Die Haushaltsrede von Oberbürgermeister Dieter Reiter in der Vollversammlung des Stadtrats hat folgenden Wortlaut: „Ich möchte gerne zu Beginn meiner Rede – quasi wie bei der Oscar-Verleihung – erst einmal Danke sagen. Zuerst bedanke ich mich bei den vielen Kolleginnen und Kollegen der Stadtverwaltung – insbesondere natürlich bei denen der Stadtkämmerei und des POR – für die gute Arbeit und die heutigen Vorlagen zum Haushalt. Ich weiß, wie viel Arbeit dahintersteckt, wie viele Runden verwaltungsintern gedreht werden müssen, um heute dieses Werk vorlegen zu können. Deshalb nochmal: Danke!
Dann bedanke ich mich bei den geschätzten Kolleginnen und Kollegen meiner Fraktion und der unseres Kooperationspartners für die erneut konstruktive Zusammenarbeit bei der Begleitung dieses Haushalts und der politischen Schwerpunktsetzungen darin. Und an dieser Stelle sei auch ganz deutlich gesagt: Allen anfänglichen Unkenrufen zum Trotz legt diese Kooperation jetzt heute den sechsten verantwortungsvollen und zukunftsorientierten Haushalt vor – wieder ohne neue Schulden und wieder mit einem hohen Investitionsniveau. Und ja: Ich bin damit sehr zufrieden, meine Damen und Herren.
Und dass dies drei Monate vor einer Kommunalwahl so zwischen Bündnispartnern funktioniert, das ist beileibe nicht auf allen politischen Ebenen so und auch beileibe nicht durchgängig üblich. Daher auch an dieser Stelle nochmals Dankeschön an euch, liebe Kolleginnen und Kollegen der SPD und der CSU.
Sehr geehrte Damen und Herren, wir haben uns alle daran gewöhnt, dass ich Ihnen an dieser Stelle von Rekorden bei den Gewerbesteuereinnahmen und bei den Investitionsauszahlungen, einer deutlichen Schuldentilgung und weiteren Rekordergebnissen berichte.
Heute legt uns der Kämmerer für das Jahr 2020 einen Haushalt vor, der zumindest mit dem ersten Teil dieser Tradition – der Verkündung von Rekordeinnahmen – bricht. Denn wir müssen bei unserer wichtigsten Einnahmequelle, der Gewerbesteuer, aktuellen Prognosen zufolge eine Reduzierung gegenüber 2019 um 90 Millionen Euro hinnehmen.
Auf diese externe Entwicklung haben wir aber leider keinen Einfluss.
Ohne diesen Einnahmerückgang hätten wir alle Vorgaben des Eckdatenbeschlusses erfüllt:
- die konsumtiven Auszahlungen steigen um nicht mehr als 162 Millionen Euro,
- die angemeldeten investiven Auszahlungen wurden von der Stadtkämmerei und den beteiligten Referaten im Hinblick auf die tatsächliche Kassenwirksamkeit geprüft und gesenkt,
- es gibt trotz des hohen Investitionsvolumens keine Nettoneuverschuldung.
Die fehlenden 90 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer haben allerdings dafür gesorgt, dass wir die definierte Messlatte von 300 Millionen Euro beim Überschuss aus laufender Verwaltungstätigkeit verfehlen und auf ‚nur noch‘ 223 Millionen Euro kommen.
Dies ist immer noch eine hohe Summe, um die uns viele andere deutschen Kommunen beneiden würden.
Trotzdem ist es für München ein Warnsignal, das wir bei künftigen Planungen deutlich berücksichtigen müssen – und auch berücksichtigen werden. Gut, dass die Stadtratsmehrheit auch in den letzten Jahren weiter die „guten Zeiten“ genutzt hat, um einerseits Schulden signifikant abzubauen und andererseits ein gutes Finanzreservepolster anzulegen.
Dieses Polster werden wir nun aber deutlich verringern müssen. Was bedeutet das für die Zukunft Münchens?
München wächst allein aufgrund des bestehenden Geburtenüberschusses. Außerdem leben wir glücklicherweise in einer der beliebtesten Städte Deutschlands, so dass auch in Zukunft eher von weiterem Zuzug – und nicht, wie in anderen Regionen Deutschlands, von einem Bevölkerungsschwund – auszugehen ist.
Die Bürgerinnen und Bürger erwarten von uns als Stadtverwaltung, dass wir die Konsequenzen dieses Wachstums vorausschauend lösen. Die Infra- struktur muss mitwachsen. Gleichzeitig möchte ich, dass München auch für Menschen mit normalem Einkommen bezahlbar bleibt und deshalb setzen wir als Stadt viel Geld ein, um das zu ermöglichen.
In den Jahren 2019-2023 investieren wir insgesamt rund 10 Milliarden Euro!
Was wir damit alles finanzieren, möchte ich im Folgenden kurz ausführen: Wir haben das deutschlandweit größte Schulbauprogramm gestartet. Seit 2016 haben wir für die inzwischen drei beschlossenen Schulbauprogramme rund 6,5 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Schon jetzt ist die sukzessive Umsetzung des 1. und 2. Schulbauprogramms in der Stadtkasse spürbar.
Für das Jahr 2019 werden hierfür voraussichtlich Auszahlungen in Höhe von über 700 Millionen Euro anfallen. In der aktuellen Planung gehen wir für 2020 von rund 930 Millionen Euro aus.
Insgesamt haben wir für die Jahre 2019-2023 für den Investitionsschwerpunkt „Schulen und Kinderbetreuung“ 4,3 Milliarden Euro eingeplant. Das sind 43 Prozent des Gesamtinvestitionsvolumens!
Geld, das wir in hervorragende Bildung und qualifizierte Betreuung unserer Kinder investieren – und das ist gut so und das ist richtig so, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Dafür entstehen in den kommenden Jahren 225 neue Schulklassen, 47 neue Mensen, 112 neue Sporthalleneinheiten und acht Schulschwimmbäder. Ein Teil des Geldes fließt natürlich außerdem in die Sanierung bestehender Schulen.
Auch im Wohnungsbau ist München deutschlandweit Spitzenreiter. Mit Investitionen von 1,2 Milliarden Euro bis 2022 führt die Stadt ihr wohnungspolitisches Handlungsprogramm ‚Wohnen in München‘ fort. Insgesamt hält das MIP 2019-2023 finanzielle Mittel in Höhe von 1,4 Milliarden Euro für den Wohnungsbau bereit.
Es ist mein Ziel, dass die Stadt München bis 2030 100.000 Wohnungen in ihrem Besitz hält. Derzeit haben unsere städtischen Gesellschaften einen Bestand von rund 68.000 Wohnungen, die sie dank unserer kommunalen Mietpreisbremse zu langfristig günstigen Mieten vergeben.
Und natürlich: Wir verkaufen auch in Zukunft weder eigene Wohnungen noch eigene Grundstücke.
Mit unserem städtischen Vorkaufsrecht haben wir in den Erhaltungssatzungsgebieten ein weiteres Instrument, um die Mieterinnen und Mieter zu schützen und ihnen den Verbleib im gewohnten Umfeld zu sichern. Damit die Stadt in diesem Bereich noch mehr tun kann, bedarf es jedoch neuer gesetzlicher Regelungen. Beispielsweise meine Forderungen an den Bund nach einer zulässigen Ausweitung der Erhaltungssatzungen auf das gesamte Stadtgebiet und eine Neuregelung bei der Verteilung der Gewinne aus Bodenwertsteigerungen, damit diese die Mietpreise nicht immer weiter nach oben treiben.
Nicht nur mit diesem Kampf gegen sich weiter verrückt entwickelnde Mietpreise werden wir auch in Zukunft alles tun, um allen Münchnerinnen und Münchnern ein vernünftiges Leben in unserer Stadt sichern zu können. Ein weiterer wichtiger Mosaikstein hierbei ist die Kostenfreiheit der Kindergärten, die viele Münchner Familien finanziell deutlich entlastet. Das lassen wir uns jährlich rund 44 Millionen Euro kosten – Geld, das netto in den Geldbeuteln der Familien ankommt.
Liebe Kolleginnen und Kollegen, zentrale Herausforderung in unserer stetig wachsenden Stadtgemeinschaft ist die Mobilität. Um alle Verkehrsaufgaben effektiv zu bündeln und steuern zu können, habe ich die Gründung eines Mobilitätsreferats angeregt. Mal sehen, was die Diskussion und die Beschlussfassung dazu heute ergibt.
Zu einem sinnvollen Zukunftskonzept gehört dabei nicht nur der Ausbau der Verkehrsnetze, sondern auch das Angebot zukunftsweisender, alternativer Verkehrskonzepte.
So ist unsere stadteigene MVG nicht mehr nur reiner Bus- und Bahnbetreiber, sondern hat sich mittlerweile zu einem kommunalen Mobilitätsdienstleister entwickelt, der die Verkehrswende mit Angeboten wie dem Ridepooling-Dienst IsarTiger, Elektrobussen und einem Mietradsystem vorantreibt.
Die Stadt München finanziert außerdem das Nachtliniensystem, Quartiersbusse, neue Expressbus- und Tangentialbuslinien sowie Taktverdichtungen am Wochenende und in den Tagesrandzeiten mit rund 27 Millionen Euro.
Die neue MVG-Tarifstruktur ist vor wenigen Tagen in Kraft getreten. Viele Bürgerinnen und Bürger werden damit deutlich entlastet und der ÖPNV dadurch attraktiver gemacht. Das unterstützt der Münchner Haushalt mit jährlich 28 Millionen Euro.
Heute beschließen wir außerdem – jedenfalls nach meinem Wunsch – das 365-Euro-Ticket für Auszubildende und Schülerinnen und Schüler, das den städtischen Haushalt mit jährlich 5 Millionen Euro belastet und in gleicher Höhe der Jugend unserer Stadt mehr finanziellen Spielraum gibt. Eines der wichtigsten Münchner Verkehrsprojekte ist die U-Bahnlinie U9. Sie soll neue Direktverbindungen schaffen und das Gesamtnetz entlasten. Im Oktober 2019 haben wir den Bahnhof-Rohbau am Hauptbahnhof (Kosten netto 393 Millionen Euro) und die Vorplanung der gesamten Strecke (Kosten netto 100 Millionen Euro) genehmigt.
Innerhalb der Stadtverwaltung selbst wollen wir mit unseren seit Jahren – jedenfalls seit ich OB bin – als notwendig erachteten Personalzuschaltungen erreichen, dass die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt alle Leistungen in möglichst hoher Qualität erhalten können, ohne unsere Kolleginnen und Kollegen dadurch strukturell zu überfordern. Das ist eine Daueraufgabe, der wir uns aber auch in Zukunft stellen werden – darauf haben unsere Bürgerinnen und Bürger einen Anspruch!
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen, diese Aufzählung ließe sich noch deutlich länger fortsetzen.
Denn all die Vorhaben, Projekte und Maßnahmen sind richtig, wichtig und notwendig, damit auch unsere Kinder und Enkelkinder weiter in einer lebenswerten Stadt leben können.
Ich freue mich daher, dass wir Ihnen heute auch vor diesem Hintergrund wieder einmal einen erfolgreichen Haushalt für das Jahr 2020 ohne Nettoneuverschuldung vorstellen können.
Aber: Ich bin für Transparenz und Offenheit in der Planung und deshalb muss auch klar sein: In Anbetracht der oben genannten Investitionsauszahlungen in Rekordhöhe bis 2023 wird ab 2021 eine Nettoneuverschuldung unausweichlich sein. Wir sind für diesen Fall durchaus vorbereitet: Mit einer vorausschauenden soliden und verantwortungsvollen Finanzpolitik der letzten Jahrzehnte haben wir unseren Schuldenstand auf das niedrige Niveau der 1980er-Jahre abgebaut.
Auch unsere Finanzreserven haben wir in den vergangenen Jahren gut gefüllt. Trotzdem rechnen wir bis 2023 mit einer Verschuldung in Höhe von rund 4,3 Milliarden Euro. Die Bekanntgabe der Stadtkämmerei zu den ‚Großen Vorhaben‘ der kommenden Jahre, in der auch die Investitionsprojekte gesammelt sind, die aus verschiedenen Gründen noch nicht ins MIP aufgenommen werden können, schätzt darüber hinaus grob ein Volumen in Höhe von 4,2 Milliarden Euro für den MIP-Zeitraum. Hier bleibt abzuwarten, welche dieser Vorhaben am Ende tatsächlich beschlossen werden.
Und auch wenn grundsätzlich alle diese zusätzlichen Vorhaben erst einmal richtig, wichtig und notwendig erscheinen, werden wir deutlich priorisieren müssen. Grundsätzlich gilt aber: Die Finanzierung von Investitionen in das Sachanlagevermögen ist – insbesondere in der aktuellen Niedrigzinsphase – eine sachgerechte Vorgehensweise.
Das sehe nicht nur ich so. Unterstützt werde ich von einer Vielzahl verschiedener Wirtschaftsforschungsinstitute.
So haben sogar das Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung und das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in einer gemeinsamen Studie eine langfristige und breit angelegte öffentliche Investitionsoffensive gefordert, mit der die Wachstumsrate der deutschen Wirtschaft eindeutig erhöht werden würde.
Über Kredite finanzierte Investitionen ‚erhöhen zwar den Schuldenstand, aber gleichzeitig den Vermögensbestand einer Volkswirtschaft‘, schreiben die Forscher. ‚Das Nettovermögen wird so nicht geschmälert.‘ Leider ist diese Botschaft noch nicht beim Bund angekommen, der weiter auf der ‚Schwarzen Null‘ beharrt.
Damit bremst er nicht nur seine eigenen Investitionsmaßnahmen aus. Auch wir als Kommune sind betroffen, da die notwendigen Ausweitungen der Fördertöpfe wegen der Schuldenbremse nur in homöopathischen Dosen umgesetzt werden.
Wir als Kommune nehmen allerdings unsere Verantwortung gegenüber künftigen Generationen ernst und verschulden uns nicht über die Grenze unserer Leistungsfähigkeit hinaus.
Denn ich will, dass München auch in Zukunft eine moderne und leistungsfähige Stadt für alle Bürgerinnen und Bürger bleibt, in der sich alle Münchnerinnen und Münchner weiterhin so wohl fühlen wie bisher. Den finanziellen Grundstein legen Sie heute mit dem Beschluss zum Haushalt 2020, um dessen Unterstützung ich Sie alle daher bitten möchte. Vielen Dank.“
Achtung Redaktionen: Weitere Informationen zum Haushalt 2020 mit der Präsentation des Stadtkämmerers Christoph Frey und der Rede des Personal- und Organisationsreferenten Dr. Alexander Dietrich sind unter https://t1p.de/Haushalt2020abrufbar. Foto: Presseamt München/Michael Nagy.