Städtische Planungen in Grünzügen, Grünanlagen und Landschaftsschutzgebieten?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 2.8.2016
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 2.8.2016 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an den Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
Zunächst bitten wir Sie um Entschuldigung, dass wir auf Ihre Anfrage vom 2.8.2016 erst heute reagieren. Wir bedanken uns für die am 21.6.2019 letztmalig gewährte Fristverlängerung.
Ihre Anfrage zielt auf einen Erhalt von Grün und Erholungsflächen in der Stadt und versucht einen Überblick über städtische Planungen in Grünflächen zu erhalten.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
Frage 1:
Welche städtischen Planungen gibt es aktuell für die bauliche Umnutzung von Flächen innerhalb von öffentlichen Grünanlagen, überörtlichen Grünzügen, Landschaftsschutzgebieten, Biotopen und Fauna-Flora-Habitat-Gebieten (FFH-Gebiet)? Bitte listen Sie Planungsstand und Planungsanlass (z. B. Straßenausbau, Schul- oder Kita-Ausbauprogramm, Wohnungsbauprogramme) detailliert auf.
Antwort:
Inhaltlich ist die von Ihnen gewünschte detaillierte Auflistung städtischer Planungen für die bauliche Umnutzung nach den im Antrag bezeichneten Flächenkategorien leider nicht möglich. Wir haben verschiedene Ansätze der Erfassung versucht. Die Breite „städtischer Planungen“ hätte aber eine Auswertung verschiedenster Datenquellen erfordert, die den Rahmen einer Anfrage sprengen würde. Anlass für solche Planungen können Baugenehmigungsvorgänge sein, die z. B. in Zusammenhang mit der Schulbauoffennsive oder der Ausbauoffensive für Kindertagesstätten stehen, des weiteren Planfeststellungsverfahren für verkehrliche Infrastrukturprojekte oder Maßnahmen, die aus der Bauleitplanung entstehen. Eine listenmäßige Erfassung im Vorhinein, die all die möglichen Planungs- und Genehmigungsebenen, die betroffen sein können, erfasst, existiert nicht. Soweitdie naturschutzrechtliche Eingriffsregelung betroffen ist, erfolgt die Bilanzierung beim einzelnen Vorgang. Auch aus den Listen der Eingriffsregelung können die gewünschten Ableitungen für laufende Planungen daher nicht erzeugt werden. Schließlich gibt es für bevorstehende Planungen auch keine georeferenzierte Auswertungsmöglichkeit.
Das Statistische Amt wertet aus der Grundstücks- und Gebäudedatei des Geodatenservice, aber im Nachhinein jährlich in der Übersicht „Bodennutzungsarten“, die Entwicklung der öffentlichen Grün- und Erholungsflächen etc. auch differenziert nach Stadtteilen aus. Aus den entsprechenden Zeitreihen kann abgeleitet werden, dass zwar die versiegelten Siedlungs- und Verkehrsflächen zunehmen, dass aber die Menge der öffentlich nutzbaren Grün- und Freiflächen gleichzeitig wächst.
Daher haben wir uns im Folgenden darauf beschränkt, typische Planungen in öffentlichen Grünanlagen, überörtlichen Grünzügen, Landschaftsschutzgebieten, Biotopen und FFH-Gebieten eher systematisch als empirisch darzustellen. Sie werden daraus ersehen, dass solche Eingriffe in aller Regel nur im Rahmen geordneter Planungsverfahren geschehen können, die der Abwägung unterliegen, und städtische Planungen genauso wie private Planungen nur in sehr geringem Umfang in diesen Grün-Bereichen stattfinden.
Öffentliche Grünanlagen
In öffentlichen Grünanlagen sind städtische Planungen dem Grund nach ausgeschlossen. Baumaßnahmen müssen sich dem Zweck der Grünanlage unterordnen. Bauliche Maßnahmen sind grundsätzlich nur zulässig, wenn sie dem Zweck der öffentlichen Grünanlage dienen. Hier sind beispielhaft zu erwähnen der Neubau einer Toilettenanlage mit entsprechenden Erschließungsmaßnahmen (Kanal und Wasser) im Weißenseepark oder im Maßmannpark.
Ausnahmen von diesem Grundsatz sind im Rahmen der Schulbauoffen-
sive für temporäre Maßnahmen zugelassen worden. Das größte Beispiel ist das Auslagerungs-Gymnasium in der Grünfläche Domagkstraße/Ecke Ungererstraße oder verschiedene temporäre Kitaeinrichtungen, für die an anderer Stelle im Stadtgebiet kein Platz war. Hier kann genannt werden die Kita-Anlage in der Grünfläche Am Hollerbusch bei der Rothbuchenschule.
Weiter gab es wenige Ausnahmen für Asyleinrichtungen in öffentlichen Grünanlagen. Der größte Eingriff war die Anlage an der Thalhoferstraße,die wegen Sachmängeln leider nie in Betrieb genommen werden konnte. Hier läuft ein Beweissicherungsverfahren. Danach wird die Anlage ersatzlos abgebaut. Für diese Einrichtung war urspünglich eine Situierung außerhalb der ausgebauten Grünanlage vorgesehen. Aus nachbarrechtlichen und technischen Gründen war dieser weiter östlich vorgesehene Standort nicht möglich, so dass ausnahmsweise eine öffentliche Grünfläche in Anspruch genommen werden musste. Wie gesagt, diese Ausnahmen sind aber
stets temporär und reversibel ausgestaltet.
Straßenplanungen
Straßenbau basiert in aller Regel auf Planfeststellungsverfahren, auf Bauleitplanverfahren oder dient dem Ausbau altrechtlich fixierter Straßenzüge im Rahmen von Baulinienplänen. Soweit damit ein Eingriff in Grünzüge oder naturschutzfachlich bedeutende Räume verbunden ist, erfolgt die Abwägung und Bilanzierung im Rahmen dieser Verfahren. Das prominenteste und aktuellste Beispiel dürften die Planungen zur Untertunnelung des Isarrings darstellen oder die angestoßene, aber noch nicht weiter konkretisierte Planung zur Anbindung der A 99, die sich derzeit in der Phase der Alternativprüfung befindet und die Sie in Ihrer Anfrage benannt haben. Eine Zusammenstellung der damit verbundenen Eingriffe würde eine Auswertung der verschiedenen Projekte, die sich in den unterschiedlichsten Verfahrensständen befinden, mit sich bringen.
Außerhalb solcher transparenten Planungsverfahren, in denen der Stadtrat, bei kleineren Maßnahmen der Bezirksausschuss, an mehreren Stellen beteiligt wird, gibt es im Straßenbau nahe zu keine Projekte, die öffentliche Grünanlagen, Grünverbindungen oder naturschutzrechtlich relevante Flächen betreffen. Eine Ausnahme sei genannt: Zur Erschließung der Flächen des DB-Ausbesserungswerks Aubing wurde an der Nordseite des Gleislagerbiotops eine Verbindungsstraße im Vorgriff auf einen Bebauungsplan, aber auf der gesicherten Grundlage mehrerer vorlaufender Planungsbeschlüsse gefasst. In diesem Zusammenhang ist die Arrondierung des Gleislagerbiotops vorgenommen worden. Der Eingriff in geschützte Flächen, die gleichzeitig wichtige Grünverbindung aufnehmen, ist aber durch flankierende natur- und artenschutzrechtliche Maßnahmen gut kompensiert worden. Der Biotopbereich ist hier gleichzeitig deutlich aufgewertet worden. Die Flächenbilanz ist ausgeglichen.
Bauleitplanverfahren
In Bauleitplanverfahren werden Grünzüge, Biotopflächen, naturschutzrechtlich relevante Flächen nie ersatzlos in Anspruch genommen. Hier kommt die Eingriffsregelung zur Anwendung, so dass die Eingriffe – im Umgriff des Bebauungsplanes oder auch außerhalb, z. B. im Ökokonto – kompensiert werden. Bebauungsplanverfahren „auf der grünen Wiese“ aktivieren im Flächennutzungsplan (FNP) allgemein vorgesehene Ziele (Allgemeine Grünflä-chen/übergeordnete Grünbeziehung) und machen aus den Zieldarstellungen des FNP verbindliche rechtliche Grundlagen, allerdings auch zum Teil zu Lasten landwirtschaftlicher Flächen.
Mit der Schaffung von Bauland geht sehr häufig auch die Neuschaffung von Grünflächen einher. Die Bilanz der Schaffung öffentlicher Grünanlagen, Grünzüge, gesicherter Biotope im Bebauungsplanverfahren ist in den letzten Jahren durchweg positiv. Dies gelingt insbesondere bei Bebauungsplänen der Umstrukturierung, in denen vormals versiegelte oder abgeschlossene, für die Öffentlichkeit nicht nutzbare Flächen aktiviert werden und als privates oder öffentliches Grün der Siedlung und der Allgemeinheit zur Verfügung gestellt werden.
In den letzten elf Jahren von 2008 bis Ende 2018 konnten ca. 130 Hektar öffentliche Grünflächen im Rahmen von Bebauungsplänen mit Grünordnung entwickelt werden. Der jährliche Zuwachs unterlag Schwankungen. Im Mittel kamen so ca. 12 Hektar öffentliche Grünfläche pro Jahr hinzu.
Allerdings musste seit 1998 auch immer wieder, in insgesamt fünf Fällen, die Landschaftsschutzverordnung geändert werden, das heißt ihr Umgriff wurde verkleinert, um Bauland auszuweisen. Bebauungspläne unterliegen aufgrund der regelmäßigen Befassung des Stadtrats der politischen Kontrolle.
Einzelmaßnahmen ohne vorlaufende Planungsverfahren
Grünflächen und Grünzüge nach FNP, naturschutzrechtlich relevante Flächen
Bauen in öffentlichen Grünflächen wurde oben bereits dargestellt. Soweit Flächen im Flächennutzungsplan als Allgemeine Grünflächen oder überlagert als überörtliche Grünflächen dargestellt sind, muss unterschieden werden:
Handelt es sich um Bauflächen (Innenbereiche nach § 34 BauGB), kommt dem Flächennutzungsplan keine unmittelbare Wirkung zu. Hier bestehtAnspruch auf Baugenehmigung – hier versucht die Lokalbaukommission (LBK) die Ziele des FNP, soweit baurechtlich vertretbar, bei der Beratung und Genehmigung einzubringen – z.B. wenn im Rahmen von Befreiungen und Ausnahmen ein echtes Ermessen besteht oder gleichwertige Alternativen bestehen.
Im Außenbereich sind die Darstellungen des FNP als öffentlicher Belang zu werten, der einem Vorhaben entgegengehalten werden kann, soweit es sich nicht um ein privilegiertes Vorhaben handelt (Art. 35 Abs. 1 BauGB, privilegierte Vorhaben). In der Praxis der LBK sind das in aller Regel landwirtschaftliche Vorhaben. Hier kann auf eine flächensparende Bauweise gedrungen werden. Bestehen für den Landwirt Alternativen, dann kann auch einem landwirtschaftlichen Betrieb zugemutet werden, auf Ziele des FNP oder auf Biotopflächen Rücksicht zu nehmen. Insbesondere gilt dies natürlich für gesetzlich geschützte Biotope und für Biotope, die als Landschaftsbestandteile oder sonst naturschutzrechtlich gesichert sind.
Frage 2:
An welchen Standorten besteht durch die Schaffung eines städtischen „Bezugsfalls“ die Gefahr, dass auch private Eigentümer ein erhöhtes Baurecht erhalten? Konkret befürchtet wird dies für einen Grünzug in der Nähe der Herterichstraße.
Antwort:
Diese Gefahr wird bei den genannten städtischen Projekten nicht gesehen. Eine Ausnahme für ein Schulbauprovisorium im Außenbereich oder in einer städtischen Grünanlage schafft kein Baurecht für Private. Für die genannten Asyleinrichtungen im Außenbereich hat § 246 Abs. 9 BauGB (Regelung gilt noch bis Ende 2019) Sonderrecht geschaffen. Im Außenbereich wurden solche Einrichtung in aller Regel nur befristet oder widerruflich zugelassen. Damit ist klargestellt, dass solche Einrichtungen keine Präzedenzwirkung für Private entfalten können.
Das in Ihrer Anfrage in Bezug genommene Vorhaben an der Herterichstraße, am Rande des Grünzugs zwischen Forstenried und Parkstadt Solln liegt an einer Fläche, die im Flächennutzungsplan nachrichtlich als regionaler Grünzug und als übergeordnete Grünbeziehung dargestellt ist. Die Baufläche selbst ist nach Auffassung des Referats für Stadtplanung und Bauorndung noch dem Innenbereich nach § 34 BauGB zuzurechnen, weil sie eindeutig zur Siedlung hin orientiert ist und zum Grünraum durch dichteren Baumbestand hin abgegrenzt ist. Diese topografische Kante markiert den Übergang zum Außenbereich. Das Vorhaben wurde dahernach § 34 BauGB beurteilt. Die Bebauung entspricht in der Lage auch der Bebauungskante, die sich auf der Westseite der Waterloostraße fortsetzt. Ein „Weiterfressen“, also eine Präzedenzwirkung aus dieser Entscheidung in den Landschaftsraum hinein ist ausgeschlossen. Wie oben festgestellt konnte dem Innenbereichsvorhaben der Flächennutzungsplan nicht direkt entgegengehalten werden. Soweit das Vorhaben den Regionalen Grünzug touchiert und teilweise in der überlagernden Schraffur einer übergeordneten Grünbeziehung zu liegen kommt, ist das im Innenbereich unschädlich. Die Schraffur stellt den Korridor und das Vernetzungsziel dar, kann aber nicht flächenscharf gedeutet werden.
Bei jeder städtischen Planung, die z.B. das Privileg des § 246 BauGB in Anspruch nimmt, oder die, wie einige Schulbau-Provisorien temporär und reversibel in den Außenbereich gesetzt wurden, muss die Frage, welche Präzedenzwirkung möglicherweise ausgelöst werden kann, sorgfältig betrachtet werden. Diese Überlegungen und Folgenabschätzungen laufen den konkreten städtischen Planungen zum Beispiel im Rahmen der Schulbauoffensive regelmäßig voraus.