Boomtown München – aber wie viele Menschen arbeiten für Niedriglohn oder machen unbezahlte Überstunden?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Cetin Oraner und Brigitte Wolf (Die Linke) vom 13.12.2018
Antwort Referat für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 13.12.2018 führten Sie als Begründung aus: „Die bayerische Bundestagsabgeordnete der LINKEN, Susanne Ferschl, teilte laut Meldung des Senders Bayern 2 am 30. November mit, dass auch in Bayern jeder sechste Vollzeitbeschäftigte mit einem Niedriglohn auskommen müsse. Dies gehe aus der Antwort der Bundesregierung auf eine ‚Kleine Anfrage‘ der Linksfraktion im Bundestag hervor. In Westdeutschland liege die Niedriglohngrenze bei 2.226 Euro. In Bayern fallen knapp 600.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer darunter, Frauen noch stärker als Männer.
Über eine weitere Kleine Anfrage der Linksfraktion und die Antwort der Bundesregierung wurde die Linken-Abgeordnete Jessica Tatti zitiert: 2017 wurden in Deutschland mehr als 2,1 Mrd. Überstunden geleistet, nur die Hälfte davon soll demnach vergütet worden sein. Auch in der Stadt München dürften sich diese Zustände widerspiegeln.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Gibt es Erkenntnisse über die Lohnstruktur der Beschäftigung in der Landeshauptstadt oder im Agenturbezirk München insbesondere in Hinblick auf den Anteil der Niedriglohnbezieher?
Antwort:
Die Lohnstruktur in der Landeshauptstadt München mit einem Vergleich der Jahre 2016 und 2017 gibt die folgende Tabelle zur Verteilung der sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten ohne Auszubildende (Kerngruppe) am Arbeitsort nach Klassen monatlicher Bruttoarbeitsentgelte wieder:Der Arbeitsmarktmonitor der Bundesagentur für Arbeit gibt für das Jahr 2017 ein Medianentgelt von 4.169 Euro/Monat in der Landeshauptstadt München an, in 2016 betrug der Wert 4.033 Euro/Monat.
Das bedeutet einen Anstieg des Medianentgelts in München um 3,4% und damit einen stärkeren Zuwachs im Vergleich zur Entwicklung des gesamtdeutschen Medianlohns von 3.133 Euro/Monat im Jahr 2016 auf 3.209 Euro/Monat in 2017 (eine Steigerung von 2,4%).
Bei einer genaueren Betrachtung der Veränderungen in der Lohnstruktur Münchens von 2016 bis 2017 fällt auf, dass die Anzahl der Personen in den unteren Entgeltklassen bis einschließlich 3.201-3.400 Euro/Monat ausnahmslos abgenommen hat. In die mit Abstand größte Klasse mit einem Entgelt von über 5.600 Euro/Monat fallen in 2017 rund 30% aller sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten der Kerngruppe in der Landeshauptstadt München. In dieser Entgeltklasse hat im Vergleich zu 2016 mit einem Zuwachs von 15.478 Personen (entspricht 9,5%) auch die größte Veränderung stattgefunden.
Zum Anteil von Niedriglohnbezieher*innen in München:
Als Niedriglohn gilt in Anlehnung an die Definition der OECD ein Entgelt, das weniger als zwei Drittel des Medianentgelts beträgt. Bezogen auf die bundeseinheitliche Niedriglohnschwelle im Jahr 2017 von 2.139 Euro liegen in der Landeshauptstadt München die monatlichen Bruttoentgelte von 64.064 sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten (entspricht 10,7%) unterhalb dieser Grenze. Der im Vergleich zu Gesamtdeutschland (19,8%), Westdeutschland (18,2%) und Bayern (15,9%) relativ geringe Anteil von Niedriglohnbezieher*innen in der Landeshauptstadt München ist vor dem Hintergrund eines insgesamt relativ hohen Lohnniveaus in München zu interpretieren.
Für Westdeutschland liegt die gültige Niedriglohnschwelle im Jahr 2017 bei 2.226 Euro/Monat. Die Anzahl der Beschäftigten im Niedriglohnsegment in München kann aufgrund der lediglich in Entgeltklassen zur Verfügung gestellten Tabelle nicht exakt bestimmt werden. Näherungsweise kann für die westdeutsche Niedriglohngrenze die Entgeltklasse 2.001-2.200 Euro/ Monat verwendet werden, danach wären in München 69.393 bzw. knapp 12% im Niedriglohnbereich beschäftigt.
Der münchenspezifische Niedriglohnschwellenwert kann auf Grundlage des lokalen Medianentgelts von 4.169 Euro/Monat im Jahr 2017 bestimmt werden und liegt bei 2.779 Euro/Monat.
Bei der Frage, wie viele der Beschäftigten in der Landeshauptstadt München unter diesem lokalen Schwellenwert entlohnt werden, können wiederum die Entgeltklassen aus der o.g. Tabelle herangezogen werden (2.601-2.800 Euro/Monat). Danach würden in der Landeshauptstadt München 131.548 bzw. knapp 22% zu den Niedriglohnbezieher*innen zählen.
Die Differenzierung nach Geschlecht zeigt für 2017 insgesamt ein Verhältnis von 61,3% männlichen zu 38,7% weiblichen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten. In den unteren Entgeltklassen sind Frauen bis einschließlich der Entgeltklasse 4.801-5.000 Euro/Monat überproportional häufiger vertreten. In den oberen Entgeltklassen sind Frauen dagegen unterrepräsentiert, am deutlichsten in der höchsten und zahlenmäßig größten (über 5.600 Euro/Monat), in der nur 22,6% Frauen sind (2016: 21,8%).
Bezugnehmend auf die o.g. westdeutsche bzw. münchenspezifische Niedriglohnschwelle liegt der Frauenanteil an allen Niedriglohnbezieher*innen jeweils bei rund 47%. Bei einem Gesamtanteil von 38,7% an allen SV-Beschäftigten, befinden sich Frauen demnach überproportional häufiger als Männer im Niedriglohnsegment.
Frage 2:
Wie ist die Aufteilung der Beschäftigung bezüglich Arbeitszeit, d.h. wie hoch ist der Anteil an Vollzeit-Arbeitsplätzen, wie verteilen sich die Anteile auf die unterschiedlichen Klassen von Teilzeitbeschäftigten, wie hoch ist der Anteil der Mini-Jobs?
Antwort:
Laut der Beschäftigungsstatistik der Bundesagentur für Arbeit (Stand: März 2018) arbeiten in der Landeshauptstadt München 649.065 bzw. 75% der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten in Vollzeit und 216.441 bzw. 25% in Teilzeit.
Insgesamt 152.319 Personen sind als geringfügig Beschäftigte (Minijobber) gemeldet, davon sind 77.769 ausschließlich und 74.550 im Nebenjob geringfügig beschäftigt.
Die Verteilung nach Geschlecht beläuft sich auf 90.130 (59,2%) Frauen und 62.189 (40,8%) Männer. Von den ausschließlich geringfügig Beschäftigten sind 48.630 (62,5%) Frauen und 29.139 (37,5%) Männer.
Frage 3:
Welche Daten gibt es über geleistete Überstunden und deren Bezahlung?
Antwort:
Für die Landeshauptstadt München konnten keine statistisch erfassten Daten zur Anzahl geleisteter Überstunden und deren Bezahlung ermittelt werden.
Für Bayern meldet das Statistische Bundesamt insgesamt ca. 120,6 Mio. geleistete Überstunden (das entspricht 1,2% an allen Arbeitsstunden) im Jahr 2016. Davon werden ca. 41,2 Mio. als bezahlte und ca. 79,4 Mio. als unbezahlte Überstunden ausgewiesen. Die Beantwortung der Frage zu bezahlten und unbezahlten Überstunden im Rahmen des Mikrozensus ist freiwillig, es wird daher von einer Untererfassung der Überstunden ausgegangen.
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.