Zwangsräumung in Wohnungslosigkeit durch städtische Wohnungsbaugesellschaft?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 7.6.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 7.6.2019 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung auf Grundlage der Stellungnahmen der GWG München mbH und der GEWOFAG Holding GmbH wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage bitten Sie um Auskunft, in wie vielen Fällen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in den letzten 5 Jahren eine Zwangsräumung veranlasst haben und welche Gründe dazu jeweils vorlagen. Weiter bitten Sie um Auskunft, ob einige der Geräumten im Anschluss obdachlos wurden. Darüber hinaus bitten Sie um Auskunft, welche Maßnahmen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften unternehmen, um Zwangsräumung zu verhindern.
Frage 1:
In wie vielen Fällen haben die städtischen Wohnungsbaugesellschaften GWG und GEWOFAG in den letzten 5 Jahren eine Zwangsräumung veranlasst? Welche Gründe lagen dazu jeweils vor?
Antwort:
Die von der GWG in den Jahren 2014 mit 2018 veranlassten Zwangsräumungen verteilen sich wie folgt:
Die GWG legt Wert auf die Feststellung, dass Räumungen ausschließlich aufgrund eklatanten Fehlverhaltens durch die betroffenen Mieterinnen und Mieter erfolgen. Zudem münden nur 6 Prozent aller Kündigungen in eine Zwangsräumung, die aus Sicht der GWG weder wirtschaftlich noch zwischenmenschlich wünschenswert ist.
Die von der GEWOFAG in den Jahren 2014 mit 2018 veranlassten Zwangsräumungen verteilen sich wie folgt:Auch die GEWOFAG legt Wert auf die Feststellung, dass im weitaus größten Teil der Fälle, in denen Zwangsräumungen durchgeführt wurden, länger andauerndes Ausbleiben der monatlichen Mietzahlungen eingetreten ist. Aus welchen Gründen die Zahlungen ausbleiben, wird bei der GEWOFAG statistisch nicht erfasst.
Die Gründe, aus denen eine Zwangsräumung bei den Wohnungsbaugesellschaften veranlasst wurde, sind vielfältig:
-Zahlungsverzug/Mietschulden. Diese entstanden z.B. aufgrund von Drogen-, Alkohol- oder sonstigen Problemen und nicht angenommener Hilfsangebote (siehe hierzu auch Ausführungen unter Frage 4).
-Verhaltensbedingte Gründe
-Untervermietung ohne Genehmigung
-Bei verstorbenen Mieterinnen und Mietern, bei denen die Rückgabe der Wohnung durch die Erben nicht erfolgte
-Verwahrlosung der Wohnung
Bei den Wohnungsbaugesellschaften folgt in den wenigsten Fällen auf eine Kündigung auch eine Zwangsräumung. Bezogen auf den gesamten Wohnungsbestand der städtischen Wohnungsbaugesellschaften liegt der Anteil der Zwangsräumungen in den letzten fünf Jahren im Durchschnitt bei weniger als 0,2% p.a..
Frage 2:
Ist bekannt, ob einige der Geräumten im Anschluss obdachlos wurden?
Antwort:
Ziel der städtischen Wohnungsbaugesellschaften ist es, Zwangsräumungen zu vermeiden. Daher arbeiten sie eng mit den Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit des Sozialreferates zusammen. Bei allen Räumungen ist zudem ein Mitarbeiter/eine Mitarbeiterin der Aufsuchenden Sozialarbeit (ASA) vor Ort, so dass von Zwangsräumung betroffene Personen bei Bedarf im Rahmen des städtischen Unterkunftssystems untergebracht werden können. Keine zwangsgeräumte Mietpartei ist daher unmittelbar von Obdachlosigkeit bedroht.
Frage 3:
Gilt für die GWG und GEWOFAG der von der Stadt aufgestellte Grundsatz, dass Zwangsräumung in die Wohnungslosigkeit verhindert werden müssen?
Antwort:
Sowohl die GWG als auch die GEWOFAG sind schon satzungsgemäß zu einer sicheren und sozial verantwortbaren Wohnungsversorgung der breiten Schichten der Bevölkerung verpflichtet. Bei entsprechender Mitwirkungsbereitschaft ist keine Mietpartei unmittelbar von Wohnungslosigkeit bedroht.
Frage 4:
Welche Maßnahmen unternehmen GEWOFAG und GWG, um Zwangsräumung zu verhindern?
Antwort:
Beide Wohnungsbaugesellschaften versuchen, bei Mietrückständen zunächst über ihre Sozialpädagogen und Sozialpädagoginnen der betroffenen Mietpartei situationsgerechte Unterstützungsleistungen, auch im Hinblick auf Sozialleistungsträger, anzubieten sowie eine Zahlungsvereinbarung zu treffen.
Weiter arbeiten die städtischen Wohnungsbaugesellschaften eng mit den Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit in den Sozialbürgerhäusern zusammen. Diese erhalten von jeder Kündigung wegen Mietschulden einen Abdruck. Die Mietpartei wird daraufhin auch von der Fachstelle schriftlich mit einem Hilfeangebot kontaktiert. Erfolgt keine Reaktion, wird die Aufsuchende Sozialarbeit (ASA) mit der Kontaktaufnahme beauftragt.
Sofern Betroffene auf das Hilfeangebot eingehen, werden gemeinsam Lösungen und Hilfemaßnahmen für ihr Wohnungsproblem gesucht. Hierzu gehören neben den Beratungsleistungen auch die Vermittlung an andere Dienste (z.B. Schuldner- und Insolvenzberatung) oder die Übernahme von Mietschulden. In den meisten Fällen führt das zum Wohnungserhalt. Auch wenn rein rechtlich eine Räumung durchgesetzt werden könnte, stimmen die städtischen Wohnungsbaugesellschaften in der Regel dem Verbleib der Mietpartei in den Wohnungen zu.
Der Prozess bis zur tatsächlichen Durchführung einer Räumung dauert rund 10 Monate.
Während der gesamten Dauer des Prozesses besteht für eine Mietpartei jederzeit die Möglichkeit, ein Fortschreiten des Kündigungs- und Räumungsprozesses abzuwenden, indem z.B. ein Antrag auf Ratenzahlung gestellt wird oder Hilfsangebote angenommen werden.In Einzelfällen kann eine positive Lösung nicht gefunden werden. Dies sind Fälle, in denen Betroffene keinerlei Mitwirkungsbereitschaft bei der Lösung ihres Problems erkennen lassen, die sehr häufig Mietschulden über einen längeren Zeitraum haben oder die aufgrund ihres Verhaltens die Mietsache und/oder die Nachbarschaft nachhaltig schädigen. In aller Regel sind die Gründe für die Durchsetzung einer Räumung durch die Fachstelle gut nachvollziehbar.
In diesen Einzelfällen, in denen eine Zwangsräumung erforderlich werden sollte, erfolgt bei GWG eine enge Abstimmung mit den Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen.
Bei der GEWOFAG werden alle Fälle, bei denen eine Räumung terminiert ist, der Ethikkommission der GEWOFAG vorgelegt, die eine Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände vornimmt. Die Vermeidung von Zwangsräumung von Familien mit minderjährigen Kindern, soweit bekannt, Seniorinnen und Senioren sowie erkrankten Mietern steht dabei im Fokus.
Alle Personen, die geräumt werden und die mit der Fachstelle zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit Kontakt aufgenommen haben, erhalten ein Angebot für eine Unterbringung in einer Einrichtung der Wohnungslosenhilfe oder soweit verfügbar auch für einen anderen Anschlusswohnraum.