Schulwegkostenfreiheit bei getrennt lebenden sorgeberechtigten
Eltern
Anfrage Stadtrat Manuel Pretzl (CSU-Fraktion) vom 18.12.2018
Antwort Stadtschulrätin Beatrix Zurek:
Auf Ihre Anfrage vom 18.12.2018 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Nach geltender Gesetzeslage erhalten Kinder von getrennt lebenden sor- geberechtigten Eltern nur für einen Wohnsitz der Eltern die Kostenfreiheit des Schulwegs. Wenn ein Kind regelmäßig bei beiden Elternteilen über- nachtet und von dort zur Schule fährt entstehen erhebliche Kosten. Diese finanzielle Mehrbelastung ist – gerade bei getrennten Paaren – oft ein er- heblicher Einschnitt in das zur Verfügung stehende Budget.“
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Ist der geschilderte Sachverhalt so richtig?
Antwort:
Ja. Nach dem Gesetz über die Kostenfreiheit des Schulwegs (SchKfrG) und der Verordnung über die Schülerbeförderung (SchBefV) haben Schülerinnen und Schüler öffentlicher und staatlich anerkannter weiterführender Schulen bis zur Jahrgangsstufe 10 einen Anspruch auf die notwendige Schülerbeförderung zur nächstgelegenen Schule. Der Anspruch zielt auf die Bereitstellung einer Fahrkarte für den ÖPNV für den Schulweg, der vom Ort des gewöhnlichen Aufenthalts zur Schule geht. Ausgangspunkt für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist der Aufenthalt, das heißt der Ort, an dem eine Person körperlich anwesend ist, an dem sie verweilt. Dies ist im Fall der Bestimmungen über die Schülerbeförderung derjenige Ort, von dem aus eine Schülerin oder ein Schüler regelmäßig und nicht nur ausnahmsweise oder vorübergehend die Schule tatsächlich besucht. Weiterhin ist die Rechtsprechung der Ansicht, dass sich bei einem theoretisch genau hälftigen Aufenthalt der Kinder an den Wohnorten beider getrennt lebender Eltern (sog. „Doppelresidenzmodell“ oder „Wechselmodell“) die Eltern schülerbeförderungsrechtlich auf die Bestimmung einer Wohnung einigen müssen, die dann die Grundlage für eine Übernahme der Schülerbeförderung bilde. Zwar bleibe es getrennt lebenden Eltern selbstverständlich unbenommen, die Betreuung ihrer Kinder im „Doppelresidenzmodell“ durchzuführen, die dadurch entstehenden Mehrkosten kön-nen aber nicht auf die Träger der Schülerbeförderung abgewälzt werden. Die Sicherstellung der Schülerbeförderung diene der Wahrung der Chancengleichheit und der Durchsetzung des Bildungsanspruches der Kinder. Diese Grundsätze seien umfassend gewahrt, wenn die Schülerbeförderung nur von einem der beiden Wohnsitze aus übernommen wird.
Frage 2:
Gibt es Möglichkeiten, dass die Landeshauptstadt München die zusätzli- chen Kosten (anteilig) übernimmt?
Antwort:
Grundsätzlich kann die Landeshauptstadt München als zuständiger Aufgabenträger auf freiwilliger Basis Fahrtkosten, die von den gesetzlichen Rahmenbedingungen nicht erfasst sind, übernehmen. In der Schülerbeförderung werden grundsätzlich nur die notwendigen Fahrten im Sinne des SchKfrG übernommen. Sollte sich die Stadt als Aufgabenträger dazu entschließen, Ausnahmen zuzulassen, so ist zu erwarten, dass auch für andere Sonderfälle die freiwillige Übernahme der Fahrtkosten gefordert wird und so der Kreis der Anspruchsberechtigen in einem nicht überschaubaren Umfang zunimmt und die daraus resultierenden Kosten unkalkulierbar hoch werden.
Zudem ist zu beachten, dass der Freistaat Bayern den Kommunen im Rahmen des Vollzuges des SchKfrG pauschalierte Zuwendungen in Höhe von ca. 60 Prozent der Gesamtkosten gewährt. Freiwillige Leistungen der Kommunen, außerhalb der gesetzlichen Festlegungen müssen durch diese zu 100 Prozent selber getragen werden. Die freiwilligen Leistungen sind nicht zuweisungsfähig.
Frage 3:
Kann über den Bayerischen Städtetag eine Anpassung der geltenden ge- setzlichen Regelungen im Sinne des o.g. Sachverhalts angeregt werden?
Antwort:
Dies wäre möglich. Jedoch ist nicht zu erwarten, dass der Gesetzgeber die schülerbeförderungsrechtlichen Grundlagen in Bezug auf das hier angesprochene „Doppelresidenzmodell“ ändert.
Das Bayerische Staatsministerium für Unterricht und Kultus führte im Rahmen einer Petition an den Bayerischen Landtag (KMS vom 29.6.2011, Az.: II.6-5 S 4365.0/248/14) bereits aus, dass eine Rechtsänderung dahingehend, künftig einen Beförderungsanspruch der Kinder von beiden Wohnorten der getrennt lebenden Eltern zu gewähren, systemwidrig sei und zu erheblichen Mehrkosten führe, die überdies konnexitätsrelevantseien. Das Staatsministerium lehne daher eine entsprechende Änderung ab. Weiterhin sei die Kostenfreiheit des Schulwegs kein verfassungsrechtlicher Anspruch. Die öffentliche Schülerbeförderung sei gestaltet als eine Art Grundversorgung, um jeder Schülerin bzw. jedem Schüler eine ihren bzw. seine Anlagen und Fähigkeiten entsprechende schulische Ausbildung zu gewährleisten, ohne dass dies an einem fehlenden Beförderungsnetz oder den Kosten scheitere. Der Staat sei aber nicht verpflichtet und könne dies auch gar nicht leisten, im Wege einer Rundumversorgung für alle individuellen Härten und Lebensentscheidungen spezielle Hilfen zur Schülerbeförderung bereitzustellen.
Abschließend möchte ich Sie darauf hinweisen, dass die bereits beschlossene MVV-Tarifstrukturreform und die Einführung des erweiterten Innenraums (sog. „Zone M“) in vielen Fällen der Erziehung der Kinder im Wechselmodell zu einer Entlastung der Eltern führen wird. Hat eine Schülerin oder eine Schüler einen Anspruch auf Schülerbeförderung, kann er oder sie mit der Schülerfahrkarte, die die Zone M umfassen wird, vom gesamten Stadtgebiet aus zur Schule fahren, unabhängig davon, ob die Eltern in einer gemeinsamen Wohnung leben oder nicht.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten.