Entwicklung des städtischen Erbbaurechts in München
Antrag Stadtrats-Mitglieder Anja Burkhardt und Hans Podiuk (CSU-Fraktion) vom 28.8.2018
Antwort Kommunalreferentin Kristina Frank:
In Ihrem Antrag vom 28.8.2018 bitten Sie um Auskunft zur Entwicklung des städtischen Erbbaurechts in München. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, erlaube ich mir, Ihren Antrag anstelle einer Stadtratsvorlage als Brief zu beantworten. Ihrer Fragestellung haben Sie folgenden Sachverhalt zugrunde gelegt:
„Mit Beschluss der Vollversammlung vom 15.3.2017 hat der Stadtrat beschlossen, dass städtische Grundstücke bevorzugt im Erbbaurecht vergeben werden sollen. In Einzelfällen haben Erbbaurechtsnehmer von schon länger laufenden Erbbaurechtsverträgen jedoch Schwierigkeiten, den geforderten Erbbauzins nach den regelmäßigen Anpassungen noch zahlen zu können.“
Zu den in Ihrem Antrag vom 28.8.2018 aufgeführten Punkten teile ich Ihnen Folgendes mit:
Punkt 1:
Dem Stadtrat wird dargestellt, wie sich die Anzahl der Erbbaurechte für Wohnungsgrundstücke im Einfamilienhaus-Bereich in den letzten Jahren entwickelt hat.
Antwort:
In unbedeutendem Umfang hat die Stadt bereits immer wieder Erbbaurechte vergeben, seit dieses Instrument vor rund 100Jahren geschaffen wurde, mit dem sozial schwächeren Bevölkerungsschichten die Möglichkeit zum Bauen gegeben werden sollte. In den 1980er-Jahren hat die Stadt im Rahmen eines Wohnraumbeschaffungsprogramms dann in großem Stil rund 1.250Einzelwohnungserbbaurechte bestellt. Die Stadt hat so zu einer Zeit, als für ein Bankdarlehen bis zu 11% Zinsen zu bezahlen waren, erfolgreich jungen Familien mit damals noch geringem Einkommen zu Wohneigentum verholfen. Auch später wurden noch in geringerem Umfang zum Beispiel in der Messestadt Grundstücke im Erbbaurecht vergeben. In Pasing wurden die Verträge zeitlich abgelaufener Erbbaurechte für Einfamilien-/Doppel-/Reihenhäuser verlängert.In der im Stadtratsantrag abgefragten Größenordnung verfügt die Stadt derzeit über 605 Erbbaurechte. Hierbei handelt es sich um vier Einfamilienhäuser, 68 Doppelhaushälften und 533 Reihenhäuser. Bislang wurden (nicht in den vorgenannten Zahlen enthalten) 18 Erbbaurechte dieser Größenordnung an die Erbbauberechtigten verkauft, Zwei sind mit Vertragsende an die Stadt zurückgefallen (wurden nicht verlängert). Hinzu kommen 35 Erbbaurechte dieser Größenordnung im auswärtigen Grundbesitz.
Punkt 2:
Weiter wird aufgezeigt, wie sich der Erbbauzins durchschnittlich entwickelt hat und welche Möglichkeiten der Gestaltung des Erbbauzinses es gibt.
Antwort:
Der Erbbauzins stellt in Verbindung mit der vereinbarten Anpassung an die Lebenshaltungskosten das angemessene Entgelt für die Hingabe des Erbbaurechts dar. Bemessungsgrundlage für den Erbbauzins war der Grundstückswert und der für Wohnnutzung einschlägige Erbbauzinssatz. Der Erbbauzins passt sich an, wenn seit der letzten Erhöhung mindestens drei Jahre vergangen sind und der Verbraucherpreisindex um in der Regel mindestens 5% gestiegen ist. Der Erbbauzins hat sich durchschnittlich jährlich um etwa die Inflationsrate im langjährigen Durchschnitt erhöht. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass sich ein wertgesicherter Erbbauzins nicht linear, sondern exponentiell entwickelt (Zinseszinseffekt).
Die tatsächliche Entwicklung des Erbbauzinses bei einem 1986 beurkundeten Erbbaurechtsvertrag sei am Beispiel eines Reihenmittelhauses in Freimann verdeutlicht: Der anfängliche jährliche Erbbauzins (zu zahlen in zwölf Monatsraten) belief sich im Jahr 1986 auf (umgerechnet von DM) rund 2.000 Euro und hat sich seither wie folgt erhöht: Im Jahr 1990 um 6,0%, 1994 um 14,8% (vergleichsweise hohe Inflationsrate in den 1990er-Jahren), 1997 um 5,9%, 2001 um 5,1%, 2005 um 6,2%, 2008 um 5,4%, 2012 um 6,5% und zuletzt 2017 um 5,2%. Der Erbbauzins beträgt heute aktuell jährlich rund 3.400Euro p.a., der Erbbauzins hat sich somit gegenüber dem ursprünglichen Erbbauzins in 32Jahren durchschnittlich um 1,7% p.a. erhöht.
Anzumerken ist, dass bei der wiederkehrenden Diskussion über eine übermäßige Belastung der Erbbauberechtigten durch steigende Erbbauzinsen zu berücksichtigen ist, dass die „Erbbauberechtigten der ersten Stunde“, sollten sie sich (wie vielfach schon erfolgt) entschließen, ihr Erbbaurecht weiterzuverkaufen, heute einen beträchtlichen Verkaufserlös (verglichen zum damals gezahlten Kaufpreis) erzielen würden, zumal die Bindungenausgelaufen sind und der potentielle Käuferkreis dadurch keinen diesbezüglichen Einschränkungen unterliegt.
Ein reduzierter Erbbauzins würde grundsätzlich eine nach Artikel 75 Gemeindeordnung verbotene Vergabe des Grundstücks unter Wert bedeuten. Ebenso muss die Stadt jede vertragliche Erhöhungsmöglichkeit nutzen, da sich andernfalls der Erbbauzins nachträglich reduzieren würde. Bei mehreren der in den 1980er-Jahren im Rahmen des Wohnraumbeschaffungsprogramms bestellten Erbbaurechte wurde der Erbbauzins einkommensabhängig ermäßigt, indem statt der damals im geförderten Wohnungsbau üblichen 4% des Bodenwertes nur 3% angesetzt wurden. Dies ist im Wohnungspolitischen Handlungsprogramm für die Jahre 2017 bis 2021, „Wohnen in München, VI“ nicht vorgesehen, vielmehr sind aber alle heute für Grundstücksverkäufe bestehenden Fördermodelle auch auf Erbbaurechtsvergaben anwendbar.
Punkt 3:
In diesem Zusammenhang wird dargestellt, welchen Unterstützungsbedarf und welche Unterstützungsmöglichkeiten es für bedürftige Erbbaurechtsnehmer gibt.
Antwort:
Der ursprüngliche soziale Zweck der Erbbaurechte bestand wie dargestellt darin, junge, finanziell schwache Familien bei der Erlangung von Wohneigentum zu unterstützen. Dieser Zweck wurde erfüllt. Die zehnjährigen Bindungen aus dem seinerzeitigen Wohnraumbeschaffungsprogramm der 1980er-Jahre sind lange abgelaufen. Bei der Vergabe neuer Erbbaurechte können selbstverständlich grundsätzlich alle Instrumentarien des geförderten Wohnungsbaus aus dem wohnungspolitischen Handlungsprogramm „Wohnen in München, VI“ angewendet werden.
Obwohl die anhand des Verbraucherpreisindexes berechnete prozentuale Steigerung des Erbbauzinses gemäß Paragraph9a des Erbbaurechtsgesetzes auf seine Billigkeit hin zu überprüfen ist, wird in der Regel vom Erbbauberechtigten subjektiv die Belastung aufgrund der stetigen Anpassungen als viel zu hoch empfunden. Noch stärker wirken sich die wiederkehrenden Erbbauzinsanpassungen aus, wenn die Erbbaurechtsnehmer aus dem aktiven Arbeitsleben ausscheiden und sich damit der finanzielle Spielraum einschränkt: Während Wohnungseigentümer in der Regel mit dem Renteneintritt schuldenfrei sind und sich den laufend steigenden Ausgaben für Wohnen nicht so ausgesetzt sehen, also die Finanzierung über Bankdarlehen nach Ablauf der vereinbarten Tilgungsfristen entfällt, steigtder Erbbauzins ohne Berücksichtigung des Individualeinkommens des Erbbauberechtigen weiter an. Die stabilisierende Wirkung von Wohneigentum als Altersvorsorge ist also beim Erbbaurecht zumindest eingeschränkt und kann im Einzelfall völlig entfallen.
Die Stadt bietet grundsätzlich auch für bedürftige Erbbauberechtigte Unterstützung an. Der Erbbauberechtige als Immobilieneigentümer kann beim Amt für Wohnen und Migration Wohngeld als Lastenzuschuss beantragen. Neben den Belastungen aus dem Kapitaldienst (zum Beispiel Zinsen, Tilgung, Grundsteuer) kann auch der Erbbauzins angerechnet werden. Hinzu kommen noch die Belastungen aus der Bewirtschaftung, zum Beispiel Instandhaltungskosten und Betriebskosten ohne Heizkosten. Insgesamt können diese Belastungen bis zur Höhe des jeweils für die Anzahl der Haushaltsmitglieder gültigen Höchstbetrages geltend gemacht werden. Weitere Informationen erhalten Erbbauberechtigte im Internetauftritt des Amts für Wohnen und Migration: http://www.muenchen.de/dienstleistungsfinder/muenchen/muenchen/10255951 .
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Damit ist die Angelegenheit abgeschlossen.