Mehr Schutz für Bäume V Mehr Großbäume für München erhalten
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch, Dominik Krause, Sabine Krieger, Angelika Pilz-Strasser und Sebastian Weisenburger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 28.3.2019
Antwort Referat für Stadtplanung und Bauordnung:
Mit Schreiben vom 28.3.2019 haben Sie einen Antrag an Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter gestellt. In Ihrem Antrag fordern Sie, dass die Landeshauptstadt München den Schutz von Großbäumen durch folgende Maßnahmen verbessert:
-„Bei Fällanträgen für Bäume mit einem Stammumfang von mindestens 2,50 m auf öffentlichem oder privatem Grund ist der Unteren Naturschutzbehörde ein Fachgutachten über den Zustand des Baumes vorzulegen. Bewertet das Fachgutachten den Baum als außergewöhnlich, kann er in das Verfahren zur Aufnahme in die Liste der Naturdenkmäler aufgenommen werden.
-Ist ein Baum in der Prüfphase zum Status eines Naturdenkmals, unterliegen diese Bäume automatisch – wie im Denkmalschutzverfahren schon üblich – dem Schutz eines Naturdenkmals. Die Naturdenkmalverordnung der LH München wird dementsprechend verändert.“
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Der Antrag betrifft die Praxis im Vollzug naturschutzrechtlicher Verordnungen und die Beurteilung von fachlichen und rechtlichen Inschutznahmevoraussetzungen bei der Ausweisung von Naturdenkmälern. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 28.3.2019 teilt Ihnen das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
Die Wohlfahrtswirkung von Bäumen und die Bedeutung insbesondere auch von Großbäumen für Klima und auch Artenvielfalt ist durch zahlreiche Studien belegt. Dies gilt umso mehr, wenn sich derartige Bäume im bebauten Innenbereich befinden.Unter diesen Voraussetzungen ist das Ziel des Antrags, Großbäume zukünftig besser zu schützen, ein wichtiger und richtiger Schritt, um die grüne Infrastruktur in München zu stärken bzw. zu erhalten.
Die vorgeschlagenen Maßnahmen, die auf eine verstärkte Ausweisung von Großbäumen als Naturdenkmäler im Zuge von Antragsverfahren nach anderen Schutzverordnungen (Baumschutzverordnung, Landschaftsschutzverordnung) abzielen, sind aus Sicht der Verwaltung kein probates Mittel der Intention des Antrags gerecht zu werden bzw. scheitern an der rechtlichen Umsetzbarkeit.
Die Naturdenkmalverordnung zielt auf den Schutz von Einzelschöpfungen der Natur ab. Das kann ein Findling, ein erdgeschichtlicher Erdaufschluss, eine Quelle aber auch ein Einzelbaum sein. Wesentlich ist, dass das naturdenkmalwürdige Objekt besondere Eigenschaften aufweist, die eine Inschutznahme aus wissenschaftlichen, naturgeschichtlichen oder landeskundlichen Gründen oder wegen dessen Seltenheit, Eigenart oder Schönheit erforderlich machen. Allein die Größe und das Alter eines Baumes sind nicht ausreichend, um dessen Naturdenkmalwürdigkeit im Sinne der Ermächtigungsgrundlage des Bundesnaturschutzgesetzes zu begründen. Insbesondere dann nicht, wenn im Stadtgebiet noch zahlreiche andere Bäume gleicher Größe und gleichen Alters existieren.
Nichtsdestotrotz kann natürlich der Stammumfang eines Baumes durchaus ein Indiz für das Vorliegen entsprechender Inschutznahmevoraussetzungen sein. Um eine mögliche Naturdenkmalwürdigkeit im Einzelfall zu verifizieren, bedarf es jedoch keiner externen fachgutachterlichen Einschätzung wie im Antrag vorgeschlagen. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung – Untere Naturschutzbehörde beschäftigt selbst ausreichend qualifizierte Fachkräfte, die bei der Beurteilung von Fällanträgen selbstverständlich auch die potentielle Eignung zur Ausweisung als Naturdenkmal nicht außer Acht lassen. In berechtigten Einzelfällen, insbesondere wenn wertvolle Großbäume im Fokus eines Antrags stehen, werden auch heute schon von den Antragstellenden externe Fachgutachten gefordert oder von der Unteren Naturschutzbehörde selbst in Auftrag geben, z.B. um versteckte Schadbilder näher zu untersuchen oder fachliche Möglichkeiten zum Erhalt und zur Sanierung auszuloten. Darüber hinaus wäre es weder sachgerecht noch verhältnismäßig in baumschutz- oder landschaftsschutzrechtlichen Verfahren von den Antragstellenden generalisiert ab einem Stammumfang von 2,50 m Gutachten zu fordern, die zudem über die Beurteilung der eigentlichen Gestattungsanträge hinaus auf eine Prüfung der Naturdenkmalwürdigkeit der antragsgegenständlichen Bäume abzielen.Aber auch dann, wenn ein zur Fällung beantragter Baum die fachlichen Voraussetzungen für die Aufnahme in die Naturdenkmalliste grundsätzlich erfüllt, stehen anders als im Denkmalrecht die Entscheidungen über Schutzbedürfnis und Schutzgewährung prinzipiell im pflichtgemäßen Ermessen der Behörde, die auch Gegeninteressen wie die des Eigentümers oder sonstiger Betroffener (z.B. Baurecht, Verkehrssicherungspflichten, Haftungsrisiken) mit einbeziehen muss. Zudem stellt jede Ergänzung der Naturdenkmalliste die Neuausweisung eines Schutzgegenstands dar. Dafür ist ein umfangreiches Inschutznahme-/Beteiligungsverfahren durchzuführen, an dessen Ende nach pflichtgemäßer Ermessensausübung durch die Verwaltung eine Änderungsverordnung zur bestehenden Naturdenkmalverordnung erlassen werden muss. Dies erfolgt unter Darlegung des Abwägungsergebnisses durch Beschlussfassung im Stadtrat. Dieses aufwendige Verfahren bedingt, dass Neuausweisungen aus Kapazitätsgründen nicht laufend erfolgen können, sondern die dafür erforderliche Änderung der Naturdenkmalverordnung nur turnusmäßig etwa alle 7-10 Jahre vorgenommen werden kann.
Hierin besteht auch der große Unterschied zum Denkmalrecht, auf das Sie in Ihrem Antrag beispielhaft Bezug nehmen. Das Bayerische Denkmalschutzgesetz (BayDSchG) weist kraft Gesetz (Art. 1 Abs. 1 BayDSchG) von Menschen geschaffene Sachen oder Teile davon aus vergangener Zeit, deren Erhaltung wegen ihrer geschichtlichen, künstlerischen, städtebaulichen, wissenschaftlichen oder volkskundlichen Bedeutung im Interesse der Allgemeinheit liegt, als Denkmäler aus. Es ist kein behördliches Verfahren/ kein Verwaltungsakt erforderlich, um ein Denkmal auszuweisen. Es bedarf nur der fachlichen Prüfung bzw. Feststellung durch das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege, ob bzw. dass die gesetzlichen Kriterien eines Denkmals erfüllt sind („Prüfphase“). Diese Ausweisung Kraft Gesetz bietet keinerlei Raum für behördliche Ermessensausübung. Die Aufnahme der Baudenkmäler und Bodendenkmäler in die Denkmalliste erfolgt nur nachrichtlich.
Auch der im Antrag zitierte Schutz des Denkmals während der „Prüfphase“ ist gesetzlich im Bayerischen Denkmalschutzgesetz verankert. Das Bayrische Naturschutzgesetz hingegen sieht für potentielle Naturdenkmäler keinen gesetzlich festgelegten Schutz während der behördlichen „Prüfphase“ und des sich anschließenden förmlichen Inschutznahmeverfahrens vor. Nach Naturschutzrecht gibt es lediglich die Möglichkeit der einstweiligen Sicherstellung von Schutzgegenständen während eines laufenden Inschutznahmeverfahrens, wenn zu befürchten ist, dass durchVeränderungen oder Störungen der Schutzgegenstände der beabsichtigte Schutzzweck gefährdet wird. Diese einstweilige Sicherstellung muss jedoch entweder durch Erlass einer Rechtsverordnung oder Einzelanordnung erfolgen. Sie ist auf die Dauer von 2 Jahre beschränkt und kann einmalig um 2 Jahre verlängert werden.
Die Ausweisung von Naturdenkmälern kann somit aufgrund der unterschiedlichen gesetzlichen Vorgaben im Denkmalschutz- und Naturschutzrecht nicht wie vorgeschlagen durch entsprechende Änderungen der Naturdenkmalverordnung an das Verfahren bzw. das Vorgehen bei der Ausweisung von Baudenkmälern angepasst werden. Um den Schutz von naturdenkmalwürdigen Großbäumen zu stärken, müsste der Gesetzgeber auf Landes- oder Bundesebene entsprechend handeln und die Naturschutzgesetzgebung entsprechend anpassen.
Unabhängig von dem Erfordernis gesetzlicher Anpassungen würden die vorgeschlagenen Maßnahmen zur Verbesserung des Schutzes von Großbäumen erfahrungsgemäß auch deshalb nur wenig Wirkung zeigen, weil sie an ein Antragsverfahren anknüpfen, dem in der Regel ein berechtigtes Interesse der Baumeigentümerin/des Baumeigentümers an der Baumfällung zu Grunde liegt. Ein Baum, für den im Einzelgenehmigungsverfahren eine Fällgenehmigung beantragt wird, ist meist vorgeschädigt, in seiner Vitalität eingeschränkt oder krank. Ein öffentliches Interesse an seinem Erhalt ist dann vielfach unabhängig von seiner Größe nicht mehr zu begründen. Insofern scheidet auch eine Ausweisung als Naturdenkmal aus. Dies soll aber nicht bedeuten, dass die Untere Naturschutzbehörde nicht auch in baumschutzrechtlichen Verfahren alles daran setzt, entsprechend große und für Stadtklima und Artenschutz bedeutende Bäumen, soweit es fachlich vertretbar ist, zu erhalten. Entsprechend intensive Beratung und Förderung von Pflege- und Sanierungsmaßnahmen zeigen sich diesbezüglich als probate Mittel. Oftmals weist ein zur Fällung beantragter Baum jedoch auch Schadensmerkmale im Wurzel-, Stamm- oder Kronenbereich auf, die einen Erhalt schon aus Gründen der Verkehrssicherheit nicht mehr möglich machen.
Bei Bäumen, die im Rahmen von Baugenehmigungsverfahren zur Fällung beantragt werden, ist die Wahrscheinlichkeit, dass einer der verfahrensgegenständlichen Bäume die fachlichen Voraussetzungen für eine Ausweisung als Naturdenkmal erfüllt, um einiges höher. Diese Bäume sind in der Regel nicht krank oder geschädigt, sondern stehen der Verwirklichung eines genehmigungsfähigen Bauvorhabens entgegen. Eine Inschutznahme hätte in diesen Fällen wohl stets eine Baurechtsbeschränkung zur Folge und wäre dementsprechend mit nicht unerheblichem Entschädigungs- bzw. Schadensersatzrisiko verbunden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.