Versäumt die Stadt eine zukunftsfähige Lösung für das Fahrradparken am neuen Hauptbahnhof?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Anna Hanusch und Sabine Nallinger (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 2.3.2018
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(I) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 2.3.2018 haben Sie gemäß Paragraph 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird:
In Ihrer Anfrage führen Sie aus, dass nach der Inbetriebnahme der zweiten Stammstrecke die Zahl der Fahrgäste, die zum Umsteigen in die Innenstadt kommen, deutlich zunehmen wird. Fahrgäste, die für mittlere Strecken vom/zum Hauptbahnhof das Rad nähmen, könnten den Umsteigeknoten am Hauptbahnhof sofort nach dessen Fertigstellung deutlich entlasten. Dazu braucht es jedoch erheblich mehr Fahrradabstellmöglichkeiten am Hauptbahnhof als heute. Sie stellen deshalb dar, dass sich im Rahmen der aktuell – wegen der U9 – zu ändernden baulichen Planungen am Hauptbahnhof eine einmalige Gelegenheit ergäbe, hier nachzubessern und die Machbarkeit eines großen unterirdischen Fahrradparkhauses zu prüfen.
Frage 1:
Wie viele Fahrräder werden derzeit im Umfeld des Hauptbahnhofs abgestellt?
Antwort:
Erhebungen der Stadtwerke München beziehungsweise der Münchner Verkehrsgesellschaft (SWM/MVG) und der Landeshauptstadt München aus dem Jahr 2014 ergaben folgende Daten: Insgesamt wurden im Umfeld des Hauptbahnhofes 1738 abgestellte Fahrräder gezählt, davon circa 700 in Fahrradständern und circa 1000 „wild“ abgestellt, wobei zu diesem Zeitpunkt circa 746 fest installierte Fahrradabstellplätze vorhanden waren. In den Jahren zuvor wurden ähnliche Mengen an abgestellten Fahrrädern und angebotenen Stellplätzen gezählt.
Frage 2:
Wie viele Abstellmöglichkeiten gibt es derzeit im Hauptbahnhof beziehungsweise im Umfeld des Hauptbahnhofes?
Antwort:
Vor Beginn der Vorwegmaßnahmen zum Bau der zweiten Stammstrecke wurden nach eigener Zählung im Jahr 2017 circa 717 fest installierte Fahrradabstellanlagen ermittelt. Hinzu kommen circa 154 Abstellplätze, die sich mehr oder weniger auf freier Fläche verfestigt haben, aber keine baulichen Vorrichtungen aufweisen.
Durch die Baustelleneinrichtungsfläche der zweiten Stammstrecke sind von diesen insgesamt 871 Abstellplätzen bis jetzt bereits 120 Abstellplätze weggefallen. Weitere 188 Abstellanlagen und frei stehende Fahrradabstellplätze sind durch anderweitige Baumaßnahmen (unter anderem Sanierung der Tramgleise in der südlichen Dachauer Straße) im Umfeld des Hauptbahnhofes weggefallen.
Somit sind zum heutigen Zeitpunkt noch 563 Fahrradabstellplätze (inklusive der „verfestigten“ 50 Stellplätze ohne Bügel auf dem nördlichen Vorplatz) im Umfeld Hauptbahnhof vorhanden.
In den kommenden ein bis zwei Jahren muss damit gerechnet werden, dass weitere 441 Fahrradabstellplätze auf dem nördlichen sowie südlichen Vorplatz und im Starnberger Flügelbahnhof abgebaut werden. Somit stünden während der Bauzeit der zweiten Stammstrecke, des Empfangsgebäudes und des Starnberger Flügelbahnhofs lediglich rund 122 fest installierte Fahrradabstellplätze im Umfeld des Hauptbahnhofes zur Verfügung, weshalb zwingend die Schaffung weiterer Abstellmöglichkeiten an Ersatzstandorten erforderlich ist (siehe dazu Frage 4 und 5).
Frage 3:
Welcher Bedarf wird für die Zeit nach der Inbetriebnahme des zweiten Stammstreckentunnels geschätzt?
Antwort:
Eine derzeitige Planung geht von dem im Stadtratsbeschluss von 2015 (Sitzungsvorlagen Nr. 14-20 / V 02553, VV 29.04.2015) beschlossenen Wert aus: demnach sollen im Gesamtumgriff des Hauptbahnhofes, gegebenfalls auch im Gebäude, mindestens 3.000 Fahrradstellplätze geschaffen werden, da von einem Mindestbedarf in dieser Größenordnung ausgegangen wurde.
Frage 4:
Wie viele Abstellmöglichkeiten für Fahrräder wird es nach den derzeit aktuellen Planungen nach der Fertigstellung des Neubaus im Hauptbahnhof beziehungsweise im Umfeld des Hauptbahnhofes (gesichert) geben?
Antwort:
In den Gebäuden der Deutschen Bahn werden mindestens die laut Fahrradabstellsatzung der Landeshauptstadt München (FabS) vorgeschriebenen 360 Stellplätze errichtet, die nach der Nutzung innerhalb der Gebäude (Einzelhandel, Büros, etcetera) bemessen werden (160 Stellplätze bedingt durch den Neubau des Starnberger Flügelbahnhofs und 200 Stellplätze bedingt durch den Neubau des Empfangsgebäudes).
Die Landeshauptstadt München plant zusätzlich für den Zeitpunkt nach Fertigstellung der zweiten Stammstrecke, des Empfangsgebäudes und des Starnberger Flügelbahnhofs öffentlich zugängliche Fahrradabstellanlagen im Umfeld des Hauptbahnhofes.
Dafür wurden 2016 in einer Machbarkeitsstudie sechs Standorte auf ihre Eignung für witterungsgeschütze Fahrradabstellanlagen geprüft. (siehe Stadtratsbeschluss von 2016 „Neubau Hauptbahnhof München. Sachstand und Rahmenvereinbarung“ Sitzungsnummer 14-20 / V 07576)
Als technisch und finanziell relativ einfach realisierbar haben sich folgende zwei Standorte herausgestellt:
In der bisher ungenutzten Fußgängerunterführung Arnulf-/ Seidlstraße können nach aktuellem Planungsstand unterirdisch 350 Fahrradabstellanlagen entstehen. Die Fußgängerunterführung soll zu diesem Zweck saniert und so ausgestattet werden, dass der Transport der Räder in den Untergrund möglichst komfortabel geschehen kann und die Attraktivität, sowie das Sicherheitsempfinden gewährleistet sind. Ein Umbau der Unterführung und die Inbetriebnahme dieser Fahrradabstellanlage kann unabhängig von den Baumaßnahmen am Hauptbahnhof in den nächsten ein bis zwei Jahren erfolgen.
Nach derzeitigen Planungen wird zudem überlegt, am Flügel Arnulfstraße (Grundstück zwischen Paul-Heyse-Unterführung und Starnberger Flügelbahnhof) ein Fahrradparkhaus für überschlägig 1300 Fahrräder zu bauen. Derzeit befindet sich die Landeshauptstadt München in Verhandlungen mit der Deutschen Bahn Netz AG zur Nutzung des Grundstücks. Die Verfügbarkeit des Grundstücks steht in Zusammenhang mit den Baustelleneinrichtungsflächen der Baumaßnahmen der Deutschen Bahn.
Der untersuchte Standort des Luftgeschosses über dem Bahnsteig U4/ U5 in der Bayerstraße wurde im Rahmen der Machbarkeitsstudie aus technischen und finanziellen Gründen zunächst ausgeschlossen. Ein Umbau des Standortes zu einem Fahrradparkhaus würde für die Bauzeit eine komplette Sperrung entweder des U-Bahnbetriebs der Linien U4 und U5an diesem Bahnsteig oder eine Unterbrechung der Tram-Verbindung an der darüber liegenden Bayerstraße bedeuten.
Außerdem wurde die MVG-Tiefgarage auf dem südlichen Teil des Bahnhofplatzes als möglicher Standort für Fahrradabstellanlagen untersucht. Dabei wurden zwei Varianten ermittelt, bei denen bis zu 1560 Fahrräder Platz gefunden hätten. Nach aktuellem Sachstand ist die komplette Tiefgarage jedoch ausschließlich für Nutzungen der SWM, wie der Reparatur von Rolltreppen oder der Installation von Fernkälteanlagen, vorgesehen.
Lange Zeit gab es darüber hinaus Überlegungen, dass bei einer Entscheidung zugunsten des Baus der U9 die Bunkeranlagen unter den Vorplätzen Nord und Süd erneut auf ihre Nutzbarkeit für Fahrradabstellanlagen geprüft werden. Die bisherige Planung sieht allerdings nicht vor die Bunkeranlagen anzutasten, weshalb von Seiten der MVG auch dort derzeit kein weiteres Potential für Radabstellmöglichkeiten gesehen wird.
Zeitnah soll daher in Gesprächen zwischen dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung und den SWM sowie dem Referat für Wirtschaft geklärt werden, ob nicht eine Nutzungsverlagerung an andere Standorte dazu beitragen kann, ausreichend Radabstellmöglichkeiten in direkter Nähe zum Hauptbahnhof zu schaffen.
Mehrere zunächst aussichtsreiche Standorte für das Fahrradparken haben sich somit im Rahmen der Machbarkeitsstudie als technisch und ökonomisch (gemessen an den Kosten pro Abstellplatz) nicht realisierbar herausgestellt. Deswegen soll dem Stadtrat zeitnah eine Beschlussvorlage zum Sachstand des Fahrradparkens im Umfeld des Hauptbahnhofs unterbreitet werden, mit der sich das Referat für Stadtplanung und Bauordnung für die Durchführung weiterer vertiefender Machbarkeits- und Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen durch ein Ingenieurbüro beauftragen lassen möchte.
Frage 5:
Gibt es Überlegungen beziehungsweise Machbarkeitsstudien für zusätzliche Radlparkplätze oder eine Fahrradservicestation in diesem Bereich?
Antwort :
Eine Fahrradservicestation soll im Fahrradparkhaus am Flügel Arnulfstraße integriert werden.
Zusätzlich sollen nach Abschluss der Baumaßnahmen dezentral oberirdisch im Umfeld des Hauptbahnhofs Fahrradabstellanlagen errichtet werden. Während der Bauzeit werden weitere temporäre Fahrradabstellanlagen benötigt. Hierzu prüft das Referat für Stadtplanung und Bauordnung derzeit mehrere Standorte im öffentlichen Straßenraum.