Müssen Stiftungsimmobilien mit ihrer Mieterhöhungspraxis der Mietpreisspirale folgen und immer zu Höchstpreisen verkauft werden?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Herbert Danner, Anna Hanusch und Thomas Niederbühl (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 6.12.2018
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 6.12.2018 führen Sie Folgendes aus:
„Viele Menschen bringen ihre Immobilien – im besten Willen Gutes zu tun – in Stiftungen ein oder vererben sie an gemeinnützige Organisationen. Diese sehen sich dann gezwungen, die Immobilien möglichst gewinnbringend zu verwerten. Häuser und Grundstücke werden dann zu Höchstpreisen verkauft und Mieter heraussaniert – alles um den wohltätigen Zwecken von Stiftungen und gemeinnützigen Organisationen gerecht zu werden. Bezahlbarer Wohnraum geht verloren und neuer – bezahlbarer – Wohnraum kann nicht entstehen, weil Wohnungen und Grundstücke regelmäßig zu Höchstpreisen verkauft werden.
Die Stiftungsverwaltung München ist mit über 200 betreuten Stiftungen die größte kommunale Stiftungsverwaltung in Deutschland.“
Das Ergebnis einer Abstimmung mit der Stiftungs- und Kommunalaufsicht bei der Regierung von Oberbayern, die auch die von Ihnen aufgeworfenen Fragestellungen tangierte, wurde abgewartet, um die Ergebnisse berücksichtigen zu können. Mit Schreiben vom 18.12.2018 wurde Sie daher um eine Fristverlängerung bis zum 28.2.2019 gebeten.
Zu Ihrer Anfrage vom 6.12.2018 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Gilt die städtische Mietpreisbremse auch für Stiftungsimmobilien?
Antwort:
Die Stiftungsimmobilien gehören nahezu ausschließlich zum Bereich der Vermögensverwaltung (gesetzlich verankert in Art. 6 BayStG für rechtsfähige Stiftungen und Art. 84 BayGO für nichtrechtsfähige Stiftungen) der jeweiligen Stiftung. Das bedeutet, dass aus den Immobilien im Rahmen einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung angemessene Erträge für den jeweiligen Stiftungszweck erwirtschaftet werden müssen.Die Überlassung von Wohnungen der Stiftungen erfolgt daher auf der Basis des qualifizierten Mietspiegels, der die örtliche Vergleichsmiete in München abbildet.
Nach Art. 75 Abs. 2 Satz 1 BayGO bildet dieser grundsätzlich die Untergrenze für die Nutzungsüberlassung bei Wohnungen. Die Ausnahme des Art. 75 Abs. 2 Satz 2 BayGO ist nur für die Überlassung von Immobilien einschlägig, die zum Hoheitshaushalt der Kommune gehören.
Die Regelung findet keine Anwendung auf Stiftungsvermögen, das treuhänderisch verwaltet wird. Einen Spielraum für eine generelle Festlegung der Überlassung unterhalb der durch den Mietspiegel festgelegten ortsüblichen Vergleichsmiete ist aufgrund der Vorgaben zur ordnungsgemäßen Verwaltung von Stiftungsvermögen somit nicht möglich.
Eine Ausnahme zu o.g. Grundsatz ist lediglich in den wenigen Fällen gegeben, in denen die Nutzung der Immobilie Zweck der Stiftung ist (z.B. Altenheime und Kinderheime) oder eine andere spezielle Stiftervorgabe bzgl. der Nutzung einer Immobilie besteht.
Diese skizzierten Rahmenbedingungen nach denen die Vermietung des von der Landeshauptstadt München treuhänderisch verwalteten Stiftungsimmobilienbestandes erfolgt, entspricht nach Abstimmung der Regierung von Oberbayern als Stiftungs- und Kommunalaufsicht nach wie vor den kommunalrechtlichen Vorgaben des Art. 75 BayGO bzw. des Art. 84 BayGO bei nichtrechtsfähigen Stiftungen.
Die städtische Mietpreisbremse sieht vor, die Kappungsgrenze bei Mieterhöhungen im frei finanzierten Bestand auf maximal 10 Prozent in 5 Jahren zu begrenzen (bislang rechtlich möglich: 15 Prozent in 3 Jahren) und bei Mieterhöhungsverlangen eine Mietobergrenze von 90 Prozent des aktuellen Mietspiegels festzulegen.
Bezogen auf die Stiftungsimmobilien würde dies dazu führen, dass sich die Mieten dauerhaft unterhalb der durch den Mietspiegel festgelegten ortsüblichen Vergleichsmiete bewegen würden. Eine derartige Deckelung der Mieterträge ohne eine rechtlich zwingende Vorgabe würde nicht mehr den Vorgaben einer ordnungsgemäßen Verwaltung des Stiftungsvermögens entsprechen und wäre somit nicht mehr durch den gesetzlich vorgegeben Ermessensspielraum abgedeckt.
Frage 2:
Wie viele Wohneinheiten (bzw. Flächen mit Wohnbaurecht) sind Eigentum von Stiftungen, die die Stiftungsverwaltung München betreut?
Antwort:
Zum Stichtag 31.12.2018 standen 588 Wohneinheiten (davon 7 Wohneinheiten außerhalb des S-Bahnbereichs von München) im Eigentum der vom Sozialreferat verwalteten Stiftungen. Abgesehen von kleinen Grundstücken, meist bebaut mit einem Ein- bzw. Zweifamilienhaus, die sich für eine Nachverdichtung eignen, verfügen die Stiftungen über keine Flächen mit Wohnbaurecht.
Frage 3:
Wie viele davon wurden in den letzten 5 Jahren veräußert?
Antwort:
In der Zeit von 1.1.2014 bis 31.12.2018 wurden 20 Stiftungsimmobilien, überwiegend im Rahmen der Nachlassabwicklung, verkauft. Es handelte sich hierbei um 18 Eigentumswohnungen und zwei Eigenheime, wobei die beiden Eigenheime und fünf Eigentumswohnungen sich außerhalb von München befanden.
Frage 4:
Muss dies nach Stiftungsrecht stets zu Höchstpreisen erfolgen, oder wäre es beispielsweise auch möglich, bebaubare Flächen nach einer Konzeptvergabe zu vergeben?
Antwort:
Grundsätzlich ist das Grundstockvermögen von Stiftungen ungeschmälert zu erhalten (Art. 5 Abs.2 BayStG bzw. Art. 84 Abs.2 BayGO).
Wenn sich eine Stiftung aus Gründen der Wirtschaftlichkeit von einer Immobilie trennen muss, ist wiederum im Rahmen der ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung dafür zu sorgen, dass die Vermögensumschichtung dieser Vorgabe Rechnung trägt und das Vermögen vollständig erhalten bleibt.
Für die Kommune gilt bei der Verwaltung ihrer Stiftungen zudem der Art. 75 BayGO, der in Abs.1 Satz 2 festlegt, dass Vermögensgegenstände in der Regel nur zu ihrem vollen Wert veräußert werden dürfen.Aus diesen Gründen wird bei Veräußerungen von Stiftungsimmobilien grundsätzlich folgendermaßen vorgegangen:
Zum einen wird vorab im Regelfall ein Bewertungsgutachten über den Verkehrswert der Immobilie bzw. den Erbbauzins eingeholt. Dieses stellt grundsätzlich die Untergrenze für die Veräußerung dar (Art. 75 Abs. 1 Satz 2 BayGO).
Nach Nr. 3 der Bekanntmachung des Staatsministerium des Innern vom 15.5.1992 über die Veräußerung kommunaler Vermögensgegenstände wird Kommunen dringend empfohlen regelmäßig nur nach öffentlicher Ausschreibung zu veräußern. Entsprechend dieser Empfehlung werden Stiftungsimmobilien öffentlich nach den städtischen Vorgaben ausgeschrieben. Die Ausschreibung erfolgt grundsätzlich gegen Höchstgebot, da ein anderes Vergabekriterium aufgrund der Vorgaben einer ordnungsgemäßen Vermögensverwaltung nicht besteht. Die Anknüpfung an Auswahlkriterien, die sich aus der kommunalen Aufgabenerfüllung ergeben (wie z.B. sozialer Wohnungsbau, Gewerbeflächenprogramm, Architektur), wäre bei Stiftungen sachfremd und würde zu einer ermessensfehlerhaften Entscheidung führen, die bei einer Überprüfung zu einer Beanstandung führen würde. Ein grundsätzlicher Verzicht auf eine Ausschreibung von Stiftungsimmobilien ist damit nicht möglich.
Eine Ausschreibung gegen Festpreis erfolgt daher in der Regel nur, wenn sich herausstellt, dass eine Ausschreibung gegen Höchstgebot zu keinem Ergebnis geführt hat.
Die dargestellte grundsätzliche Vorgehensweise bei der Landeshauptstadt München bei der Veräußerung von Stiftungsimmobilien spiegelt nach aktueller Abstimmung mit der Regierung von Oberbayern nach wie vor den kommunalrechtlich möglichen Rahmen wider.
Frage 5:
Kann die LH München diese Immobilien auch direkt erwerben und soziale Bindungen einpreisen?
Antwort:
Um einerseits dem Interesse der Stiftung an einer ordnungsgemäßen Verwaltung ihres Immobilienvermögens gerecht zu werden und andererseits dem Hoheitsbereich die Nutzung der Immobilien zur kommunalen Aufgabenerfüllung insbesondere den sozialen Wohnungsbau zu ermöglichen, wurde von der Vollversammlung am 1.7.2015 der Grundsatzbeschluss „Geförderter Wohnungsbau im Erbbaumodell für das Kommunale Wohnungsbauprogramm“ (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 03021) gefasst.
Nach diesem Modell überlässt die Stiftung im Bedarfsfall ihre Immobilie im Erbbaurecht dem Hoheitsbereich. Der Erbbauzins wird hier auf Basis des vollen Verkehrswerts des Grundstücks mittels eines Gutachtens ermittelt. Die Stiftung erhält so die Möglichkeit, marktgerechte, sichere und planbare Erträge zu erwirtschaften.
Der Hoheitsbereich kann im Gegenzug die Immobilie für alle Formen der Daseinsvorsorge nutzen. Alle bereits vorhandenen sozialen städtischen Grundstücksvergabemodelle können so ohne Anpassung an die Stiftungsbesonderheiten und Ausgleich evtl. der Stiftung entstehender Nachteile umgesetzt werden.
Mit dem Erbbaumodell wird eine klare Trennung der städtischen Interessen von den Stiftungsinteressen erreicht.
Die Direktvergabe an den Hoheitshaushalt zum Erbbauzins auf der Basis des vollen Verkehrswert ist ausnahmsweise zulässig, da zwar auf eine Ausschreibung verzichtet wird, jedoch gerade bei einem Erbbaurecht die Marktnachfrage deutlich gedämpft ist und die Stiftung mit der Stadt einen zuverlässigen und potenten Vertragspartner erhält, was neben den rein monetären Gesichtspunkten bei Erbbaurechten eine nicht unerhebliche Rolle spielt.
Dieses Modell wird auch von der Regierung von Oberbayern als rechtlich möglicher Weg gesehen. Entscheidend ist hierfür, dass der volle Verkehrswert für die Ermittlung des Erbbauzinses einfließt. Den Verzicht auf eine Ausschreibung lässt sich in diesem Modell rechtfertigen, da dieses dem Interesse der kommunalen Stiftungen an einer sicheren und wirtschaftlichen Vermögensverwaltung Rechnung trägt.
Über dieses Modell ist es möglich, dass die Landeshauptstadt München für ihre Aufgabenerfüllung direkt Stiftungsimmobilien erwirbt. Dieses Modell wurde bereits erfolgreich genutzt, um Stiftungsgrundstücke für Kinderbetreuungseinrichtungen und den sozialen Wohnungsbau dem Hoheitsbereich der Landeshauptstadt München zur Verfügung zu stellen.