Wuchermieten bekämpfen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Ulrike Boesser, Simone Burger, Verena Dietl, Anne Hübner, Hans Dieter Kaplan, Christian Müller, Cumali Naz und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion) vom 18.7.2019
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
In Ihrem Antrag vom 18.7.2019 fordern Sie Herrn Oberbürgermeister Reiter auf, sich für ein bayerisches Gesetz gegen Wuchermieten einzusetzen und Münchnerinnen und Münchner angesichts einer fehlenden Mietpreisbremse in Bayern besser zu schützen. Am 16.7.2019 wurde eine neue Mieterschutzverordnung beschlossen, damit gilt die Mietpreisbremse ab 7.8.2019 in 162 bayerischen Städten und Gemeinden. Herr Oberbürgermeister Reiter nutzt jede Situation, um auf allen politischen Ebenen auf die extrem Besorgnis erregende Situation auf dem Münchner Wohnungsmarkt aufmerksam zu machen.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 18.7.2019 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
In Fachkreisen wurde die Gültigkeit der Mietpreisbremse in Bayern bislang kritisch gesehen. Hintergrund dafür war, dass die der Mietpreisbremse für Bayern zugrunde liegende Rechtsverordnung (Mieterschutzverordnung) zunächst von der Bayerischen Staatsregierung nicht ausreichend begründet wurde. Aus der Begründung muss sich für jede einzelne Gemeinde nachvollziehen lassen, dass dort der Wohnungsmarkt angespannt ist und demnach diese Kommune in die Liste aufgenommen werden muss.
Dementsprechend hat mit Urteil vom 6.12.2017 das Landgericht München entschieden, dass die Mieterschutzverordnung für München keine Anwendung findet. Dies betraf zumindest alle Mietverträge, die bis Juli 2017 geschlossen wurden, da am 24.7.2017 die Bayerische Staatsregierung bei der Begründung der Mieterschutzverordnung nachbesserte.Hinsichtlich der von der Bayerischen Staatsregierung nachgeschobenen ausführlichen Begründung hatten Mietrechtsexperten Zweifel geäußert, ob die vorgenommene Ergänzung rechtlich zulässig war, da diese davon ausgingen, dass nur ein vollständiger Neuerlass von Verordnung und Begründung zu einer Rechtswirksamkeit hätte führen können. Auch das AG München vertrat in seinem Urteil vom 14.9.2018 die Auffassung, dass die Verordnung trotz des Versuchs nachzubessern unwirksam bleibt.
Mit Schreiben vom 21.2.2018 wandte sich Herr Oberbürgermeister Reiter bereits an das Bayerische Staatsministerium der Justiz und bat den seinerzeitigen Staatsminister, Herrn Professor Dr. Bausback um einen zeitnahen Erlass einer neuen bayerischen Verordnung zur Mietpreisbremse.
Am 16.7.2019 beschloss der Ministerrat den Neuerlass der Mieterschutzverordnung. Bayerns Justizminister Eisenreich führte hierzu aus, dass die Begrenzung des Mietpreisanstiegs in Ballungsräumen ein wichtiges Anliegen der bayerischen Staatsregierung ist. Ziel sei es, einen fairen Interessenausgleich zwischen Vermieterinnen bzw. Vermietern und Mieterinnen und Mietern wiederherzustellen. Der Neuerlass der Mietschutzverordnung sei dabei ein wichtiger Schritt. Laut Herrn Justizminister Eisenreich wurde die Mietpreisbremse jetzt auf eine rechtssichere Grundlage gestellt und wird somit klare Verhältnisse schaffen.
Seit 7.8.2019 gilt die Mietpreisbremse in 162 bayerischen Städten und Gemeinden mit angespanntem Wohnungsmarkt. Wird in diesen Städten und Gemeinden ein Mietvertrag über Wohnraum neu abgeschlossen, darf die Miete zu Beginn des Mietverhältnisses die ortsübliche Vergleichsmiete höchstens um 10% übersteigen. Dies gilt auch für die Vermietung möblierter Wohnungen.
Darüber hinaus hat sich die große Koalition auf Änderungen am Mietrecht verständigt. Kern der Einigung im Koalitionsausschuss am 18.8.2019 war eine Verlängerung der Mietpreisbremse. Die Möglichkeit der Länder, durch Rechtsverordnung Gebiete zu bestimmen, in denen die Mietpreisbremse gelten soll, soll bis Ende 2025 verlängert werden. Nach derzeitiger Rechtslage können solche Verordnungen nur bis Ende 2020 erlassen werden. Auch die bayerische Staatsregierung sieht eine Verlängerung für sinnvoll an, da laut Herrn Justizminister Eisenreich die Mietpreisbremse erst bei einer längeren Geltungsdauer spürbare Wirkung zeigen kann.
Neben der Mietpreisbremse gilt in den 162 bayerischen Städten und Gemeinden ab 7.8.2019 auch eine abgesenkte Kappungsgrenze. Dies bedeutet, dass eine Vermieterin bzw. ein Vermieter die Miete innerhalb von drei Jahren grundsätzlich nicht um mehr als 15% (statt 20%) und nicht über die ortsübliche Vergleichsmiete hinaus erhöhen darf. Außerdem verlängert die Mieterschutzverordnung die Kündigungssperrfrist: Ein Erwerber von bereits vermietetem Wohnraum kann dem Mieter somit erst nach Ablauf von zehn Jahren seit der Veräußerung zum Zwecke des Eigenbedarfs oder der Verwertung kündigen.
Die Mietpreisbremse bedeutet jedoch keinen Mietpreisstopp für die Landeshauptstadt München. Sie kann bei Abschluss neuer Mietverträge die Auswüchse nach oben und ein immer schnelleres Drehen der Mietpreisspirale verhindern. Sie orientiert sich an der ortsüblichen Vergleichsmiete, die mit dem Mietspiegel für München berechnet werden kann. Die vom Mietspiegel ausgewiesene ortsübliche Nettomiete ist jedoch in den letzten 6 Jahren um ca. 15% gestiegen.
Dem zuletzt veröffentlichten qualifizierten Mietspiegel für München 2019 lagen entsprechend der gesetzlichen Vorgabe in § 558 Abs. 2 BGB die neu vereinbarten und geänderten Mieten innerhalb eines Zeitraums von vier Jahren zugrunde. Damit kann der Mietspiegel für München 2019 kein realistisches Abbild des Münchner Wohnungsmarktes wiedergeben. Insbesondere bildet er nicht die tatsächliche Durchschnittsmiete ab, da Bestandsmieten, die über einen längeren Zeitraum unverändert geblieben sind, im qualifizierten Mietspiegel genauso wenig berücksichtigt werden, wie z.B. öffentlich geförderter Wohnraum.
Vor diesem Hintergrund besteht seit Jahren die politische Forderung an die Bundesgesetzgebung, die gesetzlichen Voraussetzungen für die dringend notwendige Reform des Mietspiegels zu schaffen. Um dem Gesetzgeber vor Augen zu führen, inwieweit die Wirklichkeit und die im qualifizierten Mietspiegel für München 2019 ausgewiesenen Mieten auseinander liegen, war es ein Anliegen von Herrn Oberbürgermeister Reiter, einen sogenannten „realen Mietspiegel“ erstellen zu lassen, der den Münchner Wohnungsmarkt ohne die bisherigen mietpreistreibenden Vorgaben des Gesetzgebers (siehe oben) realistisch abbildet.
Beim realen Mietspiegel wird es sich nicht um einen rechtsverbindlichen Mietspiegel handeln. Er soll in erster Linie dem Gesetzgeber die Notwendigkeit einer Reform des qualifizierten Mietspiegels vor Augen führen. Die Präsentation der Ergebnisse ist für den Zeitraum Januar/Februar 2020 geplant.Ferner haben auf Initiative von Herrn Oberbürgermeister Reiter hin, die städtischen Wohnungsbaugesellschaften einen Weg beschritten, der bei frei finanzierten Wohnungen maßvolle Mieterhöhungen (maximal 10% innerhalb von 5 Jahren, dabei wird die ortsübliche Miete des Mietspiegels zu maximal 90% ausgeschöpft) mit einer vernünftigen Erhaltung des Wohnungsbestandes verbindet. Zudem hat der Münchner Stadtrat darüber hinaus am 24.7.2019 beschlossen, Mieterhöhungen bei allen Wohnungen der städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG und des
Kommunalreferates bis zum 31.7.2024 einzufrieren (Ausnahme: Mieterhöhungen wegen Modernisierungen).
Damit will die Landeshauptstadt München Vorbild für Vermieterinnen und Vermieter im Umgang mit deren Mieterschaft sein und setzt damit ein eindeutiges Signal an den Bundesgesetzgeber.
Herr Oberbürgermeister Reiter bekämpft bereits seit Beginn seiner Amtszeit den Verdrängungsprozess einkommensärmerer Schichten der Bevölkerung und setzt sich kontinuierlich auf allen Ebenen dafür ein, dass die Mieten für alle Bürgerinnen und Bürger bezahlbar bleiben.
Die Aussage in Ihrem Antrag vom 18.7.2019, der Münchner Mietmarkt sei ein „gutes Pflaster“ für skrupellose Vermieterinnen und Vermieter, die die Wohnungsnot ausnutzen, in dem Mieten in astronomischen Höhen verlangt werden, kann ich nur bestätigen. In diesem Zusammenhang möchte ich kurz auf § 5 Wirtschaftsstrafgesetz (WiStG) und § 291 Strafgesetzbuch (StGB ) eingehen.
Gemäß § 5 WiStG handelt ordnungswidrig, wer vorsätzlich oder leichtfertig für die Vermietung von Räumen zum Wohnen unangemessen hohe Entgelte fordert, sich versprechen lässt oder annimmt.
Entgelte sind gemäß § 5 WiStG unangemessen hoch, wenn diese infolge der Ausnutzung eines geringen Angebots an vergleichbaren Räumen die üblichen Entgelte um mehr als 20% übersteigen, die in der Gemeinde für die Vermietung von Räumen vergleichbarer Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit und und Lage in den letzten vier Jahren neu vereinbart oder geändert worden sind.
Unter Berücksichtigung der aktuellen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) hat die Mieterin bzw. der Mieter hinsichtlich der Ausnutzung des geringen Angebots den Nachweis zu führen, d.h. sie/er muss die konkrete Anmietsituation dahingehend beschreiben, warum sie/er konkret das Objekt anmieten musste und nicht auf günstigeren Wohnraum ausweichen konnte. Nach den Erfahrungen der Bußgeldstelle im Amt für Wohnen und Migration sind die Gerichte diesbezüglich eher streng.
In den Fällen, in denen das geringe Angebot im Rahmen der Anmietung nachvollziehbar durch die Mieterin bzw. den Mieter dargelegt wurde, wird ein Gutachten hinsichtlich der gegenständlichen Wohnung bzw. des angemessenen Mietpreises durch den Fachbereich Technik im Amt für Wohnen und Migration erstellt. Sofern das Gutachten eine nach § 5 WiStG verfolgungsrelevante Überschreitung der ortsüblichen Vergleichsmiete bestätigt, wird die jeweilige Vermieterin bzw. der Vermieter angeschrieben und aufgefordert eine Wirtschaftlichkeitsberechnung vorzulegen, d.h. dass sie bzw. er die hohe Miete benötigte um z.B. Kredite abzuzahlen. Durch die Vorlage entsprechender Unterlagen können Überschreitungen der ortsüblichen Miete in Höhe bis zu 50% gerechtfertigt werden.
Mietwucher i.S.v. § 291 Strafgesetzbuch (StGB) ist dagegen ein Straftatbestand, für dessen Verfolgung allein die Staatsanwaltschaft zuständig ist.
Danach wird mit Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren oder Geldstrafe bestraft, wer die Zwangslage, die Unerfahrenheit, den Mangel an Urteilsvermögen oder die erhebliche Willensschwäche eines anderen dadurch ausbeutet, dass er sich oder einem Dritten für die Vermietung von Räumen zum Wohnen oder damit verbundenen Nebenleistungen (…) Vermögensvorteile versprechen oder gewähren lässt, die in einem auffälligen Missverhältnis zu der Leistung stehen (= über 50%).
Der Vermieter muss vorsätzlich handeln, d.h. die Verhandlungsunterlegenheit der Mieterin oder des Mieters kennen und diese aufgrund einer verwerflichen Gesinnung ausnutzen. In der Regel wird die Staatsanwaltschaft nach Hinweis oder Anzeige der Polizei bzw. aufgrund Strafanzeige der geschädigten Mietpartei tätig.
Verurteilungen wegen Mietwuchers sind nach den Erfahrungen der Bußgeldstelle im Amt für Wohnen und Migration selten. In Einzelfällen werden die Verfahren nach Einstellung des Strafverfahrens gem. § 43 des Gesetzes über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) zur Weiterverfolgung als Ordnungswidrigkeit an das Sozialreferat, Amt für Wohnen und Migration abgegeben.
In der Nachweispflicht für das Vorliegen eines geringen Angebotes zum Zeitpunkt des Mietvertragsabschlusses durch die Mieterschaft wird nachherrschender Meinung die Hauptursache für die geringen Erfolgsaussichten von Verfahren gemäß § 5 WiStG gesehen.
Der Gesetzgeber wurde diesbezüglich wiederholt von Herrn Oberbürgermeister Reiter aufgefordert, hier nachzubessern und hinsichtlich des geringen Angebotes auf objektive Kriterien abzustellen.
Ich hoffe, auf Ihr Anliegen hinreichend eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.