Verkehrswende jetzt einleiten – Vorfahrt fürs Rad 1 – Qualitätsoffen- sive Fahrradstraßen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden und Anna Hanusch (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 10.5.2019
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Ihr Antrag hat verschiedene Änderungen bzw. Anregungen bzgl. der Ausweisung von Fahrradstraßen zum Inhalt.
Das Kreisverwaltungsreferat trifft verkehrsrechtliche Maßnahmen auf öffentlichem Verkehrsgrund nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung. Markierungen und Beschilderungen richten sich nach den §§ 39 ff. StVO. Der Vollzug der Straßenverkehrsordnung ist eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist rechtlich nicht möglich.
Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister auf dem Schriftweg zu beantworten.
Zu Ihrem Antrag vom 10.5.2019 können wir Ihnen in Abstimmung mit dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mitteilen:
Zu Antragspunkt 1:
Aufgrund eines interfraktionellen Stadtratsantrags richtet das Kreisverwaltungsreferat drei Fahrradpilotrouten ein, um verschiedene Verbesserungsmaßnahmen hinsichtlich Markierung und Beschilderung sowie die Wirkung einer Vorfahrtsberechtigung von Fahrradstraßen testen zu können (s.a. Beschlussvorlage 14-20/V 07549). Damit sollen die Attraktivität wichtiger Radrouten gesteigert und auch Erkenntnisse für die zukünftige Gestaltung von Fahrradstraßen gewonnen werden. Seit 16.10.2018 ist als erste Pilotroute die Fahrradstraße Clemensstraße zwischen Schleißheimer Straße und Leopoldstraße bereits umgesetzt. Auf der Clemensstraße kommenv.a. Markierungen und Beschilderungen in Verbindung mit „weichen“ baulichen Maßnahmen zum Tragen. Bereits unabhängig vom Pilotprojekt im Vorfeld umgesetzte geschwindigkeitsdämpfende Knotenpunktmaßnahmen (Fußgängerüberwege) ergänzen das Pilotprojekt. In Planung befindet sich als zweite Pilotroute die Fahrradroute Menzinger Straße – U-Bahnhof Petuelring (teilweise bereits umgesetzt, endgültige Fertigstellung geplant für Juni 2020). Auf der zu untersuchenden Pilotroute Menzinger Straße – U-Bahnhof Petuelring werden vor allem „harte“ bauliche Maßnahmen (Kreuzungsumbau, Straßenverbreiterung, Deckensanierung und Inseleinbau) zum Tragen kommen. Als dritte Pilotroute ist die zukünftige Radachse durch das Neubaugebiet Freiham geplant. Bei dieser zu untersuchenden Fahrradstraße wird es sich um eine „echte“ Fahrradstraße handeln, welche nicht für den motorisierten Verkehr freigegeben wird.
Alle drei Pilotrouten werden durch das Referat für Stadtplanung und Bauordnung evaluiert (s. dazu auch die Ausführungen zu Antragspunkt 2). Die Clemensstraße kann vor Abschluss der o.g. Evaluation daher noch nicht als Standard für die Gestaltung von Fahrradstraßen angesehen werden. Explizit die Verwendung der von Ihnen angesprochenen seitlichen Markierungen, welche nur bei bevorrechtigten Fahrradstraßen in Frage kommen können und das Herausnehmen dieser Straße aus der jeweiligen Tempo-30-Zone erfordern, kann daher im Moment noch nicht auf alle Münchner Fahrradstraßen übertragen werden. Lediglich die Markierung großer Piktogramme (Zeichen 244.1 StVO; 3 m x 2 m) kommt bereits jetzt schon bei der Neuausweisung von Fahrradstraßen zum Tragen. Sind in Bestandsstraßen die Piktogramme erneuerungsbedürftig, werden diese ebenfalls durch große Piktogramme ersetzt.
Zu Antragspunkt 2:
Mit Beschluss der Vollversammlung vom 25.1.2017 „Durchführung von Verkehrsversuchen durch das Kreisverwaltungsreferat“ (Vorlagen-Nr. 14-20/V 07549) wurde vom Stadtrat bezüglich der Evaluation von Fahrradstraßen Folgendes beschlossen:
„7. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird gebeten, für die Fahrradstraßen-Pilotrouten Nymphenburg – Petuelpark, Clemensstraße und Freiham Verkehrszahlen (Kfz-und Radverkehr) zur Evaluation der unter Ziffer 3.1 und in Anlage 5 beschriebenen Maßnahmen zu erheben.“
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung wird in Abstimmung mit dem Kreisverwaltungsreferat neben der quantitativen Betrachtung auchweitere Aspekte wie Verhaltensbeobachtungen an Knotenpunkten bezüglich der Bevorrechtigung der Pilotstrecke in die Evaluation einfließen lassen. Die Bevorrechtigung der kompletten Route Nymphenburg – Petuelpark wird mit Abschluss der kompletten Umbaumaßnahmen (voraussichtlich ab Juni 2020) erfolgen. Anschließend können die Erhebungen zur Bewertung der Auswirkungen erfolgen. Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung hat die Mittel für die Evaluation für die Nahmobilitätspauschale 2020 angemeldet.
Bezüglich der beantragten Verringerung von Durchgangsverkehr in Fahrradstraßen ist anzumerken, dass Fahrradstraßen generell in Erschließungsstraßen eingerichtet werden, in denen sowohl die Verkehrsstärke allgemein als auch in der Folge der Durchgangsverkehr gering sind. Das Kriterium der maximalen Verkehrsstärke in der Spitzenstunde gemäß den aktuellen Richtlinien wurde bei allen Planungen für Fahrradstraßen zu Grunde gelegt.
Da Diagonalsperren teilweise umwegige Führungen generieren und andere Erschließungsstraßen belasten können, bedarf es einer sorgfältigen Prüfung der Erschließung des Quartiers. Die Einrichtung von Diagonalsperren mittels Poller oder anderen baulichen Maßnahmen sollte deshalb nur in Einzelfällen, wie beispielsweise bei sehr langen Fahrradstraßen mit parallel verlaufenden Hauptverkehrsstraßen (z.B. Clemensstraße), eingesetzt werden. Im Rahmen der Evaluation werden unter anderem die Verkehrsbelastungen in der Clemensstraße ermittelt sowie ein Vorschlag zum weiteren Vorgehen unterbreitet. Zudem gilt zu erwähnen, dass für Eingriffe in den fließenden Verkehr wie Durchfahrtssperren, auch für einzelne Verkehrsarten, nach § 45 Abs. 9 StVO eine Gefährdung erforderlich ist, die erheblich über das (in einer Großstadt) übliche Maß hinausgeht. Dies ist in jedem Fall eine Einzelfallentscheidung und kann nicht flächenhaft erfolgen.
Wir weisen auch darauf hin, dass die von Ihnen geforderte flächenhafte Bevorrechtigung von Fahrradstraßen nach Abschluss des Pilotversuchs nicht erfolgen wird, sondern nur auf ausgewählten Radverkehrshauptrouten. Dies ist damit zu begründen, dass die Bevorrechtigung einer Fahrradstraße rechtlich die Herausnahme dieser Straße aus der jeweiligen Tempo-30-Zone erfordert (§ 45 Abs. 1c) StVO). Damit können auch Nachteile wie u.a. der Verlust des Tempo-30-Zonen-Charakters, ein erhöhter Beschilderungsaufwand und ggf. auch eine erhöhte Geschwindigkeit des motorisierten Verkehrs verbunden sein. Diese Aspekte werden im Rahmen der Evaluation untersucht.Zu Antragspunkt 3:
Um die Akzeptanz von Fahrradstraßen bei den Rad Fahrenden zu erreichen, werden zukünftig Fahrradstraßen nur ausgewiesen, wenn diese eine lichte Fahrgassenbreite von mindestens 4 m – kurze Engstellen ausgenommen – aufweisen. Die Herausnahme von Parkplätzen bei der Ausweisung von Fahrradstraßen kommt bereits jetzt schon in Betracht, um die vorstehende lichte Fahrgassenbreite zu erreichen oder um die Sichtbeziehungen an den Einmündungen zu verbessern. Das ist eine Einzelfallentscheidung im Ermessen des Kreisverwaltungsreferates. Dabei kommt dem örtlich zuständigen Bezirksausschuss im Rahmen der Anhörung ein besonderes Gewicht zu. Eine Herausnahme von Parkplätzen gegen den Willen des jeweiligen Bezirksausschusses erfolgt grundsätzlich nicht. Im Zweifel wird bei Nichtzustimmung des Bezirksausschusses auf die Ausweisung der Fahrradstraße verzichtet.
Wir bitten von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehen davon aus, dass der Antrag Nr. 14-20/A 05342 damit abschließend behandelt ist.