Chaos bei der Auszählung der Landtags- und Bezirkswahl in München?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 17.10.2018
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Mit Schreiben vom 17.10.2018 haben Sie die nachfolgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister Reiter gestellt.
„Nach Berichten mehrerer Wahlhelferinnen und Wahlhelfer der vergan- genen Wahlen am 14. Oktober 2018 gab es massive Probleme mit den sogenannten ‚Wahlkoffern‘, die eigentlich die Arbeit in den Wahlbezirken erleichtern sollten. Es gibt zahlreiche Berichte über zusammenbrechende Verbindungen mit der Folge, dass die bisher gemachten Eingaben verloren waren und erneut eingegeben werden mussten. Gegen Mitternacht kam dann gar keine Verbindung mit dem Wahlamt mehr zustande, die Wahlvor- stände konnten auch niemanden mehr erreichen, der Hilfe leisten konnte. Außerdem ist auffällig, dass München die Landtagswahlergebnisse erst als Letzte an den Landeswahlleiter melden konnte, für die Bezirkswahlen sind immer noch keine Ergebnisse veröffentlicht.
Wir bitten deshalb um Beantwortung der folgenden Fragen 1. Welche Probleme gibt bzw. gab es bei der Datenübertragung aus den Wahlbezirken?
2. Warum konnten die Wahlhelfer ab Mitternacht niemanden mehr errei- chen, der sie unterstützen konnte?
3. Warum dauerte die Auswertung der Landtagswahlen so lange? Gab es dabei auch technische Probleme mit der Fachanwendung?“
Aufgrund der Nacharbeiten zur Landtagswahl und der erforderlichen Vorbereitungstätigkeiten für das Volksbegehren kam es zu einer Verzögerung der Beantwortung. Eine Fristverlängerung bis 31.1.2019 wurde am 12.12.2018 beantragt.
Ihre Fragen beantworten wir nach Abstimmung mit dem Referat für Informations- und Telekommunikationstechnik (RIT) wie folgt:
Frage 1:
Welche Probleme gibt bzw. gab es bei der Datenübertragung aus den Wahlbezirken?
Antwort:
1.1 Details zu den aufgetretenen StörungenEs kam am Wahlsonntag zu verschiedenen Störungen, die Auswirkungen auf die Datenübertragung aus den Wahllokalen bzw. von den Briefwahlzentren ins Kreisverwaltungsreferat hatten:
-Neustart des Präsentationsservers (ca. 9.50 Uhr)
Der Präsentations-Server für die Ergebnisdarstellungen musste neu gestartet werden. Dabei wurde durch einen Bedienfehler ein weiteres System tangiert, was zur Folge hatte, dass ein Verbindungsverlust der Wahlkoffer eintrat. Diese Problematik konnte durch den Einsatz der Kreisverwaltungsreferats- und IT-Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Zentralen soweit behoben werden, dass 891 Wahlvorstände (von 954) bis 18 Uhr wieder regulär verbunden waren.
-Performanceprobleme im Wahllokalsystem (ca. 18 Uhr)
Bei Schließung der Wahllokale und Beginn der Ergebnisermittlung bei der Briefwahl standen aufgrund nahezu zeitgleichem Zugriff aller Wahlvorstände im Wahllokalsystem kurzfristig zu wenige Zugänge (Sockets) für Anfragen der Wahlkoffer an das Wahllokalsystem zur Verfügung. Die Folge waren temporäre Verbindungsprobleme an einigen Wahlkoffern. Das Wahllokalsystem konnte spätestens nach ca. 30 Minuten von allen Wahlvorständen wieder stabil genutzt werden.
-Lange Antwortzeiten des Wahlabwicklungssystems „WAS“ (ca. 21 Uhr und ca. 23 Uhr), der Software die durch das Wahlamt zur Ergebnisermittlung genutzt wird und in die die Daten der Wahllokalsysteme übertragen werden.
Ein Arbeiten im „WAS“ als auch mit dem Wahllokalsystem (über eine Schnittstelle verbunden) war aufgrund einer hohen Auslastung der Systeme für einige Wahlvorstände nur mit Verzögerungen möglich.
Die Systeme hatten sich um 21 Uhr nach ca. 15 Minuten wieder stabilisiert, einige Systeme hatten jedoch nochmals temporäre Schwankungen aufgrund vieler zeitgleicher Zugriffe.
Um 23 Uhr musste ein technisches System neu gestartet werden, um die Zugriffe der Wahllokale aufgrund zwischenzeitlich vorgenommener Optimierungen deutlich zu verbessern.
Dauer der Störungen: ca. 30 Minuten (21 Uhr) und 15 Minuten (23 Uhr) für einen größeren Teil der Systeme.1.2 Nachbetrachtung
Die Lösung der jeweiligen Verbindungsprobleme (bis zu 30 Minuten) hat im Nachgang betrachtet zu lange gedauert, aufgrund der Komplexität und diversen Sicherheitsmaßnahmen sowie zum Schutz der Integrität der Daten war jedoch ein gesichertes Vorgehen am Wahlabend zwingend erforderlich.
Die (Wahl)Koffer waren zum 3. Mal im Produktivbetrieb, verschiedene Optimierungen sind aufgrund der Erfahrungswerte für künftige Wahlen noch vorzunehmen, vor allem im Bereich der Verbindung und Performance.
Die bisher festgestellten Ursachen und Probleme wurden (Stand Dezember 2018) analysiert und bereits bereinigt, diverse technische Standards in den Konfigurationen der Systeme wurden angepasst, eine umfassende Qualitätssicherung ist bereits in der Umsetzung.
Nahezu 1.000 Wahlkoffer in gleich vielen Wahllokalen sind von ehrenamtlichem Personal während der Wahl verwendet worden. Insgesamt konnten damit 79% der Niederschriften für die Landtagswahl und 65% der Niederschriften für die Bezirkswahl vollständig gedruckt und in hoher Qualität übermittelt werden.
Die (Wahl)Koffer dienen dabei der Erfassung, Plausibilisierung und Übermittlung der Wahlergebnisse. Die Auszählung der Stimmen erfolgt, wie bisher, ohne IT-Unterstützung.
Alle Informationen der Wahl wurden verschlüsselt und gesichert übertragen, es wurden keine Übertragungsfehler noch sonstige Vorkommnisse festgestellt.
Die Wahlkoffer haben trotz der temporären kurzfristigen Störungen zu einer erheblichen Verbesserung der Qualität und der Verarbeitung der Daten geführt.
Dies hat sich vor allem in der Nachbetrachtung der endgültigen Ergebnisse durch den Landeswahlleiter bestätigt.
Im Vorfeld der Wahlen wurden vom KVR und IT-Referat leistungsfähige Strukturen und Vorkehrungen für ein Krisenmanagement etabliert und während der technischen Störungen erfolgreich eingesetzt.
Kreisverwaltungsreferat und IT-Referat haben im erforderlichen Krisenmanagement während der Wahl dauerhaft eng zusammengearbeitet, das vom IT-Referat vor der Wahl eingerichtete IT- Lagezentrum hat Störungssuche und Lösungsfindung deutlich beschleunigt. Trotzdem kam es zu den berichteten Störungen, die teilweise die Wahlhelferinnen und Wahlhelfer er-heblich beeinträchtigt haben. Auch diese Prozesse wurden bereits kritisch analysiert und für künftige Wahlen weiteren Optimierungen unterzogen.
Frage 2:
Warum konnten die Wahlhelfer ab Mitternacht niemanden mehr erreichen, der sie unterstützen konnte?
Antwort:
Für die Hotline des Wahlamtes waren 30 Leitungen parallel verfügbar und im Einsatz. In dem Zeitraum bis Mitternacht und auch darüber hinaus waren alle verfügbaren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Hotline in Gesprächen. Die Telefone waren – den ganzen Wahltag über und bis zum Abschluss aller nächtlichen Arbeiten um 3 Uhr am Montagmorgen – mit Dienstkräften besetzt. Die schlechte Erreichbarkeit erklärt sich aus dem Volumen der Anrufe, welches zwischen 21 Uhr und Mitternacht 8.880 Anrufe umfasste. Eine Auswertung des Hotline-Servers ergab dabei eine durchschnittliche Gesprächsdauer von zwei Minuten. Damit konnten in diesem Zeitraum lediglich ca. 2.700 Anrufe entgegengenommen werden, 6.180 Anrufe haben die Hotline in diesem Zeitraum nicht erreicht. Die Zahl der Anrufe zeigt allerdings auch, dass aus den Wahllokalen (618) mehr als nur ein Anruf in diesem Zeitraum erfolgt sein muss.
Frage 3:
Warum dauerte die Auswertung der Landtagswahlen so lange? Gab es da- bei auch technische Probleme mit der Fachanwendung?
Antwort:
Die Auswertung der Landtagswahl dauert grundsätzlich länger als eine Auswertung einer Bundestags- oder Europawahl, da durch das vorgeschriebene Wahlverfahren entsprechend höhere Aufwände bei der Auszählung entstehen. Auch die Vergrößerung der Wahlvorstände auf bis zu 11 Personen für die Landtagswahl 2018, ändert nichts daran, dass pro Wahl zwei Stimmzettel, und nicht nur ein Stimmzettel, ausgewertet werden müssen.
Neben der deutlich höheren Wahlbeteiligung dieser Landtagswahl sind auch 17 Wahlvorschläge zur Wahl angetreten (bei der letzten Landtagswahl waren es nur 12). Die Einzelauswertung von durchschnittlich 700 Zweitstimmen pro Stimmbezirk nahm dabei, auch durch das entsprechend unhandliche Stimmzettelformat, längere Zeit in Anspruch als in der Vergan¬genheit.
Vor allem verteilen sich die Wählerinnen und Wähler und damit die auszuzählenden Stimmzettelmengen nicht homogen über alle Stimm- undBriefwahlbezirke. Neben Stimmbezirken, die lediglich ca. 400 Stimmzettel jeweils für die Erst- und Zweitstimme sowie für jede Wahl auswerten mussten (insgesamt damit bis zu 1.600), gab es vor allem bei der Briefwahl auch Stimmbezirke mit über 1.000 Wahlbriefen und damit bis zu 4.000 Stimmzetteln, die auszuwerten waren. Mehr als die doppelte Menge auszuwerten, hat entsprechend längere Zeit für die Auswertung beansprucht. Wie bereits in der Sitzung des Kreisverwaltungsausschusses am
22.10.2018 berichtet, wurden alle Ergebnisse aus den Münchner Stimm- und Briefwahlbezirken bis zur fristgerechten Abgabe der zweiten Schnellmeldung an den Landeswahlleiter, am Dienstag, 16.10.2018, um 18.33 Uhr, gemäß den wahlrechtlichen Vorschriften überprüft und wenn nötig berichtigt.
Es ist nicht vorgesehen, die Ergebnisse der Bezirkstagswahl vor Abgabe der zweiten Schnellmeldung der Landtagswahl zu übermitteln (vgl. dazu die Wahlanweisung des Bayerischen Staatsministeriums des Inneren, für Sport und Integration für Stimmkreisleiter, WA 4 Nr. 3.2.1).
Die Veröffentlichung des vorläufigen Ergebnisses der Bezirkswahl für den Bezirk Oberbayern obliegt der zuständigen Wahlkreisleiterin für den Regierungsbezirk Oberbayern, Frau Regierungspräsidentin Maria Els.
Daher wurde die vorgesehene Meldung der Ergebnisse der Bezirkswahl auch erst nach Abschluss der Ergebnisermittlung und Abgabe der zweiten Schnellmeldung der Landtagswahl erstellt. Die Ergebnisse der Bezirkswahl in München wurden im Anschluss an den Stimmkreisausschuss am Donnerstag, 18.10.2018, auch auf unseren Internetseiten veröffentlicht. Die Veröffentlichung erfolgte damit nicht verzögert, sondern nach den entsprechenden Vorgaben.
Alle Ergebnisse und erforderlichen Daten konnten innerhalb der gesetzlichen Fristen an den Landeswahlleiter bzw. an die Wahlkreisleiterin vollständig und korrekt übermittelt werden.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.