Wie viele erhaltenswerte Gebäude verschwinden jedes Jahr und wie können wir diese besser schützen
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 7.5.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (I) Elisabeth Merk:
Zunächst danke ich Ihnen für die erteilte Terminverlängerung bis 31.7.2019. Die Terminüberschreitung, die einer weiteren Recherche geschuldet ist, bitte ich zu entschuldigen.
Mit Schreiben vom 7.5.2019 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Bei Unterschreitung einer bestimmten Gebäudegröße (bis Gebäude- klasse 3) muss zum Abbruch von Gebäuden kein Antrag gestellt, sondern der Abbruch nur angezeigt werden. Daher werden solche Abbruchpläne oft erst bekannt, wenn ein Bauantrag gestellt wird. Immer wieder entdecken aufmerksame Bezirksausschüsse oder Bürgerinnen und Bürger dann, dass die zum Abbruch vorgesehenen Häuser eindeutig erhaltenswerte, möglicherweise gar denkmalwürdige Qualitäten besitzen. Dann beginnt regelmäßig ein Wettlauf gegen die Zeit.
In manchen fällen gelingt eine Rettung des Gebäudes und der Abbruch kann verhindert werden. Oft aber ist es schon zu spät – und bei vielen Häusern fällt dies erst dann auf wenn sie schon verschwunden sind.“
Frage 1:
Wie viele Häuser werden jedes Jahr ohne eigene Genehmigung nach Anzeige einfach abgebrochen?
Antwort:
Im Jahr 2017 wurden insgesamt 423 Gebäude abgebrochen, davon 319 Wohngebäude und 104 Nichtwohngebäude; 2016: 366 (276/90); 2015 (394 (273/121); 2014: 280 (207/73); 2013: 467 (308/159); 2012: 377 (201/176). Dies ergibt einen Durchschnittswert über sechs Jahre von 264 Wohngebäuden und 121 Nicht-Wohngebäuden (Quelle: Statistisches Amt).
Frage 2:
Gibt es Abbrüche bei denen keine vorherige Anzeige erfolgte und wie viele Fälle gibt es hier im Jahr?
Antwort:
Über nicht angezeigte Abbrüche sind der Lokalbaukommission keine Fallzahlen bekannt.
Frage 3:
Wie erfolgt die Abstimmung mit dem Denkmalschutz und werden Abbrüche automatisch (in der Frist von einem Monat bis zum Abbruch) überprüft?
Antwort:
Die Untere Denkmalschutzbehörde erhält regelmäßig Listen mit den bei der Lokalbaukommission eingegangenen Abbruchanzeigen. Diese werden nach in der bayerischen Denkmalliste erfassten Baudenkmälern und Gebäuden im Bereich von Denkmal-Ensembles untersucht. In all denjenigen Fällen, in denen hier kein Antrag auf denkmalschutzrechtliche Erlaubnis für einen Abbruch vorliegt, werden die Anzeigenden umgehend kontaktiert und auf die Notwendigkeit eines denkmalschutzrechtlichen Erlaubnisverfahren hingewiesen. Für Gebäude, die weder als Baudenkmäler noch als Teil eines Ensembles erfasst sind, sind im Falle von Abbruchanzeigen keine Überprüfungen etwaiger Erhaltungsqualitäten oder -möglichkeiten vorgesehen.
Frage 4:
Falls Eigentümer bzw. Nachbarn vorab die Untere Denkmalschutzbehörde und oder das Landesamt einschalten und eine Einschätzung abfragen – werden solche Bewertungen der Lokalbaukommission (LBK) mitgeteilt?
Antwort:
Sobald der Unteren Denkmalschutzbehörde ein Hinweis auf eine mögliche Denkmaleigenschaft bekannt wird (was in der Regel eine Prüfungsanfrage beim bayrischen Landesamt für Denkmalpflege auslöst), wird, falls dort aktuell ein Fall zur Bearbeitung vorliegt, das zuständige Baubezirksteam in der Lokalbaukommission informiert.
Frage 5:
Gibt es die Möglichkeit nicht nur Neuaufnahmen von Denkmälern sondern auch ablehnende Stellungnahmen der Denkmalschutzbehörden im Verfahren mit den Bezirksausschüssen (BA) abzustimmen bzw. diese zu informieren?
Antwort:
In der Anlage 1 der BA-Satzung, dem Katalog der Fälle der Entscheidung, Anhörung und Unterrichtung der Bezirksausschüsse, sind für den Bereich „Referat für Stadtplanung und Bauordnung“ zu Denkmallistenangelegenheiten folgende Anhörungsrechte aufgeführt:
11.1 – Stellungnahme zu Anträgen, die die Änderung der vom Landesamt für Denkmalpflege aufgestellten Denkmalliste durch Aufnahme und Streichung von Denkmälern betreffen;
11.2 – Stellungnahme zu Abbruchanträgen denkmalgeschützter Gebäude, soweit nicht der Bezirksausschuss in einem anderen Zusammenhang (z.B. Zweckentfremdungsverfahren) bereits befasst war.
Da sich die hier genannten Anhörungsrechte nur auf Gebäude in der Denkmalliste beziehen, ist die Anhörung und Information der Bezirksausschüsse zu Gebäuden ohne Denkmalstatus aktuell nicht möglich.
Frage 6:
Welche baurechtlichen Möglichkeiten gibt es um einen Abbruch aufzuhalten oder zu verzögern – z.B. für eine noch erforderliche Überprüfung.
Antwort:
Gemäß Art. 15 Abs. 6 BayDSchG kann die zuständige Behörde die Entscheidung über einen Antrag auf Erlaubnis, Baugenehmigung, baurechtliche Zustimmung oder abgrabungsaufsichtliche Genehmigung auf höchstens zwei Jahre aussetzen, soweit dies zur Klärung der Belange des Denkmalschutzes, insbesondere für Untersuchungen des Baudenkmals und seiner Umgebung, erforderlich ist. Von dieser Möglichkeit wird regelmäßig Gebrauch gemacht.
Frage 7:
Welche baurechtlichen Möglichkeiten gibt es, auch ohne die Unterschutzstellung durch das Landesamt für Denkmalschutz, den Abbruch von erhaltenswerten Häusern zu verhindern? In der Wiener Bauordnung ist z.B. für Abbrüche in Schutzzonen und für alle Häuser mit Baujahr vor 1945 eine Bescheinigung vorzulegen, dass die Gebäude für das Stadtbild nicht erhaltenswert sind.
Antwort:
Der Gesetzgeber hat bauplanungsrechtlich die Möglichkeit gegeben, zur Erhaltung der städtebaulichen Eigenart eines Gebiets auf Grund seinerstädtebaulichen Gestalt nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BauGB (sogenannte „Gestaltungserhaltungssatzung“) bzw. nach § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BauGB (sogenannte „Milieuschutzsatzung“) zur Erhaltung der Zusammensetzung der Wohnbevölkerung in Bebauungsplänen oder sonstigen Satzungen Bereiche zu bezeichnen, in denen der Rückbau (Abbruch), die Änderung oder die Nutzungsänderung sowie auch die Errichtung baulicher Anlagen einer besonderen Genehmigung bedürfen. Erhaltungssatzungen können an bestehende bauliche Anlagen keine Anforderungen stellen. Der Satzungsschutz wird erst bei der Entscheidung über eine genehmigungspflichtige Maßnahme wirksam. Genehmigungspflichtige Maßnahmen
sind unter anderem auch der Rückbau von Wohnraum, somit der Abbruch oder der Teilabbruch eines Gebäudes, unabhängig davon, ob nach den Bestimmungen des Baurechts eine Genehmigung besteht. Dieser Ge-
nehmigungspflicht unterliegen sowohl vermietete als auch leer stehende Wohnungen. Im Geltungsbereich einer Erhaltungssatzung besteht bei Grundstücksverkäufen für die Landeshauptstadt München zudem ein Vorkaufsrecht. Auch durch die Ausübung dieses Rechts könnten Gebäude vor Abbruch geschützt werden.