Die Graphic Novel „Anne Frank‘s Diary: The Graphic Adaption“ von Ari Folman und David Polonsky erhält den Preis des NS-Dokumentationszentrums München, der 2019 zum ersten Mal verliehen wird. Der Kul- turausschuss des Münchner Stadtrats folgt damit der Empfehlung der Jury unter Vorsitz des Kulturreferenten Dr. Hans-Georg Küppers.
Das Tagebuch der Anne Frank ist eines der wichtigsten Dokumente des Holocaust. Die Umsetzung als Graphic Novel folgt einem aktuellen Trend, schwer erzählbare Themen wie Krieg oder Verfolgung mit alternativen Methoden darzustellen. Über eine Jugendlichen vertraute Bildästhetik werden historische Ereignisse in unmittelbare Nähe herangezoomt, zugleich schafft die zeichnerische Umsetzung eine Verfremdung und einen Abstand zur Geschichte. Diese Dialektik von Nähe und Distanz öffnet einen Raum für die Darstellung und Vermittlung von Emotionen, Ängsten, Hoffnungen und Innensichten der Erfahrungs- und Gedankenwelt des jungen Mädchens im Versteck vor den Nationalsozialisten.
Glaubt man, es gäbe nichts Neues mehr zu sagen über Anne Franks Tagebuch, so wird man von Folman und Polonsky überrascht: In ihrer Erzählung und ihren Zeichnungen wird die Geschichte des Amsterdamer Hinterhauses noch einmal lebendig: die Enge, die fehlende Privatsphäre, die stumm ausgetragenen Konflikte, die Bedrohung durch Nachrichten von draußen. Besonders beeindruckend ist die bildliche Umsetzung von Annes Innenleben, das mal ironisch, mal spöttisch und zusehends depressiv auf die Umgebung reagiert. In fast immer bunten, nur manchmal in Sepia gehaltenen Bildern werden den Leserinnen und Lesern die Ängste, Gefühle, Wunschträume, Erinnerungen und Zukunftshoffnungen dieses klugen, jungen Mädchens nahegebracht; und zusehends auch ihre albtraumhaften Phantasien, die den immer detaillierteren Berichten über die Lager und die drohende Vernichtung entwachsen.
„Folman und Polonskys ‚Tagebuch der Anne Frank‘ vereint in sich zentrale Aspekte der Arbeit des NS-Dokumentationszentrums München, die an der Schnittstelle von Wissen, Vermittlung und Kunst verortet ist. Die Autoren übersetzen die Geschichte des Holocaust in eine künstlerische Sprache, die das Unfassbare und Unbeschreibliche begreifbar macht. Ihre eindringlichen Bilder entfalten eine starke Wirkung. Sie erreichen auch jene Leserinnen und Leser, die über wenig historisches Vorwissen oder Lesekompetenz verfügen. Sich als Künstler mit diesem schweren Thema zu befassen, erfordert ein hohes Maß an Mut, Sensibilität und Könnerschaft. Folman und Polonsky leisten einen wertvollen und wegweisenden Beitrag im Bemühen um eine sich stets weiterentwickelnde, lebendige Erinnerungskultur“, heißt es in der Begründung der Jury.
Die Vollversammlung des Stadtrats hatte am 23. November 2017 beschlossen, ab 2018 biennal den Preis des NS-Dokumentationszentrums in Höhe von 8.000 Euro für herausragende Publikationen und Aktivitäten zur Aufklärung über die Verbrechen des NS-Regimes sowie über Folgen und Weiterwirken der NS-Zeit zu verleihen. Bei der Auswahl der Beiträge wird be- sonderes Augenmerk auf eine hohe Qualität, eine breite gesellschaftliche Wirkung und eine zeitgemäße, zukunftsorientierte Ausgestaltung gelegt. „Anne Frank‘s Diary: The Graphic Adaption“ ist ab Montag, 4. Februar, in allen Münchner Stadtbibliotheken erhältlich.