Sicherheit bei Großveranstaltungen
Antrag damaliger Stadtrat Thomas Hummel (Bayernpartei) vom 27.7.2010
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Mit Schreiben vom 27.7.2010 hat Herr Stadtrat a. D. Thomas Hummel den o.g. Antrag gestellt und konkret beantragt:
„Der Stadtrat der Landeshauptstadt München möge beschließen: Dem Stadtrat wird dargestellt,
1. welche Erkenntnisse sich aus den abschließenden polizeilichen, behördlichen und ggf. gerichtlichen Unterlagen bzgl. des Unglücks auf der Love-Parade 2010 in Duisburg ergeben,
insbesondere, welche neuen Erkenntnisse sich
2. zum Verhalten von Menschen in großen Gruppen und bei Massenveranstaltungen,
3. zur Notwendigkeit und Eignung der bisher getroffenen Sicherheitsvorkehrungen (Absperrungen, Fluchtwege, Anzahl und Schulung der Ordner etc.),
4. zum Ergreifen neuer Sicherheitsvorkehrungen ergeben und
5. wie diese Erkenntnisse sich für die jeweils besonderen Situationen von Großveranstaltungen in München auswirken und welche neuen oder veränderten Maßnahmen hier ergriffen werden sollten.“ Zur Begründung des Antrages wurde Folgendes vorgetragen:
„Angesichts des aktuellen Unglücks auf der Love Parade in Duisburg stellt sich die Frage, inwiefern die sich daraus ergebenden Erkenntnisse auch für Großveranstaltungen in München nutzbar machen lassen, um derartige Vorkommnisse in Zukunft zu verhindern. Dabei bitte ich allerdings, die abschließenden polizeilichen, behördlichen und ggf. gerichtlichen Unterlagen abzuwarten, um aufgrund gesicherter Erkenntnisse und nicht aufgrund möglicherweise voreiliger Schlussfolgerungen handeln zu können. Zwar sind verschiedene Großveranstaltungen untereinander nicht unbe- dingt vergleichbar und divergieren hinsichtlich Besucherzahl, -dichte, -profil und Platzverhältnissen. Zudem gibt es für wiederkehrende Veranstaltungen in München bereits bewährte Auflagen.1 Allerdings sind es oftmals gerade unerwartete menschliche Reaktionen (vor allem in Gruppen und Massen), die für Probleme sorgen. Insofern ist ein Erkenntnisgewinn auch bei bisher funktionierenden Sicherheitskonzepten möglich.
Dem Stadtrat soll dargestellt werden, welche Konsequenzen aus den Duisburger Erfahrungen für Veranstaltungen in der Landeshauptstadt bezogen werden.
1 www.abendzeitung.de/muenchen/201699 = http://bit.ly/dqf9pN“Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag als Brief zu beantworten. Für die gewährten Fristverlängerungen, die auf der langen Verfahrensdauer des weiterhin in Teilen anhängigen Strafverfahrens basierten, bedanke ich mich.
Mit Beschluss vom 6.2.2019 stellte die 6. Große Strafkammer des Landgerichts Duisburg das Strafverfahren gegen sechs (ehemalige) Bedienstete der Stadt Duisburg und einen Mitarbeiter der Veranstalterin ein. Keiner dieser Angeklagten musste im Rahmen der Verfahrenseinstellung eine Geldauflage zahlen. Das Verfahren ist damit für die sieben Personen endgültig beendet. Die drei Mitarbeiter der Veranstalterin, die nach dem Vorschlag des Gerichts und den Vorstellungen der Staatsanwaltschaft anlässlich der Verfahrenseinstellung eine Geldauflage zahlen sollten, hatten einer Verfahrensbeendigung auf diesem Weg nicht zugestimmt. Gegen sie wird das Verfahren fortgeführt.
Im Übrigen dürfen wir auf die ausführlichen Pressemeldungen des Landgerichts Duisburg verweisen.
Lehren und Konsequenzen aus dem Unglück:
Die Ereignisse rund um die Loveparade zeigen, dass Großveranstaltungen im Freien eine Vielzahl öffentlicher und privater Belange berühren, ein hohes Gefahrenpotential bergen und deshalb in besonderem Maße steuerungsbedürftig sind. Insbesondere sind folgende Risiken zu beachten: Personenverdichtungen mit Gedränge und Überfüllung, Immissionen, Ungeeignetheit des Veranstaltungsgeländes hinsichtlich des konkreten Veranstaltungskonzepts, Zuwegung zu dem Gelände, Anschläge, Panik, Brand, Gewalt, Massenerkrankungen, Wetterereignisse, Ausfall von ÖPNV, Zufahrtsstraßen, Strom etc.
1.
Der Bundes- und Landesgesetzgeber haben bzgl. Veranstaltungen eine Reihe von einschlägigen Normen erlassen.
Hinsichtlich Veranstaltungen auf Privatgrund ist Ausgangspunkt zunächst Art. 19 LStVG. In dieser Norm ist geregelt, dass grundsätzlich jeder, der eine öffentliche Vergnügung veranstalten will, dies der Gemeinde unter Angabe der Art, des Orts und der Zeit der Veranstaltung und der Zahl der zuzulassenden Teilnehmer spätestens eine Woche vorher schriftlich anzuzeigen hat. In vielen Fällen ist neben der genannten Anzeigepflicht auch eineErlaubnis seitens der zuständigen Behörde erforderlich. So bedarf die Veranstaltung öffentlicher Vergnügungen der Erlaubnis, wenn die erforderliche Anzeige nicht fristgemäß erstattet wird oder es sich um eine motorsportliche Veranstaltung handelt. Die Veranstaltung öffentlicher Vergnügungen bedarf ebenfalls der Erlaubnis, wenn zu einer Veranstaltung, die außerhalb dafür bestimmter Anlagen stattfinden soll, mehr als eintausend Besucher zugleich zugelassen werden sollen.
Insbesondere die letztgenannte Alternative, also Veranstaltungen, die außerhalb einer im Bau- und Bauordnungsverfahren im Vorfeld bereits geprüften Anlage stattfinden sollen, spielt in der Praxis eine sehr große Bedeutung und ist daher seitens des Gesetzgebers ab einer Personenanzahl von mehr als 1.000 Besuchern gleichzeitig unter ein präventives Verbot mit Erlaubnisvorbehalt gestellt worden.
Gemäß Art. 19 Abs. 4 LStVG ist eine Erlaubnis zu versagen, wenn es zur Verhütung von Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sachgüter oder zum Schutz vor erheblichen Nachteilen oder erheblichen Belästigungen für die Allgemeinheit oder Nachbarschaft oder vor erheblichen Beeinträchtigungen der Natur oder Landschaft erforderlich erscheint.
Des Weiteren kann jede Erlaubnis mit Auflagen bzw. nachträglichen Anordnungen verbunden werden. Sie kommen in Betracht, wenn andernfalls die Erlaubnis zu untersagen wäre und dienen damit auch Zwecken der Gefahrenvorsorge. Sie ermöglichen ferner rechtliche Verpflichtungen ggü. dem Veranstalter, die sonst nur über ein Sicherheitskonzept erreichbar wären.
Soll die Veranstaltung im öffentlichen Straßenraum stattfinden und wird die Straße dabei mehr als verkehrsüblich in Anspruch genommen, so bedarf die Veranstaltung der Erlaubnis nach § 29 Abs. 2 StVO. §§ 29 Abs. 2 S. 3, 46 Abs. 3 StVO eröffnen dabei die Möglichkeit, die Erlaubnis mit Auflagen zu verbinden.
In Versammlungsstätten ist die Versammlungsstättenverordnung zu beachten. Die Versammlungsstättenverordnung (VStättV) ist eine aufgrund der Bayerischen Bauordnung (BayBO) erlassene Rechtsverordnung, für deren Vollzug in der Regel die untere Bauaufsichtsbehörde zuständig ist. Sie gilt u.a. für „Versammlungsstätten im Freien“ mit Szenenflächen, deren Besucherbereich mehr als 1.000 Besucher fasst und ganz oder teilweise aus baulichen Anlagen besteht. Entscheidend ist dabei, dass die Anlage dauerhaft für diese Nutzung (also die wiederkehrende Durchführung von Veranstaltungen) bestimmt ist. Klassische „Versammlungsstätten im Freien“ sind z.B. Freilichttheater oder Sportstadien. Veranstaltungen in solchen (bauaufsichtlich genehmigten) Versammlungsstätten sind bereits hinsichtlich der Risikobeurteilung baurechtlich geprüft.Soll eine (einmalige) Großveranstaltung in einem nicht dafür bestimmten, bauaufsichtlich für andere Zwecke genehmigten Raum stattfinden, muss diese nach § 47 VStättV der zuständigen unteren Bauaufsichtsbehörde angezeigt werden.
Die Landes- und Bundesgesetzgeber geben den beteiligten Sicherheits-.... behörden mithin einen breiten Rechtsrahmen mit entsprechenden Handlungsmöglichkeiten an die Hand, mit dem den mit den Großveranstaltungen verbundenen Gefahren adäquat begegnet werden kann. Die Informationsfunktion des Anzeige- und Erlaubnisverfahrens sichert, dass die Gemeinden als Sicherheitsbehörden rechtzeitig tätig werden können. Eine gesetzliche Regelungslücke besteht – im Gegensatz zu vielen anderen Bundesländern – aufgrund der Existenz von Art. 19 LStVG nicht. Der mitunter geforderte Erlass eines Bayerischen Veranstaltungsgesetzes ist nicht erforderlich.
Aufgabe der Sicherheitsbehörden ist es, den genannten Rechtsrahmen ermessensfehlerfrei auszuschöpfen und je nach Anlass die passenden Maßnahmen – bis hin zu einem Veranstaltungsverbot – zu ergreifen. Eine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung ist in jedem Falle auszuschließen.
2.
Die Sicherheit von Veranstaltungen ist für das Veranstaltungs- und Versammlungsbüro des Kreisverwaltungsreferates sowie für den Brandschutzabschnitt „Veranstaltungssicherheit“ der Münchner Branddirektion ein Kernthema. Jährlich werden dort mehr als 4.000 Veranstaltungen bearbeitet und das Einvernehmen zu mehr als 70 Sicherheitskonzepten von unterschiedlichsten (Groß-)Veranstaltungen hergestellt.
Bereits vor dem Unglück in Duisburg hatte die Branddirektion eine interne Festlegung zur Bearbeitung von Großveranstaltungen erarbeitet, welche die Grundlage der nachfolgend beschriebenen Handreichung bildete.
Das Bayerische Staatsministerium des Innern, für Bau und Verkehr hatte umgehend nach den Ereignissen in Duisburg reagiert und die Konsequenzen und Lehren aus den Geschehnissen in einer Arbeitsgruppe „Konsequenzen aus Duisburg“ aufgearbeitet. Die Branddirektion München war neben vielen anderen Behörden und Organisationen intensiv an dieser Arbeitsgruppe beteiligt und konnte das eigene Wissen und die eigenen Fähigkeiten einbringen. Bei der Überprüfung der bisherigen Rechts- und Vollzugserfahrungen konnte die Arbeitsgruppe im Wesentlichen feststellen,dass bei den beteiligten Stellen das notwendige Fachwissen vorhanden ist, die Zusammenarbeit von Sicherheitsbehörden und Polizei im Wesentlichen gut verläuft und größere Defizite nicht bekannt geworden sind. Insbesondere hat sich kein Reformbedarf mit Blick auf die Zuständigkeitsregelungen, die Regelungen zur Vorfeldbeteiligung von Fachdienststellen und die Anzeigefrist des Art. 19 LStVG ergeben.
Im Jahr 2012 ist unter Beteiligung des genannten Ministeriums, der Polizei und der Münchner Branddirektion die fortgeschriebene „Handreichung für die Sicherheitsbehörden, Polizei und Brandschutzdienststellen“ im Juli 2012 veröffentlicht worden und wurde seitens des Staatsministeriums allen betroffenen Behörden und Veranstaltern als Leitfaden empfohlen. Sie fasste die wesentlichen Zusammenhänge für eine sichere Durchführung von Großveranstaltungen zusammen.
Die Erfahrung der Branddirektion auf dem Gebiet der Veranstaltungssicherheit hat diese zum einen zu Experten im Rahmen der Arbeitsgemeinschaft der Leiter der Berufsfeuerwehren in Deutschland (AGBF Bund) gemacht und zum anderen zu einer Partnerschaft an dem durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) geförderten Verbundprojekt „Ba-SiGo – Bausteine für die Sicherheit von Großveranstaltungen“ geführt. Als größte kommunale Feuerwehr Deutschlands konnte die Berufsfeuerwehr München in diesem Projekt besonders die Anforderungen der kommunalen Behörden betonen und deren Interessen zur Geltung bringen.
Im Juni 2015 ist sodann die 3. überarbeitete und um die Erkenntnisse des BMBF-Forschungsprojektes „BaSiGo“ erweiterte Auflage der Vorgängerschrift „Handreichung für die Sicherheit von Großveranstaltungen“ von der Branddirektion mit dem Titel „Veranstaltungssicherheit Leitfaden für Feuerwehr, Sicherheitsbehörde und Polizei sowie Veranstalter und deren Sicherheitsdienstleister“ veröffentlicht worden, abrufbar unter folgendem Link: http://www.muenchen.de/rathaus/dam/jcr:7ad4293a-5d02-4088-a35f-3f83aac74c61/Veranstaltungssicherheit_10MB.pdf. Eine Anwendungsempfehlung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, für Bau und Verkehr wurde erneut ausgesprochen.
Der Leitfaden beschreibt im Wesentlichen den empfehlenswerten Umgang mit folgenden Aspekten:
-Akteure während der Veranstaltung (Genehmigungsbehörde/Veranstalter/Veranstaltungsleiter/Betreiber/Polizei/nicht polizeiliche Gefahrenabwehr/Sanitätsdienst/Rettungsdienst/Ordnungsdienst/Besucher/weiterebeteiligte Sicherheitsbehörden etc.); Rollen und Aufgaben der Akteure vor, während und nach der Veranstaltung
-Veranstaltungsphasen (Planungs-, Umsetzungs-, Durchführungs-, und Nachbereitungsphase samt der Klärung der Verantwortlichkeiten und erforderlichen Maßnahmen innerhalb der einzelnen Phasen)
-Inhalte und Akteure des Sicherheits- und Koordinierungskreises
-Sicherheitsbeurteilung (Gefahrenpotential der Veranstaltung; Prüfung der Geeignetheit des Veranstaltungsgeländes, Zuwegung, verkehrliche Auswirkungen): Hier wird insbesondere im Rahmen eines klar definierten Verfahrens festgelegt, welche Maßnahmen die angezeigte Veranstaltung nach sich zieht (z.B. Einfordern eines Sicherheits-, Ordnungs- und Verkehrskonzepts, Bereitstellung eines Sanitätsdiensts, Erfordernis der Begleitung im Außendienst etc.)
-Veranstaltungskonzept
-Rechtliche Grundlagen
-Interorganisatorische Zusammenarbeit vor, während und nach der Veranstaltung
-Struktur und Inhalt des Sicherheitskonzepts (Voraussetzungen für die Einforderung eines Konzepts; zwingende Inhalte etc.)
-Anlagen zum Sicherheitskonzept (z.B. Ordner- und Verkehrskonzept) -Notfallplanung
-Kommunikation (Telefonlisten/Nennung von Ansprechpartnern etc.
-Begleitung der Veranstaltung im Außendienst (Prüfung der behördlichen Auflagen etc.)
-Nachbereitung der Veranstaltung
-Umgang mit Terrorgefahr
-Umgang mit Wettereinflüssen
-Kennzeichnung und Festlegung von Flucht- und Rettungswegen
-Maßnahmen im Falle einer Katastrophe im Sinne des Katastrophenschutzgesetzes
Der im Leitfaden geschilderte Umgang mit Veranstaltungen ist in München Standard. Es wird großer Wert darauf gelegt, dass sich die Fehler, die im Rahmen der Loveparade gemacht wurden, in München nicht wiederholen.
In München koordiniert die zuständige Genehmigungsbehörde, das Veranstaltungs- und Versammlungsbüro des Kreisverwaltungsreferates, das Verfahren und bindet im Rahmen eines sog. Anhörungsverfah rens die beteiligten Fachdienstellen ein. Gemeinsam erfolgt anschließend eine Risikoanalyse der geplanten Veranstaltung sowie die Festlegung der erforderlichen Maßnahmen, insbesondere die Erarbeitung von Nebenbestimmungen im Rahmen des Bescheidserlasses. Auch wird gemeinsamentschieden, ob ein Sicherheitskonzept erforderlich ist und welchen Inhalt es haben muss. Das Sicherheitskonzept ist vor Veranstaltungsbeginn den Sicherheitsbehörden vorzulegen und wird anschließend auf Schlüssigkeit und Vollständigkeit geprüft. Erst wenn die beteiligten Sicherheitsbehörden allesamt ihr Einverständnis zum Inhalt des Sicherheitskonzepts gegeben haben, wird seitens der Genehmigungsbehörde die Erlaubnis zur Durch- führung der Veranstaltung erteilt.
Nach Bescheidserlass werden Großveranstaltungen durch die Sicherheitsbehörden begleitet. Es erfolgt vor der Veranstaltung die sog. Abnahme, bei der die Einhaltung von Flucht- und Rettungswegen, Bescheidsauflagen etc. kontrolliert wird. Ferner wird vor der Veranstaltung ein Gespräch mit dem Veranstalter geführt, in dem Kommunikationslisten ausgetauscht werden und nochmals auf die wesentlichen Inhalte des Sicherheitskonzepts hingewiesen wird. Im Falle eines abstimmungsbedürftigen Ereignisses, welches über den Regelbetrieb hinausgeht und die Gefahr eines Gefahreneintritts birgt, wird der sog. Koordinierungskreis einberufen, in welchem eine gemeinsame Absprache zwischen allen beteiligten Sicherheitsbehörden und dem Veranstalter erfolgt. Zwar bleibt der Veranstalter auch grundsätzlich in der sog. „Gelbphase“ verantwortlich, die Behördenvertreter stehen jedoch beratend und unterstützend zur Seite. Erst wenn der Veranstalter zu spät bzw. gar nicht handelt oder nicht geeignete Maßnahmen ergreifen will, greifen die Behördenvertreter ein und übernehmen die Koordination der weiteren erforderlichen Maßnahmen. Grundlage für weitere Maßnahmen sind die im Vorfeld mit allen Sicherheitsbehörden abgestimmten Szenarien und Maßnahmen gemäß dem Sicherheitskonzept. Äußerstes Gebot ist hier die gegenseitige Absprache und Kommunikation. Jeder Betroffene wird eingebunden, entsprechend informiert und ggf. zum Handeln aufgefordert. Nicht abgestimmte Einzelmaßnahmen ohne vorherige Absprache können auf das weitere Veranstaltungsgeschehen fatale Folgen haben. Während des Oktoberfestes ist es mittlerweile Standard, dass auch ohne Vorliegen eines abstimmungsbedürftigen Ereignisses gleichwohl täglich sog. Lagebesprechungen stattfinden, in denen sämtliche Beteiligte über das akute Geschehen informiert werden.
3.
Insofern ist zu Frage 1, welche Erkenntnisse sich aus den abschließenden polizeilichen, behördlichen und ggf. gerichtlichen Unterlagen bzgl. des Unglücks auf der Love-Parade 2010 in Duisburg ergeben haben, festzuhalten, dass bei konsequenter Beachtung der Grundsätze der Veranstaltungssicherheit gemäß dem zitierten Leitfaden ein Schadenseintritt deutlich minimiert wird und in München alle Anstrengungen unternommen werden, umdie Anforderungen an die bestmögliche Veranstaltungssicherheit kontinuierlich fortzuschreiben. Die Erkenntnisse aus dem Unglück in Duisburg sind vollumfänglich in die Handlungsempfehlungen der Branddirektion eingeflossen und werden umgesetzt.
4.
Zu den Fragen 2 und 3 (Verhalten von Menschen in großen Gruppen und bei Massenveranstaltungen sowie Notwendigkeit und Eignung der bisher getroffenen Sicherheitsvorkehrungen, Absperrungen, Fluchtwege, Anzahl und Schulung der Ordner etc.) ist Folgendes auszuführen:
Die Anzahl der Ordner hängt unmittelbar von der Veranstaltung und den übertragenen Aufgaben des Ordnungsdienstes ab. Nach einer behördlichen Einschätzung und Bewertung der Veranstaltung ist seitens des Veranstalters anzugeben, wo (Postenplan), wann (Dienstzeiten) wie viele Ordner (Anzahl) mit welcher Qualifikation eingesetzt werden. Diese Angaben werden primär mit dem Ordnungsamt und der Polizei abgestimmt und im Rahmen des Genehmigungsverfahrens final festgelegt. Darüber hinaus ist die Struktur idealerweise in einem Organigramm darzustellen sowie Aussagen zur Erkennbarkeit der Ordner (Uniform, Westen etc.) zu treffen. Sämtliche Ordner müssen die nach der Gewerbeordnung erforderlichen Schulungen aufweisen. Ferner erfolgt im Rahmen der Gewerbeordnung eine turnusmäßige Prüfung der gewerberechtlichen Zuverlässigkeit. Bei dem Oktoberfest in München gelten weitere besondere Regelungen für die Ordner. Auf dem Oktoberfest dürfen nur durch das Kreisverwaltungsreferat überprüfte und für zuverlässig befundene Bewachungsmitarbeiterinnen und Bewachungsmitarbeiter eingesetzt werden. Das Kreisverwaltungsreferat holt hierfür – auch im Vorfeld des Oktoberfestes – insbesondere eine Stellungnahme der Polizei ein, ob Tatsachen bekannt sind, die die Annahme rechtfertigen, dass Bedenken gegen die Zuverlässigkeit bestehen. Ferner müssen alle eingesetzten Bewachungsmitarbeiterinnen und Bewachungsmitarbeiter in rechtlicher und fachlicher Hinsicht geschult, körperlich geeignet sowie der deutschen Sprache mächtig sein. Erst wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, stellt das Kreisverwaltungsreferat einen sog. Ordnerausweis aus. Die eingesetzten Bewachungsmitarbeiterinnen und Bewachungsmitarbeiter sind verpflichtet, diesen Ausweis während ihres Dienstes auf dem Oktoberfest zu tragen. Geprüft wird jeder einzelne Ordner bzw. Ordnerin. Wer die Zuverlässigkeitsprüfung nicht besteht bzw. die erforderlichen Nachweise nicht erbringt, erhält keinen Ausweis und kann entsprechend auf dem Oktoberfest nicht arbeiten.Auch die Anzahl der erforderlichen Absperrungen, Flucht- und Rettungswege sowie sonstigen Sicherheitsmaßnahmen (wie z.B. Glasflaschenverbot, Umzäunung des Veranstaltungsgeländes etc.) ist abhängig von der jeweiligen Eigenart und Ausgestaltung der angezeigten Veranstaltung. Die erforderlichen Maßnahmen werden auch hier im Benehmen mit dem Veranstalter eingehend seitens der beteiligten Sicherheitsbehörden geprüft, festgelegt und während der Veranstaltung kontrolliert. Verstöße werden umgehend moniert und beseitigt.
Gleiches gilt für den Umgang mit großen Menschenmengen. Bei Großveranstaltungen ist es zunächst Aufgabe des Veranstalters, im Rahmen des erforderlichen Sicherheitskonzepts festzulegen, wie viele Personen gleichzeitig das Festgelände betreten dürfen und wie eine geordnete Evakuierung im Falle eines Schadensereignisses unter dem Einsatz von entsprechenden Ordnern erfolgen soll. Die Sicherheitsbehörden prüfen anschließend die Geeignetheit der Veranstaltungsfläche unter Berücksichtigung der seitens des Veranstalters beabsichtigen Personenanzahl sowie die Schlüssigkeit des Evakuierungskonzepts. In Veranstaltungsplänen, die der Veranstalter den Behörden zur Prüfung vorlegen muss, sind Flucht- und Rettungswege sowie Aufbauten einzuzeichnen. Flucht- und Rettungswege sind von jeglicher zweckentfremdeter Nutzung frei zu halten.
Da die Veranstaltungssicherheit insbesondere aufgrund immer neuer Ausgestaltungen von Veranstaltungen und neuer Veranstaltungsörtlichkeiten einem laufenden Wandel ausgesetzt ist, müssen auch die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen stets angepasst werden.
Insofern ist bzgl. der Fragen 4 und 5 (Ergreifen von neuen Sicherheitsvorkehrungen; Erfordernis von neuen oder veränderten Maßnahmen) auszuführen, dass die Grundlage der Bearbeitung der Veranstaltungsanzeige neben der Beurteilung aufgrund rechtlicher Vorgaben grundsätzlich die konkrete Risikobeurteilung der Veranstaltung ist. Die Risikobeurteilung umfasst alle Aspekte der Planung und Durchführung einer Veranstaltung. Der „Sicherheitskoeffizient Brandschutz“ als Risikoklasse wird für jede einzelne Veranstaltung ermittelt und dient als Indikator für die Festlegung der erforderlichen sicherheitsrechtlichen Maßnahmen. Die erforderlichen Auflagen im Rahmen des Bescheidserlasses lassen sich daraus ableiten. Risiken wird mithin mit Sicherheitskonzepten, angepassten Einsatzplanungen, Nebenbestimmungen im Erlaubnisbescheid, Begleitung der Veranstaltung im Außendienst, Einberufung des Koordinierungskreises etc. begegnet.Auch stellt die Nachbereitung der Veranstaltungen einen wichtigen Baustein für eine ausreichend sichere, gleichzeitig aber auch praxisgerechte und wirtschaftliche Bearbeitung dar. Diese findet mit anderen Behörden und gegebenenfalls mit dem Veranstalter statt. Die Nachbereitung dient dazu, das interdisziplinäre Management relevanter Gefährdungen zu überprüfen und die getroffenen Entscheidungen und umgesetzten Maßnahmen hinsichtlich der Abwehr entsprechender Gefahren für die Veranstaltungsteilnehmer sowie Einrichtungen auf dem Veranstaltungsgelände zu analysieren und auszuwerten. Zusätzlich sollen mögliche Schwachstellen im Sicherheitskonzept identifiziert und Optimierungsansätze gerade im Falle einer Wiederholung der Veranstaltung entwickelt werden. Gleichzeitig werden aber auch Anforderungen auf ihre Notwendigkeit überprüft.
Ich darf Sie um Kenntnisnahme dieser Ausführungen bitten und gehe davon aus, dass diese Angelegenheit damit erledigt ist.