Building Information Modeling – werden neue digitale Planungsverfahren gefördert?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Ulrike Boesser, Anne Hübner, Hans Dieter Kaplan, Renate Kürzdörfer, Haimo Liebich, Bettina Messinger, Christian Müller, Heide Rieke, Jens Röver und Christian Vorländer (SPD-Fraktion) vom 4.10.2018
Antwort Baureferentin Rosemarie Hingerl:
Wir bedanken uns für die gewährte Fristverlängerung.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Das Building Information Modeling (BIM) ist eine Methode, Bauwerke anhand eines beständigen, digitalen Gebäudemodells über ihren gesamten Lebenszyklus mit all ihren relevanten Informationen abzubilden. Das Gebäudemodell wird dabei über den gesamten Planungsprozess von allen Projektbeteiligten mit Informationen angereichert und unterstützt so eine bessere Planung, Ausführung sowie spätere Bewirtschaftung des Gebäudes. Entgegen konventioneller Planungsmethoden werden die Daten über den gesamten Projektzeitraum kontinuierlich aufgebaut, so dass frühzeitig festgestellt werden kann, ob das Projekt in Bezug auf Konstruktion, Zeit-, Material- und Kostenplanung realistisch und effizient umzusetzen ist. Zentrales Ziel ist dabei stets Bauprojekte durch integrale Planungsprozesse wirtschaftlich, ressourceneffizient und nachhaltig zu gestalten. Die Digitalisierung wird auch für die Bau- und Planungsbranche weitreichende Veränderungen mit sich bringen. Um im internationalen Wettbewerb nicht den Anschluss zu verlieren, sollten digitale Planungsverfahren (BIM) forciert und gefördert werden.“
Ihre Fragen beantworten wir wie folgt:
Frage 1:
Ist die Methode, zum Beispiel des BIM, bekannt und wird sie bereits eingesetzt? Wenn ja, wo und für welche Vorhaben (Planungsreferat, Baureferat, Wohnungsbaugesellschaften, MRG usw.)?
Frage 2:
Gibt es bereits Erfahrungen mit konkreten Projekten des BIM oder mit anderen digitalen Planungsverfahren?
Antwort:
BIM ist eine Methode zur digital vernetzten, integrierten Planung, Bauausführung und Bewirtschaftung (Lebenszyklus) von Gebäuden anhand eines einzigen, von allen Beteiligten genutzten, dreidimensionalen Gebäudemodells, in welchem sämtliche Informationen über Quantitäten, Qualitäten, Kosten, Termine hinterlegt sind. Dieses sogenannte 5 Dimensionen (5D)-Datenmodell muss über den gesamten Lebenszyklus des Gebäudes akribisch gepflegt werden, damit sich die generierbaren Informationen automatisch anpassen bzw. stets aktuell sind. Eine einheitliche, international gleichwertige BIM-Definition existiert gegenwärtig noch nicht.
Sowohl dem Baureferat als auch dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung sowie den städtischen Wohnungsbaugesellschaften und der MRG ist BIM bekannt. In den laufenden Projekten kann BIM aber noch nicht als durchgängiges Planungsinstrument eingesetzt werden.
Bei den Bauprojekten der Landeshauptstadt München wird standardmäßig die CAD Planungsgrundlage verwendet, die als eine erste Stufe für BIM gewertet werden kann (in Großbritannien wird dies als BIM-Level 2 bezeichnet). Als Austauschplattform zwischen den Planungsbeteiligten werden webbasierte, passwortgeschützte Projektkommunikationssysteme verwendet.
Im Baureferat wurde 2015 der Versuch unternommen, die Instandsetzung des Altstadttunnels mittels BIM-Methode durchzuführen. Trotz erfahrenem und leistungsfähigem Planungsbüro und Verwendung einer bewährten Software-Anwendung war der Austausch der riesigen Datenmengen aber technisch nicht hinreichend möglich, so dass geeignete Planunterlagen nicht zuverlässig aus dem BIM-Modell zu erzeugen waren. Der Versuch musste abgebrochen werden, es erfolgte die Rückkehr zu einer konventionellen CAD Planung.
Frage 3:
Welche Chancen werden gesehen, zum Beispiel Beschleunigung von Planungsverfahren oder Kostenersparnis?
Frage 4:
Welche Risiken werden gesehen, zum Beispiel Marktausschluss kleinerer Anbieter von Fachplanungen?
Antwort:
Die Durchführung der Planung mit einem einzigen, allumfassenden, gemeinsamen Datenmodell verbessert natürlich die Koordination aller Beteiligten und erfasst die Auswirkung von Änderungen im Datenmodell schnell und umfänglich. Auch die Nutzung der enthaltenen Raumdaten sowie der Daten der technischen Gebäudeausrüstung erleichtert in der Betriebsphase den Aufbau und die Durchführung des Facility-Managements. Allerdings lassen die gegenwärtig vorliegenden Erkenntnisse zur Einführung von BIM praktisch noch keine Kostenersparnisse oder Beschleunigungen von Planungsverfahren erkennbar werden.
BIM stellt sehr hohe Anforderungen an die digitale Ausstattung und die Leistungsfähigkeit der Online-Verbindung. Das betrifft die Bereitstellung einer geeigneten Hard- und Software und seine Bedienung durch Spezialisten. Zudem ist der Internetzugang zum Datenpool und seine OnlineÜbertragungsleistung von elementarer Bedeutung, damit der notwendige umfassende Austausch großer Datenmengen stattfinden kann. Firmen und Büros in Regionen ohne Zugang zu einem schnellen Internet können am BIM-Modell nicht teilnehmen.
Grundlage für BIM bilden zudem umfangreiche Datensammlungen zu Baudaten einzelner Bauteile und deren Kostenwerten. Die Datenformate müssen homogenisiert sein, damit ein Austausch der verschiedenen Akteure über definierte Schnittstellen erfolgen und die Auswirkung von Änderungen umfassend erfasst werden können. Diese Standards sind noch nicht ausgereift, weshalb vorerst noch mit erheblichen Problemen in der Zusammenarbeit aller Planungsbeteiligten mittels BIM gerechnet werden muss.
Hauptprotagonisten von BIM sind neben den Softwareherstellern derzeit große Baufirmen, die am internationalen Markt als Generalunternehmer und Generalübernehmer mit einem großen Bauvolumen tätig sind und wo bereits auf eine umfängliche Datensammlung zugegriffen werden kann. Sie versprechen sich von einem durchgängig eingesetzten BIM-System vor allem in der Koordination und Baudurchführung eine Effizienzsteigerung. Die aktuell einsetzbaren BIM-Modelle bevorzugen Großstrukturen und benachteiligen die Förderung und die Aufrechterhaltung mittelständischer Strukturen. 90% der deutschen Architektur- und Ingenieurbüros haben eine Größe von maximal 9 Mitarbeitern/innen. Diese müssten in Software-, Fortbildungs- und Personalkosten investieren, ohne die Gewähr einer Vergütung dieser Auslagen. Auf der Seite der Planungspartner (Architektur- und Ingenieurbüros) wird die BIM Methode deshalb überwiegend (noch) nicht eingesetzt.
Zudem stellen sich hinsichtlich der möglichen Einführung der BIM Planungsmethode weitere Fragestellungen, die zu klären sind:-Wird der bislang bei allen Verfahren praktizierte Wettbewerbsgedanke einer Trennung von Planung und Ausführung erschwert werden?
-Entsteht durch eventuell notwendige Umstrukturierungen des Vergabe- und Planungswesens ein vergaberechtlicher Klärungsbedarf und wären erhebliche Änderungen der Organisationstrukturen und der Planungsabläufe notwendig?
Die Architektenkammern und die Ingenieurkammern bemühen sich aktuell um die Klärung der honorarrechtlichen, haftungsrechtlichen und urheberrechtlichen noch völlig ungelösten Fragen sowie um die offenen Fragen zum Know-How-Schutz. In der aktuellen Honorarordnung für Architekten und Ingenieure ist BIM als Leistungsbild nicht vorhanden.
Die staatliche Bauverwaltung in Bayern, mit einem Bestand von 20.820 Gebäuden größter öffentlicher Immobilienbesitzer in Bayern, sondiert erst die BIM Planungsmethode. Sie erprobt aktuell anhand eines relativ kleinen Versuchsprojektes – die Erweiterung eines Fliegerarztgebäudes –, BIM als 5D-Modell im sogenannten Open-BIM-Verfahren.
Fazit:
Aufgrund der eigenen Erfahrungen, der dargestellten Erkenntnisse und der offenen Fragestellungen besteht vor einer Einführung von BIM als konsistentem, digitalem Gebäudemodell insgesamt noch erheblicher Klärungsbedarf. Für einen öffentlichen Bauherren ist BIM augenblicklich wegen der fehlenden Marktreife noch nicht wirkungsvoll einsetzbar.
Die Entwicklung schreitet aber stetig voran. Durch die Teilnahme an allen relevanten Informationsangeboten der berufsständischen Kammern, der Ministerien sowie der privaten Veranstalter, wie dem Netzwerkforum „bayern-innovativ“, wird die Entwicklung des BIM vom Baureferat interessiert und aufmerksam weiter verfolgt. Im Mittelpunkt steht dabei die Erkenntnis, ob, wann und in welcher Form die Verwendung von BIM in Zukunft einen wirtschaftlichen, organisatorischen, zeitlichen und prozesshaften Vorteil für die Landeshauptstadt München erbringen kann.