Rückforderung von Kleinbeträgen bei ALG ll Bezug – Zahlen des Jobcenters München
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Anja Berger, Jutta Koller und Oswald Utz (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 1.3.2019
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 1.3.2019 führen Sie Folgendes aus:
„Gemäß aktueller Berichterstattung der Süddeutschen Zeitung wurden im vergangenen Jahr durch die Jobcenter der Bundesagentur für Arbeit (BA) insgesamt 18 Millionen Euro an Kleinbeträgen bis 50 Euro von Menschen in ALG II-Bezug zurückgefordert. Die dadurch verursachten Verwaltungskosten liegen laut BA bei 60 Millionen Euro.
Rückforderungen können dabei vielfache Gründe haben. Beispielsweise, wenn Menschen eine Arbeit aufnehmen und gleichzeitig in ALG II-Bezug stehen, wenn sich Änderungen innerhalb von Bedarfsgemeinschaften ergeben, sich die Arbeitszeit oder das Gehalt von erwerbstätigen Arbeitslosengeld II-Bezieherinnen und -Beziehern ändert oder Boni durch Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber verteilt werden. Zur Vermeidung der unverhältnismäßigen Verwaltungskosten wird daher verstärkt die Einführung einer geeigneten Bagatellgrenze für Kleinbeträge gefordert.“
Zu Ihrer Anfrage vom 1.3.2019 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Liegen detaillierte Zahlen des Jobcenters München zur Höhe der Rückforderungen und der dadurch entstandenen Verwaltungskosten für die vergangenen drei Jahre im entsprechenden Zuständigkeitsraum vor?
Antwort:
Nach Paragraph 44b Abs. 4 SGB II können gemeinsame Einrichtungen (gE) Dienststellen der Agentur für Arbeit mit der Durchführung von Aufgaben beauftragen. Das Jobcenter München hat auf dieser Grundlage den Einzug offener Forderungen an die zuständige Dienststelle der Agentur für Arbeit übertragen. Forderungen des Jobcenters München werden daher vom Inkasso-Service der Agentur für Arbeit zentral in Recklinghausen durchgeführt. Auf Grundlage der Übertragung handelt die Agentur für Arbeit im Namen des jeweiligen Jobcenters. Sie setzt Bescheide über Stundung und Erlass im Rahmen der jeweils übertragenen Befugnisse und veranlasst Mahnungen und Niederschlagungen von Forderungen. Beinhaltet sind dabei auch die Bearbeitung von Widersprüchen sowie die Übernahme des Klageverfahren im Namen der jeweiligen gE. Sie beauftragt das jeweils zuständige Hauptzollamt mit der Vollstreckung der Forderung.
Das Jobcenter erhält jeweils quartalsweise Auswertungen über die Entwicklung und Zusammensetzung des Forderungsbestandes gegliedert
nach Finanzpositionen, Finanzstellen und getroffenen finanzwirtschaftlichen Entscheidungen. Weitere beziehungsweise Sonderauswertungen
werden nicht zur Verfügung gestellt.
Auf Basis der vom Inkasso-Service der Agentur für Arbeit zur Verfügung gestellten Auswertungen können folgende Angaben gemacht werden:
Forderungsbestand Jahreskosten des Jobcenters für den
jeweils zum 31.12. Einkauf Dienstleistung Inkasso
2016
Forderungsbestand jeweils zum 31.12.: 62,0 Mio. Euro
Jahreskosten des Jobcenters für den Einkauf Dienstleistung Inkasso: 340.000 Euro
2017:
Forderungsbestand jeweils zum 31.12.: 66,8 Mio. Euro
Jahreskosten des Jobcenters für den Einkauf Dienstleistung Inkasso: 391.000 Euro
2018:
Forderungsbestand jeweils zum 31.12.: 67,6 Mio. Euro
Jahreskosten des Jobcenters für den Einkauf Dienstleistung Inkasso: 377.000 Euro
Über den darin enthaltenen Anteil von Kleinstforderungen liegen dem Jobcenter keine Auswertungen vor.
Frage 2:
Wie positioniert sich das Jobcenter München zur Einführung einer Bagatellgrenze und welche Möglichkeiten zur Umsetzung sind im Falle der Unterstützung einer solchen Grenze auf kommunaler und nationaler Ebene gegeben beziehungsweise sollten ergriffen werden?
Antwort:
Hinsichtlich der ersten Geltendmachung einer Forderungen besteht derzeit keine Bagatellgrenze, mit der Folge, dass tatsächlich auch Kleinstbeträge zu Soll gestellt werden und eine erste Zahlungsaufforderung an die Schuldnerin beziehungsweise den Schuldner gerichtet wird.
Lediglich bei Forderungen bis 7 Euro erfolgt keine Mahnung. Das Hauptzollamt wird erst bei einer Forderung ab 36 Euro mit der Vollstreckung beauftragt.
Das Jobcenter München steht einer Bagatellgrenze positiv gegenüber und würde deren Einführung begrüßen. Der Erlass eines Aufhebungs- und Erstattungsbescheids ist für die Leistungssachbearbeitung im Jobcenter sehr verwaltungsaufwändig. Vor allem wenn Rechtsmittel in Form eines Widerspruchs oder einer Klage eingelegt werden und es sich nur um einen geringen Erstattungsbetrag handelt, stehen die damit entstehenden Kosten inkeinem Verhältnis. Die Einführung einer Bagatellgrenze für Überzahlungen würde sich nicht nur positiv auf Leistungsbezieherinnen und -bezieher auswirken, sondern auch zu einer Entlastung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Jobcenter sowie der Gerichte führen.
Da es sich jedoch um Forderungen von Bundesmitteln beziehunsgweise kommunalen Mitteln handelt, kann eine Regelung nur in Abstimmung beziehungsweise mit Zustimmung des Bundes (Bundesministerium der Finanzen und Bundesministerium für Arbeit und Soziales) und der Kommune erfolgen.
Damit eine Bagatellgrenze wirklich eine Verwaltungsvereinfachung darstellt und auch dem Gleichheitsgrundsatz entspricht, muss diese auf Umsetzbarkeit im täglichen Verwaltungshandeln, insbesondere bei atypischen Fallgestaltungen, geprüft werden. Ein „Schnellschuss“ könnte den Sinn und Zweck der Regelung ansonsten konterkarieren.
Die Landeshauptstadt München – Sozialreferat setzt sich schon seit längerer Zeit für die Einführung einer Bagatellgrenze im SGB XII-Leistungsbereich ein und hat sich diesbezüglich bereits im Jahr 2017 an dem Bayerischen Städtetag gewandt. Zum damaligen Zeitpunkt wurde die Angelegenheit nicht weiter verfolgt.
Das Sozialreferat hält aus Gründen der Verwaltungsökonomie eine Bagatellgrenze von 100 Euro unverändert für sinnvoll und beabsichtigt, die Thematik in einem Schreiben des Oberbürgermeisters an das Bundesministerium für Arbeit und Soziales für die Leistungsbereiche SGB II und SGB XII wieder aufzugreifen.