Schritt für Schritt zum gläsernen Patienten oder zu einer verbesserten Patientenversorgung durch ein digitalisiertes Gesundheitssystem?
Antrag Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer (Fraktion Bayernpartei) vom 9.10.2018
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Das Direktorium hat mir Ihren im Betreff genannten Antrag zur Bearbeitung zugeleitet.
Gemäß Ihrem Antrag Nr. 14-20 / A 04505 soll „die Landeshauptstadt München ein Hearing zu den aktuellen digitalen gesetzlichen Grundlagen im Gesundheitswesen (E-Health-Gesetze, elektronische Gesundheitskarte / Patientenakte, E-Medikationsplan, Videosprechstunde, E-Notfalldatenspeicherung usw.)“ durchführen. Es soll das Für und Wider der digitalisierten Gesundheitsziele diskutiert werden, die Chancen und Risiken möglicher digitaler Bewegungsprofile sollen erörtert werden und schließlich soll geklärt werden, welche Institutionen der Gesetzgeber vorgesehen hat, die aufgrund der EU-Datenschutzgrundverordnung eine verbindliche, unabhängige, der Fachlichkeit verpflichtete Aufsicht für den Verbraucher wahrnimmt.
Für die in Ihrem Antrag vom 09.10.2018 angeführten Sachverhalte besteht seitens der Landeshauptstadt München keine Zuständigkeit. Eine Klärung der aufgeworfenen Fragen ist nur auf Bundesebene möglich. Daher wird der Antrag im Folgenden mit diesem Schreiben beantwortet.
Das E-Health-Gesetz „schreibt einen konkreten Fahrplan für die Einführung nutzbringender Anwendungen und einer sicheren digitalen Autobahn im Gesundheitswesen vor.“1
Bisher wurden auf der Gesundheitskarte nur Stammdaten (Name, Anschrift, Versicherungsnummer usw.) gespeichert. Seit dem 1. Januar 2019 können mit Zustimmung des Patienten beziehungsweise der Patientin Notfalldaten und ein Medikationsplan auf der E-Card abgelegt werden. Spätestens bis zum 1. Januar 2021 ist dann die Einführung der elektronischen Patientenakte geplant. Sie soll nach ersten Plänen alle persönlichen Befund- und Verschreibungsdaten, Laborwerte, Röntgenbilder, Elektrokardiogramme und zum Beispiel auch die angewandte Medikation von niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte und Krankenhausärzten enthalten.Hauptziel der elektronischen Patientenakte ist, Ärztinnen und Ärzten alle für die ärztliche Behandlung und Entscheidungen relevanten Informationen zur Verfügung zu stellen und aktuell auf dem Laufenden zu halten. Damit sollen auch Doppeluntersuchungen vermieden werden. Mit der Möglichkeit, einen Medikationsplan anzulegen, erhofft sich der Gesetzgeber, die Gefahr von Wechselwirkungen zwischen Medikamenten zu minimieren. Dies ist vor allem für die komplexe Versorgung von Langzeitkranken, Schwerkranken und multimorbiden Patienten von Bedeutung. Das Erheben, Verarbeiten und Nutzen von Daten mittels der elektronischen Gesundheitskarte ist jedoch nur mit dem Einverständnis der Versicherten zulässig.2
Mit der Einführung der Telematikinfrastruktur soll die elektronische Datenübermittlung zwischen den Einrichtungen abgesichert und vor Zugriffen von Dritten geschützt werden. Medizinische Daten sollen, laut Bundesgesundheitsministerium, verschlüsselt auf der Karte abgelegt werden. Gelesen werden können die Daten nur, wenn gleichzeitig der Heilberufsausweis des Arztes und die Gesundheitskarte in das Kartenlesegerät eingeführt wird. Laut Bundesgesundheitsministerium entspricht diese „Ende-zu-Ende Verschlüsselung“ den Vorgaben des Bundesamtes für die Sicherheit in der Informationstechnik. Darüber hinaus müssen die Patienten und Patientinnen mittels einer Pin dem Zugriff des Arztes bzw. der Ärztin auf die Daten zustimmen (Ausnahme: Notfalldaten).3
Die oben genannten Kartenlesegeräte stehen derzeit noch nicht in allen Arztpraxen zur Verfügung, obwohl dies seit Jahreswechsel 2018 / 2019 vorgeschrieben ist. Auch die Krankenhäuser sind noch nicht mit den Lesegeräten ausgestattet.
Die Gesellschaft für Informatik ist unter anderem beauftragt worden, ein Sicherheitskonzept und die Vorgaben für den sicheren Betrieb der Telematikinfrastruktur zu erstellen und ihre Umsetzung zu überwachen. Hierbei hat sie die Interessen von Patienten zu wahren und die Einhaltung der Vorschriften zum Schutz personenbezogener Daten sicherzustellen.4 Insgesamt muss sie sich eng mit dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik und dem Bundesbeauftragten für den Datenschutz und die Informationsfreiheit abstimmen.
Seit 1. April 2017 können Online-Videosprechstunden für definierte Krankheitsbilder durchgeführt und abgerechnet werden5. Aus Sicht der Kassenärztlichen Bundesvereinigung kann die Videosprechstunde bei langen Anfahrtswegen oder nach einer Operation eine sinnvolle Hilfe sein. Voraussetzung für die Videosprechstunde ist eine schriftliche Einwilligung desPatienten oder der Patientin. Die Sprechstunde muss vertraulich sein, darf nicht aufgezeichnet werden und es darf keine Werbung eingeblendet werden. Zugelassen sind nur zertifizierte Videodienstanbieter. Ab 2020 soll das Fernverordnungsverbot für Arzneimittel aufgehoben werden, so dass auch innerhalb einer Videosprechstunde verordnet werden kann6.
Mit der Digitalisierung im Gesundheitswesen verbinden sich nicht immer positive Erwartungen, sondern auch Befürchtungen. Die Entwicklungen werden deswegen auch in der Münchner Fachöffentlichkeit bereits breit diskutiert, so zum Beispiel auf folgenden Fachveranstaltungen.
-Digitale Gesundheit und Pflege – die Zukunft ist jetzt!, Veranstalter Bayerisches Staatsministerium für Gesundheit und Pflege und Bayerische Telemedallianz, im März 2019
-18. Europäischer Gesundheitskongress in München, Veranstalter Health Care Bayern e.V. im Herbst 2018
-Fachtagung zur Digitalisierung im Gesundheitswesen, Veranstalter FOM Hochschule München im Frühjahr 2018
Der Gesundheitsbeirat der Landeshauptstadt München hat sich in diesem Jahr als Schwerpunktthema „Patientinnen-, Patientenorientierung“ gesetzt. In Folge wird sich die Gesundheitskonferenz, die am 9. Oktober 2019 stattfindet, mit dieser Thematik befassen. Hier werden sicherlich auch die Digitalisierung des Gesundheitswesens aus Patientensicht und die Chancen und Herausforderungen, die sich daraus ergeben, diskutiert werden.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1 Die neue elektronische Gesundheitskarte, http://www.bundesgesundheitsministerium.de
2 § 291 a, Absatz 5 , SGB V
3 Die neue elektronische Gesundheitskarte, http://www.bundesgesundheitsministerium.de
4 § 291 b, SGB V
5 /www.kvb.de/praxis/it-in-der-praxis/videosprechstunde 6 Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelverordnung, dass voraussichtlich ab Mitte 2019 in Kraft tritt.
6 Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelverordnung, dass voraussichtlich ab Mitte 2019 in Kraft tritt.