Bundesteilhabegesetz: Umgang mit unzureichender Höhe anerkannter Mietkosten finden!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Verena Dietl, Anne Hübner, Christian Müller, Cumali Naz und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion) vom 28.5.2019
Antwort Sozialreferat:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Sie beantragen, dass das Sozialreferat in Gesprächen mit dem Bezirk Oberbayern erreichen möge, dass die vom Sozialhilfeträger bewilligte Miete für Menschen mit Behinderungen in stationären Wohnformen, eine Warmmiete in Höhe von 516 Euro pro Monat, an das deutlich höhere Niveau der in München geltenden Mietobergrenzen des SGB II angeglichen wird.
Bei der Ermittlung der durchschnittlich angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Ein-Personen-Haushalts handelt es sich um einen Wert, der von den örtlichen Sozialhilfeträgern, also auch von der Landeshauptstadt München, dem Bezirk Oberbayern als überörtlichem Träger seit längerer Zeit zur Verfügung gestellt wird. Der Betrag wird alle zwei Jahre, zuletzt im August 2018, ermittelt.
Der Bezirk Oberbayern ist für die Bewilligung von stationären Hilfen schon seit langem zuständig und bleibt dies für den betroffenen Personenkreis auch nach dem 1.1.2020, obwohl es die Begrifflichkeit „stationäre Hilfen“ dann nicht mehr gibt.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 28.5.2019 teile ich Ihnen ergänzend mit:
Wie bereits oben erwähnt, liegt die Zuständigkeit für die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB IX i.V.m. Leistungen nach dem 4. Kapitel SGB XII – wenn auch z.T. auf der Basis von Daten der örtlichen Träger – allein beim überörtlichen Träger. Der Bezirk Oberbayern wurde deshalb zur im Betreff genannten Thematik befragt und hat hierzu wie folgt Stellung genommen:„Die Bemessungsgrenze, wonach die Angemessenheit der Mietkosten für das Wohnen in besonderen Wohnformen ab 1.1.2020 zu beurteilen ist, richtet sich nach § 42a Abs. 2 S. 1 Nr. 2 i.V.m. Abs. 5 und 6 SGB XII. Danach gelten Aufwendungen für Unterkunft als angemessen, wenn sie die Höhe der durchschnittlichen angemessenen tatsächlichen Aufwendungen für die Warmmiete eines Einpersonenhaushaltes nicht überschreiten. Maßgeblich sind dabei die Werte, die der zuständige örtliche Träger, in dessen örtlichem Zuständigkeitsbereich die Räumlichkeiten liegen.
Die Angemessenheitsgrenze unterscheidet sich im Hinblick auf rein ambulante Wohnformen im Sinne des SGB XII bzw. SGB II darin, dass bei den besonderen Wohnformen nicht die Mietobergrenze maßgeblich ist, die die örtlichen Träger aufgrund Satzung gem. §§ 35a SGB XII i.V.m. 22a ff. SGB II festgesetzt haben, sondern sich an den tatsächlich vom Sozialhilfeträger gezahlten Kosten der Unterkunft orientiert. Nach einem Papier des BMAS vom 10.4.2019 ‚Bedarfe für Unterkunft und Heizung in der besonderen Wohnform ab dem 1. Januar 2020 nach § 42a Absatz 5 und 6 SGB XII‘ ist auf die tatsächlich als angemessen anerkannten Bedarfe für Heizung und Unterkunft abzustellen und nicht auf die abstrakt ermittelte Angemessenheitsgrenze. Hierbei dürfen nur Haushalte herangezogen werden, die im Leistungsbezug des Vierten Kapitels des SGB XII sind.
Diese Werte werden von der Landeshauptstadt München ermittelt und vom Bezirk Oberbayern entsprechend abgefragt und übernommen.
Enthält der entsprechende Vertrag nach dem Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG) für diese Wohnform charakteristische Kostenbestandteile wie z.B. Haushaltsstrom, Möblierung, Telekommunikation, kann die Angemessenheitsgrenze um 25% überschritten werden.
Übersteigen die Kosten der Unterkunft auch diese 125%-Grenze, so werden die darüber hinaus gehenden Kosten im Rahmen der Eingliederungshilfe übernommen, sofern sie im Einzelfall erforderlich sind. Bei den grundsicherungsrelevanten Regelungen der Kosten der Unterkunft handelt es sich um bundesgesetzliche Vorschriften, die vom Träger der Sozialhilfe in Auftragsverwaltung umgesetzt werden. Hierbei ist den Vorgaben und Weisungen des Bundes Folge zu leisten. Die gesetzlich vorgesehene Angemessenheitsgrenze kann nicht vom Sozialhilfeträger aus Billigkeitserwägungen angehoben oder außer Kraft gesetzt werden. Durch den Mechanismus der Überführung der Kosten ab einer bestimmten Höhe in den Bereich der Eingliederungshilfe ist sichergestellt, dass erforderliche Kosten auch dann übernommen werden, wenn sie das grundsicherungsrelevante Niveau überschreiten.
Um die Umwandlung der bislang stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe in besondere Wohnformen in der Praxis zum 1.1.2020 zu gewährleisten, wurde in Bayern auf Landesebene mit den Leistungserbrin-gerverbänden eine Übergangsvereinbarung geschlossen. Diese sieht vor, dass die Kosten der Unterkunft zunächst aus dem bislang vereinbarten Investitionsbeitrag errechnet werden. Die ermittelten Werte orientieren sich somit während der Laufzeit der Übergangsvereinbarung (bis längstens 31.12.2022) nicht an der vom örtlichen Träger ermittelten Angemessenheitsgrenze. Die von den Einrichtungen erzielten Ergebnisse werden aber vom Bezirk Oberbayern im Vorfeld auf Plausibilität hin überprüft. Sobald hier eine Einigung hergestellt wurde, werden die errechneten Mietkosten entsprechend der gesetzlichen Systematik anerkannt.
Der von der SPD-Stadtratsfraktion geforderten Übernahme der für den ambulanten Bereich geltenden Mietobergrenzen auch für den Bereich der besonderen Wohnformen kann daher nicht entsprochen werden. Hierzu besteht aus Sicht des Bezirk Oberbayern aufgrund der dargestellten Gesetzessystematik auch kein Anlass.“
Das Sozialreferat ergänzt die Stellungnahme des Bezirks bezüglich der Ausführungen zur Ermittlung der angemessenen allgemeinen Mietobergrenze (MOG) bzw. der Angemessenheitsgrenze nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 5 Satz 3 SGB XII (in der Fassung ab dem 1.1.2020) wie folgt:
Die Berechnung des Durchschnittswertes durch das Sozialreferat erfolgt entsprechend der Ermittlung des Betrages, der derzeit als Bedarf für Unterkunft und Heizung für Leistungs-berechtigte in stationären Einrichtungen nach § 42 Nr. 4b SGB XII anzuerkennen ist. Sie entspricht bereits im Wesentlichen den von einer Bund-Länder-Arbeitsgruppe erarbeiteten Vorgaben für die Berechnung ab Januar 2020.
Bei der Berechnung ist der Durchschnitt der tatsächlich für Leistungsberechtigte im SGB XII gewährten Unterkunftskosten anzusetzen. Dabei werden die als angemessen anerkannten Unterkunftskosten berücksichtigt.
Der Unterschied zur MOG von derzeit 660 Euro bruttokalt, die sowohl für den SGB II- als auch für den SGB XII-Bereich gilt, ist unter anderem darauf zurückzuführen, dass bei der Ermittlung der MOG die Daten des jeweils aktuellen Mietspiegels für München herangezogen werden. Diese beinhalten jedoch z.B. keine preisgebundenen Wohnungen, wie Sozialwohnungen oder Belegrechtswohnungen. Ein Teil der leistungsberechtigten Personen nach dem SGB XII lebt jedoch gerade in solchen Wohnungen, deren Mieten oftmals weit unterhalb der allgemeinen Mietobergrenze liegen.Darüber hinaus enthält der Mietspiegel nur Mietpreise, bei denen die Mieten in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert worden sind. Demgegenüber sind in der Durchschnittsmiete nach § 42a Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 i. V. m. Abs. 5 Satz 3 SGB XII auch Wohnungen enthalten, die bereits seit sehr langer Zeit von den Leistungsberechtigten bewohnt werden und bei denen die letzte Mieterhöhung länger als vier Jahre zurückliegt. Diese Mieten sind in der Regel ebenfalls wesentlich günstiger als die Mieten, die dem Mietspiegel zu Grunde liegen.
Da bei der Ermittlung der angemessenen tatsächlichen Warmmiete eines Einpersonenhaushalts in München somit auch solche Wohnungen mit einfließen, gleichzeitig aber nicht mehr als angemessen angesehene Wohnungsmieten außer Betracht bleiben, ergibt sich derzeit eine Durchschnittsmiete von 516,58 Euro (463,14 Euro Bruttokaltmiete zzgl. 53,44 Euro Heiz- und Warmwasserkosten).
Der Facharbeitskreis Unterstützungsangebote des Behindertenbeirats der Landeshauptstadt München hat ebenfalls eine Stellungnahme (Anlage) zu dem Stadtratsantrag abgegeben. Diese wird wie folgt gewürdigt: Wie bereits oben dargestellt, ist die Landeshauptstadt München nicht frei in der Festlegung bzw. in der gewünschten Anhebung der unteren Angemessenheitsgrenze, wird aber selbstverständlich die Vorgaben für die Ermittlung dieses Wertes beachten.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein, und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
Die Anlage kann abgerufen werden unter:
www.ris-muenchen.de/RII/RII/ris_antrag_dokumente.jsp?risid=5499253