Ebenso wenig kann abgeschätzt werden, mit welcher Zielsetzung und auf welcher Basis die Unternehmen ihre Unterstützung im kulturellen Bereich planen. Richtig ist, dass sich hier im Fall renditeschwacher Jahre Einsparungen ergeben könnten. Jedoch sind auch positive Effekte denkbar, wenn die Unternehmen die Einführung neuer Technologien mit erhöhten Sponsoring- oder Kulturbudgets begleiten.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.