Information und Beratung für Menschen mit Pflegebedarf und Ange- hörige pflegebedürftiger Menschen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Simone Burger, Verena Dietl, Anne Hübner, Christian Müller und Dr. Constanze Söllner-Schaar (SPD-Fraktion) vom 11.12.2018
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
Nach Paragraph 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Sie beantragen, dass das Sozialreferat gemeinsam mit den Krankenkassen und dem Bezirk Oberbayern alle Informationen zu Versorgungsangeboten und Unterstützungsmöglichkeiten für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige vereinheitlichen soll, um damit Seniorinnen und Senioren sowie ihren Angehörigen einen noch besseren Überblick als heute zu ermöglichen. Dabei soll auf alle ambulanten, teilstationären und vollstationären Pflegeangebote, das Antragsprozedere bei Pflegekassen und Sozialhilfeträgern und begleitende Unterstützungsangebote eingegangen werden. Die städtisch bezuschussten Beratungsstellen für ältere Menschen und Angehörige sollen die wesentliche Grundstruktur der künftigen Beratungsmöglichkeiten bilden. Darüber hinaus soll zudem der städtische Internetauftritt auf www.muenchen.de um diese Informationen ergänzt werden, um die Suche nach entsprechenden Angeboten zu erleichtern.
Ihr Antrag bezieht sich damit auf Bereiche, die zum laufenden Zuschussbereich des Sozialreferates gehören. Dies trifft insbesondere auf die erwähnten Beratungsstellen sowie die von Ihrem Anliegen unmittelbar tangierte Münchner Pflegebörse, die ebenfalls durch das Sozialreferat bezuschusst wird, zu.
Der Inhalt des Antrages betrifft deshalb eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Artikel 37 Abs. 1 GO und Paragraph 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 11.12.2018 teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Bestehendes Angebot der Information und Beratung
In München besteht grundsätzlich und gewollt ein äußerst vielfältiges Angebot verschiedener Anlauf- und Beratungsstellen für ältere Menschen sowie für Pflegebedürftige und ihre Angehörigen. Zu nennen sind hier insbesondere die vom Sozialreferat bezuschussten Beratungsstellen für ältereMenschen und Angehörige, die erst kürzlich im Rahmen des Gesamtkonzepts Münchner Altenhilfe konzeptionell weiterentwickelt wurden. Hinzu kommen die „Fachstellen häusliche Versorgung (FhV)“ in den Sozialbürgerhäusern und die zum Teil durch das Sozialreferat kofinanzierten Fachstellen für pflegende Angehörige. Darüber hinaus wird auch in den derzeit 32 Alten- und Service-Zentren in München regelmäßig Beratung rund um das Thema „Alter und Pflege“ angeboten. Dieses vielfältige Angebot mit allen Adressen der verschiedenen Stellen und allen wichtigen Informationen und nützlichen Links (unter anderem auch zum Bezirk Oberbayern) ist auf folgenden Internetseiten zu finden:
-http://www.muenchen.de/beratung-aeltere-menschen
-http://www.muenchen.de/pflege-angehoeriger.
Die zentrale Informationsplattform im Internet zum Thema Pflege und Versorgungsmöglichkeiten in der Stadt sowie im Landkreis München bildet jedoch die gemeinsam von der Landeshauptstadt und dem Landkreis München finanzierte „Münchner Pflegebörse“ (http://www.muenchnerpflegeboerse.de).
Die Münchner Pflegebörse bietet in ihrem Online-Angebot insbesondere -die Adressen und Kontaktdaten aller öffentlich finanzierten Beratungsangebote zum Thema Alter und Pflege in München und im Landkreis,
-eine Übersicht über die wichtigsten Wohnformen im Alter,
-verschiedene Informationen zur Pflegeversicherung und zu den wesentlichen Leistungsbereichen (ambulante, teilstationäre, vollstationäre und gerontopsychiatrische Pflege),
-tagesaktuelle Informationen über freie Pflegeplätze (nach Leistungsbereich und regionalen Kriterien) und eine regionalisierte Übersicht über alle zugelassenen Pflegedienste in München und im Landkreis,
-weiterführende Informationen zum Thema „Demenz“, zur Versorgung schwerstkranker Menschen und von Menschen in der Sterbephase sowie
-Kontaktdaten und zum Teil Verlinkungen zu bestehenden regionalen Pflegebörsen (wie z.B. in Sendling oder in Giesing-Harlaching).
Damit bildet die Münchner Pflegebörse nach Ansicht des Sozialreferats die ideale Basis für die in Ihrem Antrag geforderte Sammlung aller relevanten Informationen rund um die pflegerische Versorgung in München.
Es ist jedoch zutreffend, dass es – wie Sie in Ihrem Antrag aufgeführt haben – im Bereich der Versorgung von Pflegebedürftigen neben denkommunalen bzw. kommunal finanzierten Strukturen noch zwei weitere wesentliche Akteure gibt, die hierbei noch mehr Berücksichtigung finden sollten: die Krankenkassen1 mit den angegliederten Pflegekassen und der Träger der Hilfe zur Pflege, der Bezirk Oberbayern. Solche Überlegungen führen damit unmittelbar zur Diskussion über eine mögliche Einrichtung von sog. „Pflegestützpunkten (PSP)“ in München.
In PSP soll das gesamte Leistungsspektrum der Beratung für pflegebedürftige Menschen und ihre Angehörigen an einem Ort koordiniert werden. PSP sollen bei der Vorbereitung und Organisation rund um die Pflege Unterstützung bieten. Sie sollen zudem eine effiziente Vernetzung aller Angebote für Pflegebedürftige vor Ort sowie in der Region ermöglichen und sollen darüber hinaus helfen, Grenzen zwischen den jeweils zuständigen Sozialleistungsträgern zu überwinden.
Gemeinsame Träger von PSP sollen daher die Kranken- und Pflegekassen (als Träger der Pflegeberatung nach Paragraph 7a SGB XI), die Bezirke (als Träger der Hilfe zur Pflege und der Eingliederungshilfe nach SGB XII) und die Kreise bzw. kreisfreien Städte (als Träger der Altenhilfe nach Paragraph 71 SGB XII) sein. Darüber hinaus ist die Einbindung weiterer Träger der Beratung von alten, pflegebedürftigen Menschen und Menschen mit Behinderungen (wie insbesondere der entsprechenden wohlfahrtsverbandlichen Einrichtungen) grundsätzlich möglich.
Die rechtliche Möglichkeit zur Einrichtung von PSP wurde bereits mit der Reform der Pflegeversicherung im Jahr 2008 (im sog. „Pflegeweiterentwicklungsgesetz – PWG“) geschaffen. In Bayern besteht die Grundlage zur Errichtung von PSP durch die Kranken- und Pflegekassen auf der Basis einer Allgemeinverfügung des Freistaates Bayern (vom 22.10.2009). Darauf aufbauend haben die Kranken- und Pflegekassen in Bayern mit den kommunalen Spitzenverbänden einen Rahmenvertrag zur gemeinsamen Umsetzung von Pflegestützpunkten geschlossen.
Aktueller Stand der Diskussion in Bayern
Statt der angestrebten ca. 60 Pflegestützpunkte wurden in Bayern, aufgrund erheblicher fachlicher Kritik an den rechtlichen Grundlagen sowie wegen organisatorischer und technischer Hürden bei der Umsetzung, lediglich neun PSP realisiert.
Auch weil es aus Sicht vieler Kommunen erheblichen Verbesserungsbedarf am Konzept der PSP gibt, wurde der oben genannte Rahmenvertrag durch die kommunalen Spitzenverbände inzwischen gekündigt. Die kommunalen Spitzenverbände in Bayern führen daher derzeit Verhandlungen mit den Landesverbänden der Kranken- und Pflegekassen über einen neuen Rahmenvertrag. Die Aussichten auf ein substanzielles Entgegenkommen der Kassen bezüglich der Anliegen der kommunalen Vertreterinnen und Vertreter sind derzeit noch unklar. Die entsprechenden Verhandlungen waren zum Zeitpunkt der Beantwortung Ihres Antrages noch nicht abgeschlossen.
Das neue Pflegestärkungsgesetz III (PSG III) räumt den Kommunen (in Bayern den Kreisen, den kreisfreien Städten und den Bayerischen Bezirken) zudem bis Ende 2021 ein sog. „Initiativrecht“ zur Einrichtung von PSP ein. Grundsätzlich müsste die kommunale Initiative zur Errichtung eines Pflegestützpunktes in München gemeinsam vom Bezirk Oberbayern (als zuständigem Sozialhilfeträger für die Hilfe zur Pflege) und von der Landeshauptstadt München ausgehen. Die Anwendung dieses Initiativrechts durch die Kommunen setzt jedoch eine landesrechtliche Regelung voraus, die in Bayern noch nicht vorliegt. Nach Informationen des Bezirks Oberbayern ist für diesen Schritt eine Änderung des bayerischen Ausführungsgesetzes für die Sozialgesetze (AGSG) notwendig.
Der Bayerische Bezirketag hat im Jahr 2018 angekündigt, Pflegestützpunkte in Bayern grundsätzlich ausbauen zu wollen. Das Hauptanliegen des Bezirks Oberbayern ist es, dadurch seine Präsenz mit eigenen Beratungsangeboten in der Fläche für die Bürgerinnen und Bürger in ganz Oberbayern zu erhöhen.
Das Amt für Soziale Sicherung steht derzeit wegen der (inzwischen erfolgreich abgeschlossenen) Übergabe der ambulanten Hilfe zur Pflege bereits in einem kontinuierlichen Austausch mit dem Bezirk und tauscht sich auch zur Thematik der PSP gemeinsam fachlich mit diesem aus. In diesem Zusammenhang wurde vom Bezirk Oberbayern bereits angedeutet, dass die LH München aufgrund der gut ausgebauten Beratungs-Infrastruktur der Altenhilfe und des Standorts der Bezirksverwaltung in der LH München derzeit nicht vorrangig einen Pflegestützpunkt benötigt.
Bestehende Beschlusslage zum Thema Pflegestützpunkte
Das Sozialreferat hat kurz nach der Einführung der Pflegestützpunkte im Jahr 2009 eine Vorlage zu dieser Thematik in den Sozialausschuss eingebracht (Vorlage Nr. 08 -14/V 02710 – „Neue Pflegestützpunkte der Krankenkassen und vorhandene kommunale Beratungsstrukturen – Doppelstrukturen vermeiden“ – Sozialausschuss vom 22.9.2009), in der auf die erheblichen Hemmnisse und Probleme bei der Umsetzung solcher Einrichtungen in München hingewiesen wurde.Da in in der LH München im Unterschied zu vielen anderen Kreisen und Städten bereits eine sehr differenzierte Infrastruktur im Bereich der Beratung und Information von alten und pflegebedürftigen Menschen besteht (s.o.), hat sich der Sozialausschuss seinerzeit bewusst gegen eine Umsetzung von Pflegestützpunkten in München ausgesprochen. Doppelstrukturen müssen auch künftig auf jeden Fall vermieden werden – gerade hinsichtlich des im Rahmen des Gesamtkonzepts Münchner Altenhilfe noch weiter ausgebauten, sehr vielfältigen Beratungsangebots in der LH München für ältere Menschen, Menschen mit Pflegebedarf und ihre Bezugspersonen.
Das Sozialreferat empfiehlt daher, die aktuellen Entwicklungen bezüglich der Pflegestützpunkte in Bayern noch abzuwarten und weiter zu beobachten. Gerade bezüglich der schwierigen Verhandlungen mit den Kassen sollten erst Erfahrungswerte aus anderen Kommunen analysiert werden. Derzeit liegen weder die angekündigten rechtlichen Grundlagen noch ein ausreichender fachlicher Konsens zwischen den beteiligten Organisationen vor, um ein solches Projekt mit erheblichen strukturellen und finanziellen Folgewirkungen seriös planen und umsetzen zu können.
Aktuell betrachtet das Sozialreferat die Errichtung eines Pflegestützpunkts unter den derzeitigen, dargestellten Rahmenbedingungen und in Anbetracht der sehr vielfältigen, erst ausgebauten Münchner Beratungsstruktur in München daher äußerst kritisch.
Aufnahme von Informationen der Kassen und des Bezirks Oberbayern – Weiterentwicklung der Münchner Pflegebörse
Das Anliegen Ihres Antrages (die Bündelung aller relevanten Informationen zum Thema Pflege – und damit auch die der Kassen und des überörtlichen Sozialhilfeträgers) – ist allerdings auch ein Anliegen des Sozialreferats. Gemeinsam mit dem Trägerverein für regionale soziale Arbeit e.V und dem Landkreis München wird derzeit bereits die Münchner Pflegebörse weiterentwickelt. Die Internetplattform soll (sowohl inhaltlich wie auch in sprachlicher Hinsicht) noch nutzungsfreundlicher und zielgruppenorientierter werden. Es wird daher aktuell ein Konzept für eine gemeinsame Internetseite für die Pflegebörse und die neu aufzubauende Hauswirtschaftsbörse erarbeitet, die künftig auch für den Abruf durch mobile Endgeräte geeignet sein wird. Im Konzept sind die aufgezeigten komplexen Strukturen der Kassen und der Anbieter zu berücksichtigen. Insbesondere im hauswirtschaftlichen Bereich besteht eine Unübersichtlichkeit und eine sehr breit gefächerte Angebots- und Preisstruktur. Auch die Leistungen der Pflegeversicherung wurden mit den im Laufe der Jahre erfolgten Gesetzesreformen immer weiter differenziert und sind daher für Pflegebedürf-tige und Angehörige häufig nicht selbsterklärend. Die Pflegebörse und die neu hinzukommende Hauswirtschaftsbörse sollen daher Orientierung und Erstinformationen in der bestehenden Angebotsvielfalt geben. Der Start des neuen Auftritts ist derzeit für Ende 2019 vorgesehen.
Häufig ist über die Sammlung von Informationen im Internet hinaus jedoch zusätzlich noch eine weitergehende Beratung zu Detailfragen sowie zur individuellen Entscheidungsfindung erforderlich. Diese wird in München von den bereits benannten Einrichtungen (Beratungsstellen etc.) erbracht. Eine vollständige Vereinheitlichung der Informationen zu Versorgungsangeboten und Unterstützungsmöglichkeiten für Pflegebedürftige und pflegende Angehörige ist allerdings leider nicht möglich, da das Sozialreferat weder die Öffentlichkeitsarbeit der 54 geöffneten gesetzlichen Kranken- und Pflegekassen in Bayern, den über 40 privaten Krankenkassen noch die des Bezirks Oberbayern inhaltlich beeinflussen kann.
Das Sozialreferat aktualisiert darüber hinaus jedoch die Inhalte der eingangs benannten stadteigenen Internetseiten regelmäßig und nimmt Verbesserungsvorschläge auf. So wurde inzwischen bereits ein entsprechender Link zum Bezirk Oberbayern und den wichtigen Broschüren des Bezirks Oberbayern zum Thema Pflege (https://www.bezirk-oberbayern.de/Soziales/Menschen-mit-Pflegebedarf) eingefügt.
Mit den dargestellten Maßnahmen soll dem berechtigten Anliegen, die komplexen Informationen und Beratungszugänge zu den verschiedenen Hilfen im Alter und bei Pflegebedürftigkeit in München möglichst kompakt und übersichtlich zur Verfügung zu stellen, künftig noch besser entsprochen werden.
Ich hoffe, damit hinreichend auf Ihr Anliegen eingegangen zu sein. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.
1Es gibt derzeit in Bayern 54 geöffnete gesetzliche Kranken-Pflegekassen, die in fünf unterschiedlichen Kassenarten gegliedert sind. 16 Kranken-Pflegekassen haben Geschäftsstellen in München. Darüber hinaus gibt es über 40 private Krankenkassen.