Ärger mit ausländischen Kfz-Haltern – auch in München?
Anfrage Stadtrat Karl Richter (BIA) vom 29.5.2019
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Ihrer schriftlichen Anfrage vom 29.5.2019 haben Sie folgenden Text voraus gestellt:
„Aktuellen Medienberichten zufolge werden ausländische Kfz-Halter in Deutschland offenbar überdurchschnittlich häufig als Verkehrssünder auffällig, kommen allerdings häufig straflos davon. So machte die Berliner Polizei jetzt auf sage und schreibe 21.700 allein von Diplomaten in der Hauptstadt begangene Verkehrsordnungswidrigkeiten aufmerksam. ‚In den meisten Fällen ging es um Falschparker oder Tempo-Sünder (…). Demnach waren Diplomaten-Autos im vergangenen Jahr aber auch in 79 Verkehrsunfällen verwickelt. Dabei wurden 32 Personen leicht verletzt, zwei schwer. (…) Die meisten Autos gehören den Angehörigen der amerikanischen Botschaft. Nämlich 264 der insgesamt 2.706 von Diplomaten registriert(en) Fahrzeuge(n). Die US-Diplomaten haben auch am häufigsten gegen Ver- kehrsregeln verstoßen‘, berichtet das Nachrichtenmagazin ‚Focus‘ (nach: https://www.focus.de/politik/deutschland/geniessen-immunitaet-21-000-taten-berliner-polizei-legt-groesste-suender-unter-diplomaten-corps-offen_id_10557834.html; zuletzt aufgerufen: 29.5.2019, 1.20 Uhr; KR; Fehler im Original). – Duisburg wiederum kämpft – einem Bericht der ‚Welt‘ zu- folge – gegen Tausende Parksünder aus Südosteuropa, allerdings vielfach ohne Erfolg, weil es schwierig bis aussichtslos ist, bei Verkehrsverstößen an das Geld ausländischer Fahrzeughalter zu kommen. Der Duisburger SPD-Oberbürgermeister Sören Link hat deshalb jetzt einen Brandbrief an den Deutschen Städtetag gerichtet. ‚Allein im Jahr 2018 wurden 4794 Verwarnungen bei Fahrzeugen mit bulgarischen oder rumänischen Kennzeichen ausgestellt, heißt es in dem Schreiben. Lediglich 369 seien beglichen worden. ‚Die übrigen 4425 Verfahren mussten eingestellt werden.‘ In Duisburg leben nach Angaben der Stadt rund 21.000 Rumänen und Bulgaren‘, berichtet die ‚Welt‘. Jetzt fordert der Duisburger OB ‚klare Regelungen, ins- besondere um gegen rumänische und bulgarische Staatsangehörige auch Bußgelder verhängen und vollstrecken zu können.‘ Duisburg will nun als Gegenmaßnahme Parksünder bei Mehrfachverstößen künftig abschleppen, wenn Verwarnungen in der Vergangenheit nicht bezahlt wurden. Geplant sei ein Abschleppen beim fünften Verstoß. Die Maßnahme soll ab Juli umgesetzt werden (Quelle: https://www.welt.de/regionales/nrw/article194254951/Duisburg-kaempft-gegen-Tausende-Parksuender-aus-Suedosteuropa.html; zul. Aufgerufen: 29.5.2019, 1.30 Uhr; KR).Der Verdacht drängt sich auf, daß durch ausländische Kfz-Halter besonders leichtfertig Verkehrsordnungswidrigkeiten begangen werden (z.B. Tempo-Überschreitungen, fehlender Versicherungsschutz, nicht erfolgte Umschreibung, Falschparken, Unfallflucht, Austausch/Mitteilungspflicht von Halterdaten), da ihnen – anders als deutschen Autobesitzern – ersichtlich keine Verfolgung droht.
Es drängen sich Fragen nach der Vergleichssituation in der bayerischen Landeshauptstadt auf, die ebenfalls Sitz zahlreicher diplomatischer Vertretungen ist und sich auch sonst viel auf ihre multikulturelle ‚Bereicherung‘ zugutehält.“
Im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters beantworte ich Ihre in diesem Zusammenhang aufgeworfenen Fragen wie folgt:
Frage 1:
Wie viele von ausländischen Diplomaten – einschließlich des Personals der in München ansässigen Konsulate – begangene Verkehrsordnungswidrigkeiten wurden in München in den Jahren 2016 mit 2018 registriert? Inwie- weit erfolgte eine Verfolgung? Wenn nein, warum nicht?
Antwort:
In München wird die Verkehrsüberwachung sowohl von der Polizei als auch von der Kommunalen Verkehrsüberwachung (KVÜ) durchgeführt.
Im polizeilichen Datenbestand wird kein spezieller Merker für die Eintragung von Diplomaten bzw. Konsulatsangehörigen vergeben. Insofern ist ohne die Angabe von Personalien oder Kennzeichen eine auf diesen Personenkreis ausgelegte allgemeine Recherche nicht möglich.
Bei der KVÜ ist eine solche Auswertung ebenfalls nicht vorgesehen. Grundsätzlich werden die betroffenen Fahrzeuge im Außendienst aber genauso beanstandet, wie alle anderen Fahrzeuge auch. Erst aufgrund eines schriftlichen Hinweises der Betroffenen wird das Verfahren eingestellt. Die Einstellungen sind begründet, da die Verfolgung von Verkehrsordnungswidrigkeiten durch Diplomaten bzw. Konsulatsangehörige gemäß Wiener Abkommen über diplomatische Beziehungen von 1961 bzw. über konsularische Beziehungen von 1963 nicht vorgesehen ist.
Frage 2:
Wie viele offene Verkehrsverstöße bzw. Verkehrsordnungswidrigkeiten ausländischer Kfz-Halter sind in der LHM anhängig?
Antwort:
Die Jahresstatistik des Bayerischen Polizeiverwaltungsamts enthält keine Erhebung, die einen Zusammenhang zwischen ausländischen Kfz-Haltern, Nationalität und offenen Verfahren in München abbildet.
Auch bei der KVÜ gibt es keine Auswertemöglichkeit, die speziell auf ausländische Halter und eine Unterscheidung einzelner Nationen ausgelegt ist.
Frage 3:
Inwieweit sind bestimmte Nationalitäten besonders auffällig? Welche?
Antwort:
Hierzu gibt es bei keiner der betroffenen Dienststellen Auswertungen.
Frage 4:
Entstanden Verjährungen mit Einnahmeausfall? Wie viele mit der LHM entgangenen Einnahmen in welcher Höhe?
Antwort:
Einnahmen aus Bußgeldverfahren der Polizei fließen ausschließlich dem Staatshaushalt zu und nicht, wie jene der KVÜ, dem städtischen Haushalt.
Bei den eingestellten Fällen aus Frage 1 handelt es sich nicht um Einnahmeausfälle, da die Verfolgung dieser Fahrzeuge rechtlich nicht zulässig wäre.
Im Übrigen spielen monetäre Überlegungen weder bei der Polizei noch bei der KVÜ bei einer an Verkehrssicherheitsbelangen orientierten Verkehrsüberwachung eine Rolle. Insoweit enthalten die Jahresstatistiken keine Daten zu Einnahmeausfällen.
Frage 5:
Werden bei offenen Mehrfachverstößen die Fahrzeuge abgeschleppt und erst wieder bei vollständigem Ausgleich aller offenen Forderungen ausgelöst? Wenn nicht, welche andere Praxis verfolgt die LHM?
Antwort:
Die alleinige Befugnis zur Anordnung einer Abschleppung von Fahrzeugen liegt bei der Polizei. Im Rahmen des sog. „Münchner Modells“ kann auch die KVÜ nach entsprechender Anordnung eines Polizeibeamten bei Vorliegen der rechtlichen Voraussetzungen eine Abschleppung veranlassen.Laut Auskunft der Polizei wird die angefragte Verfahrensweise nicht angewendet. Eine Abschleppung von ausländischen Kraftfahrzeugen aufgrund „offener Mehrfachverstöße“ ist rechtlich nicht zulässig.