Mögliche Verfahrensfehler beim Wettbewerb Münchner Nordost – Nachgefragt!
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl, Mario Schmidbauer und Andre Wächter (Fraktion Bayernpartei) vom 19.7.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk
Mit Schreiben vom 19.7.2019 haben Sie gemäß § 68 GeschO eine Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird. Aufgrund der erforderlichen Klärungen konnte die Anfrage nicht in der geschäftsordungsgemäßen Frist erledigt werden. Wir bitten hierfür um Verständnis.
Die Stadtratsfraktion der Bayernpartei hat am 14.6.2019 einen Antrag mit der Frage „Kippt der Planungswettbewerb Münchner Nordosten wegen Verfahrensfehlern?“ zur dringlichen Terminierung in der nächsten Sitzung des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung gestellt. Im Ausschuss am 3.7.2019 hat die Stadtratsfraktion einen Dringlichkeitsantrag gestellt. Hierzu wurden vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung mündlich inhaltliche Ausführungen in der Sitzung gemacht. Nach schriftlicher Beantwortung an die Stadtratsfraktion wurde diese Beantwortung auch in der Rathaus Umschau am 11.7.2019 veröffentlicht.
Mit der oben genannten Anfrage werden zu der schriftlichen Beantwortung vom 11.7.2019 nun Nachfragen gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet werden:
Zu Frage 1:
Die Ausloberin eines Wettbewerbs muss nach §78 Abs.2 VgV Planungswettbewerbe „auf der Grundlage veröffentlichter einheitlicher Richtlinien“ durchführen. „Sonderregelungen“ wären damit ausgeschlossen. Selbst wenn man unterstellt, dass §2 Abs.4 RPW auch für öffentliche Auftrag- geber anwendbar ist, wären Abweichungen nur „in Ausnahmefällen aus sachlich zwingenden Gründen“ zulässig. Worin bestehen im vorliegenden Fall diese zwingenden Gründe, inwieweit wurden sie überprüft und wo dokumentiert?
Antwort:
Bei städtebaulichen und landschaftsplanerischen Wettbewerben im Allgemeinen und in diesem konkreten Fall mit einem Ideenwettbewerb für rund 600ha Fläche im Besonderen handelt es sich um einem Sonderfall,der sich von üblichen Wettbewerben, die nach der Richtlinie 2013 durchgeführt werden, – beispielsweise staatliche Museen, Konzertsäle oder Verwaltungsgebäude – wesentlich unterscheidet. Insbesondere handelt es sich um eine potentielle stadträumliche Weiterentwicklung Münchens, die maßgeblichen Einfluss auf die Stadtgesellschaft insgesamt haben kann, und für Zehntausende von Menschen Änderungen in der jeweiligen persönlichen Lebens- und Wohnsituation bedeuten kann. Auch mehrere hundert Einzeleigentümer können direkt oder indirekt von der Entwicklung betroffen sein.
Für eine solche ganz besondere Konstellation ist die RPW2013 (als Richtlinie für Planungswettbewerbe von staatlichen Stellen) in ihrer Genese nicht konzipiert, entsprechend eröffnet die RPW 2013 nach §2 Abs.4, dass „in Ausnahmefällen aus sachlich zwingenden Gründen im Einvernehmen mit der zuständigen Architekten- oder Ingenieurkammer von einzelnen Vorschriften“ abgewichen werden kann.
Die Landeshauptstadt München führt deshalb diesen städtebaulichen und freiräumlichen Ideenwettbewerb, wie bisher auch andere städtebauliche Wettbewerbe seit vielen Jahren, freiwillig auf Grundlage der Richtlinie für Planungswettbewerbe (RPW2013) durch, nutzt aber §2 Abs.4, der Bestandteil dieser Richtlinie ist, um insbesondere bei diesem Verfahren der besonderen Aufgabe und Bedeutung ein sachlich und fachlich angemessenes Verfahren durchzuführen.
Das Verfahren wurde im Stadtratsbeschluss vom 13.2.2019 (Sitzungsvorlage Nr.:14-20/V11780) sowie anschließend detailliert in den Auslobungsunterlagen und der EU-Bekanntmachung dargestellt.
Zu Frage 3:
Nach §6 Abs.1 Satz2 RPW haben die Mitglieder eines Preisgerichts ihr Amt „unabhängig allein nach fachlichen Gesichtspunkten auszuüben“, um auszuschließen, dass die Entscheidung der Preisrichter von der „öffentlichen Meinung“ beeinflusst wird. Auch wenn auf den Terminen der Bürger- beteiligung ein Fotografie-Verbot herrscht, kann nicht ausgeschlossen werden, dass anschließend Stellungnahmen und Presseberichte veröffentlicht werden. Auch dass die Wettbewerbsteilnehmer von den Veranstaltungen ausgeschlossen sind, ist nicht geeignet, zu verhindern, dass diese – beabsichtigt oder unbeabsichtigt – Kenntnis von Lösungsansätzen anderer Teilnehmer erhalten. Wie verträgt sich dies aus Ihrer Sicht mit den Vorgaben, dass keine Beeinflussung vorliegen darf?
Antwort:
Aufgabe der Ausloberin ist es vorliegend, die wesentlichen fachlichen und sachlichen Anregungen aus der Bevölkerung und der Eigentümerschaft zur konkreten Wettbewerbsaufgabe und deren Entscheidungskriterien aufzunehmen und den Teilnehmenden und dem Preisgericht in geeigneter Form zu Verfügung zu stellen, um zugleich sicherzustellen, dass sachfremde Überlegungen (z.B. persönliche Einzelinteressen) dabei nicht auftreten. Ebenfalls sind die Zusammenfassungen so zu formulieren, dass den konkurrierenden Büros hierdurch weder Wettbewerbsvorteile noch -nachteile entstehen können.
Unabhängig davon ist es der Ausloberin nicht möglich und auch von ihr nicht beabsichtigt, zu verhindern, dass Preisrichterinnen und Preisrichter von Bürgerinnen und Bürgern sowie Eigentümern individuell angesprochen werden. Dies liegt außerhalb der Einflusssphäre der Ausloberin und wird auch durch keine Vorschrift verboten.
Die Kanzlei, die das Wettbewerbsverfahren begleitet, interpretiert die Aufgabe der Ausloberin hierbei so, dass der Ausloberin die Aufgabe obliegt, angemessene Maßnahmen ergreifen zu müssen um eine unzulässige Einflussnahme möglichst zu verhindern.
Dementsprechend richtet sich §6Abs.1RPW 2013 folgerichtig an die „Mitglieder des Preisgerichts“, die „ihr Amt persönlich und unabhängig allein nach fachlichen Gesichtspunkten auszuüben“ haben und hierfür auch persönlich Verantwortung übernehmen müssen. Es obliegt daher den Mitgliedern des Preisgerichts, die Informationen und Anregungen aus der Bevölkerung und Eigentümerschaft differenziert im Hinblick auf die fachliche Thematik einzuordnen. Die Landeshauptstadt München hat als Ausloberin dem insoweit Rechnung getragen, als sie in das Preisgericht nur Persönlichkeiten berufen hat, von der sie der Meinung ist, dass diese die dafür notwendige persönliche Integrität und Unabhängigkeit aufweisen.
Im Weiteren hat es die Ausloberin den teilnehmenden Büros untersagt, an der Öffentlichkeitsveranstaltung direkt oder indirekt teilzunehmen. Es liegen der Ausloberin keine Anhaltspunkte vor, dass dies nicht eingehalten worden wäre.
Zu Frage 4:
§79 Abs.2 Satz1 VgV und §4 Abs.2 RPW sehen ein absolutes Beteiligungsverbot für bisher bereits involvierte Büros vor. Die in der Antwort aufgeführte Regelung nach §7 VgV gilt nach §69 Abs.2 VgV nicht für Planungswettbewerbe. Darüber hinaus erscheint fraglich, ob der Vorteil einer u.U. jahrelangen Befassung allein durch das Zurverfügungstellen früherer Arbeitsergebnisse ausgeglichen werden kann, vor allem unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Wettbewerber nur wenige Monate Zeit haben, um ihre Lösungsvorschläge zu erarbeiten. Demnach müsste für den Fall, dass ein betroffenes Büro für einen Preis vorgesehen ist, nach Bekannt- werden der Juryentscheidung das Preisgericht über den Ausschluss dieses Büros entscheiden. Wie will die Ausloberin als „Herrin des Planungswettbewerbs“ verhindern, dass solche Fälle entstehen?
Antwort:
Die Auffassung, dass §79 Abs.2 Satz1 VgV und §4 Abs.2 RPW ein absolutes Beteiligungsverbot aussprechen würde, wird nicht geteilt. Wie bereits in der schriftlichen Beantwortung vom 11.7.2019 dargestellt, lässt der Europäische Gerichtshof eine Beteiligung von vorbefassten Unternehmen in Vergabeverfahren ausdrücklich zu, wenn angemessene Maßnahmen getroffen worden sind, um sicherzustellen, dass der Wettbewerb durch die Teilnahme solcher Unternehmen nicht verzerrt wird. Die Ausloberin hat entsprechende angemessene Maßnahmen getroffen.
Der Europäische Gerichtshof hat bereits im Jahr 2005 deutlich gemacht, dass ein absolutes Beteiligungsverbot über das hinausgeht, was erforderlich ist, um das Ziel der Gleichbehandlung aller am Wettbewerb beteiligten Unternehmen zu erreichen. Ein solch absolutes Beteiligungsverbot könnte nämlich dazu führen, dass Personen, die bestimmte vorbereitende Arbeiten ausgeführt haben, vom Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, ohne dass ihre Beteiligung daran eine Gefahr für den Wettbewerb bedeuten würde. Es erschließt sich der beratenden Rechtsanwaltskanzlei der Ausloberin nicht, warum dieser zu einem formstrengeren Vergabeverfahren getroffener Rechtssatz des Europäischen Gerichtshofs nicht auf die weniger formstrengen Planungswettbewerbe zu übertragen sein soll.
Sollte einmal der Fall eintreten, dass eine Preisträgerin bzw. ein Preisträger – aus welchen Gründen auch immer – wegen Verstoßes gegen Wettbewerbsregeln nach der endgültigen Preisgerichtsentscheidung auszuschließen wäre, hat die RPW2013 in §8 Abs.1 Satz3 eine entsprechende Regelung getroffen. In einem solchen Fall rücken die übrigen Preisträgerinnen bzw.. Preisträger in der Rangfolge des Preisgerichts nach, soweit das Preisgericht ausweislich seines Protokolls nichts anderes bestimmt hat.