„Rettet die Bienen“ – Programm zum Insektenschutz auflegen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl, Mario Schmidbauer und Andre Wächter (Fraktion Bayernpartei) vom 12.2.2019
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Mit Schreiben vom 12.2.2019 haben Sie den folgenden Antrag gestellt, der dem Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) zur Bearbeitung zugeleitet wurde.
Nach Paragraph 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Artikel 37 Abs. 1 GO und Paragraph 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weil er für die Stadt keine grundsätzliche Bedeutung hat und keine erheblichen Verpflichtungen erwarten lässt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher rechtlich nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag vom 12.2.2019 darf ich Ihnen Folgendes mitteilen: Der Antrag greift ein Thema auf, das sich zurecht zunehmenden Medieninteresses erfreut, seit neue Befunde zum Rückgang der Insekten aus der sogenannten „Krefelder Studie“ vorliegen. Diese belegte erstmals, dass es nicht nur um den seit langem bekannten Artenschwund, sondern um einen ebenso Besorgnis erregenden Rückgang der Insekten-Biomasse, also deren Häufigkeit, geht. Während hierzu speziell für München keine vergleichbaren Daten verfügbar sind, liegen zum Rückgang der Artenvielfalt für einige Insektengruppen wie Wildbienen, Tagfalter und Heuschrecken vergleichsweise gute Daten vor. So wurden über 100 Wildbienenarten, 35 Tagfalter- und sechs Heuschreckenarten seit 25 Jahren nicht mehr beobachtet.
Andererseits ist nach den vorliegenden Daten davon auszugehen, dass aktuell in München noch über 200 Wildbienenarten, 64 Tagfalterarten und mindestens 32 Heuschrecken leben. Die Artenvielfalt ist damit für eine Großstadt noch sehr hoch. Bei anderen Insektengruppen, gerade bei den besonders artenreichen wie die Zweiflügler oder die Käfer, ist das aktuelle Arteninventar mangels ausreichender Untersuchungen nicht zu beziffern und über die Bestandsentwicklung liegen kaum Daten vor. Es dürften jedoch auch bei diesen Insektengruppen Rückgänge vorliegen. Das Referat für Gesundheit und Umwelt sieht daher Handlungsbedarf, den Insektenschutz in München zu intensivieren.
Die einzelnen Fachreferate der Stadtverwaltung waren in ihrem jeweiligen Zuständigkeitsbereich auch bisher schon bemüht, dem Insektenschutz imRahmen der bestehenden Möglichkeiten Rechnung zu tragen. Beispiele sind der Erhalt und die Pflege besonders wertvoller naturnaher Insektenlebensräume oder die Planung von Kompensationsflächen speziell im Hinblick auf den Schutz bedrohter und seltener Insektenarten.
Die Stadtverwaltung beabsichtigt jedoch, ihre Anstrengungen zum Erhalt der Insekten in ihrer Vielfalt weiter zu intensivieren. Dem Referat für Gesundheit und Umwelt ist der Schutz der Insekten, wie auch aller weiterer derzeit noch in München beheimateter Arten, ein großes Anliegen. Ein spezielles Programm für den (sektoralen) Schutz von Insekten besteht nicht und erscheint auch nicht sinnvoll. Grund ist, dass das umfangreiche Maßnahmenbündel der Biodiversitätsstrategie München, die am 19.12.2018 von der Vollversammlung des Münchner Stadtrats beschlossen wurde, den Insektenschutz vollumfänglich mit einschließt.
Es wurden darin alle Handlungsfelder analysiert, in denen die Stadtverwaltung direkt oder indirekt Einfluss auf den Erhalt und die Erhöhung der biologischen Vielfalt nehmen kann.
In der Strategie wurden strategische Handlungziele herausgearbeitet, aus denen nachfolgend die für den Insektenschutz besonders relevanten genannt werden sollen. Es ist geplant, unmittelbar mit der Umsetzung zu beginnen und über entsprechende Stadtratsbeschlüsse dafür notwendige
zusätzliche Ressourcen bei den Fachreferaten zu schaffen. Benefit-Effekte für Insekten aus der Biodiversitätsstrategie München:
-Handlungsfeld „Sicherung von Lebensräumen“:
Besonders nicht oder nur langfristig ersetzbare (Insekten-) Lebensräume und Artvorkommen sollen konsequent gesichert werden.
-Handlungsfeld „Erhalt und Optimierung des Biotopverbundes“:
Sicherung der für den Biotopverbund besonders relevanten Flächen als „ökologische Vorrangflächen“ in der Bauleitplanung. Davon profitieren u.a. ganz besonders Insekten mit geringer Mobilität (z.B. nicht flugfähige Arten).
-Handlungsfeld „Pflege städtischer Biotopflächen“:
Durch zusätzliches speziell dafür ausgebildetes Personal des Baureferates soll eine kleinräumig differenzierte Pflege ermöglicht werden, so dass z.B. durch Belassen von Bracheanteilen mehr Rückzugsbereiche für mahdempfindliche Insekten bzw. für deren Überwinterung zur Verfügung stehen oder durch zeitlich versetzte Mahd blütenbesuchenden Insekten über möglichst lange Zeiträume das nötige Blütenangebot zur Vefügung steht.-Handlungsfeld „Pflege nicht-städtischer Biotopflächen“:
Durch Aufstockung der Mittel für das Projekt „Pflege Münchner Biotope“ soll die differenzierte, insektengerechte Pflege auf zusätzliche Flächen dauerhaft erweitert werden. Auf den Projektflächen führt der Landesbund für Vogelschutz e. V. mit Fördermitteln des Referates für Gesundheit und Umwelt eine optimale Pflege durch, von der unzählige Insektenarten profitieren. Es handelt sich dabei um besonders wertvolle Flächen, bei denen die Eigentümer nicht zur notwendigen Pflege verpflichtet werden können, diese aber zulassen.
-Handlungsfeld „Anlage und Pflege von Kompensationsflächen“: Die Effizienz für den Insektenschutz kann bei städtischen Kompensationsflächen durch eine differenziertere Pflege weiter gesteigert werden. Hierfür ist zusätzliches, speziell geschultes Personal notwendig.
-Handlungsfeld „Ersatzhabitate schaffen“:
Lässt sich der Verlust wertvoller Insektenlebensräume durch bauliche Entwicklungen nicht vermeiden, ist ein sogenannter „funktionaler Ausgleich für Habitatverluste“ anzustreben, bei dem insbesondere für im Bestand rückläufige Arten gezielt Ersatzlebensräume geschaffen werden.
-Handlungsfeld „Prozessschutz – Wildnis wagen“:
Auf Flächen, die zumindest zeitweise nicht anderweitig benötigt werden, soll Wildwuchs zugelassen werden. Gerade viele Insektenarten besiedeln nur ganz bestimmte Stadien der Vegetationsentwicklung. Für den Insektenschutz von geradezu herausragender Bedeutung ist es, die Entwicklung von Alt- und Totholz in Wäldern sowie Parks an bezüglich der Verkehrssicherung unproblematischen Stellen vermehrt zuzulassen, da hieran ganz besonders viele Insektenarten leben.
-Handlungsfeld „Artenhilfsprogramme und -projekte“:
Für Arten, die mit den anderen genannten Maßnahmen nicht ausreichend im Bestand verbessert werden können, sind spezielle Artenhilfsmaßnahmen und -projekte erforderlich. Die bereits laufenden Maßnahmen für Helm-Azurjungfer und Dunklen Wiesenknopf-Ameisenbläuling, zwei sogar europaweit vorrangig schützenswerte Arten, sollen fortgeführt werden. Zusätzliche Artenhilfsprogramme sind gemäß Strategie zunächst für 14 Insektenarten vorgesehen, denen später weitere folgen sollen.
-Handlungsfeld „Biodiversität im öffentlichen Grün“:
Darüber hinaus sollten alle Möglichkeiten zur biologischen Aktivierung öffentlicher Grünflächen in Bereichen mit geringer Nutzungsintensitätgenutzt werden. Pilotprojekte sind hier die „Schaffung von Wildblumenwiesen“ und das Projekt „Wildbienen – hoch bedroht und unverzichtbar“, in denen der Landesbund für Vogelschutz e. V. bzw. die Deutsche Wildtierstiftung e. V. mit dem Baureferat und dem Referat für Gesundheit und Umwelt kooperieren. Im Rahmen dieser Projekte werden in verschiedenen Bereichen der Stadt artenarme Grünflächen durch Pflegeextensivierung bzw. Einsaat standortangepasster Saatgutmischungen in artenreiche Wiesen umgewandelt. Ziel ist es jedoch, solche Maßnahmen künftig großflächiger umsetzen zu können. Eine höhere Artenvielfalt der Vegetation in Verbindung mit weniger häufiger Mahd ermöglicht eine reichere Insektenfauna.
-Handlungsfeld „Landwirtschaftliche Flächen aktivieren“:
Große Aufwertungspotenziale im Hinblick auf den Insektenschutz gibt es im Bereich der landwirtschaftlich genutzten Fluren. Während die Stadtgüter überwiegend bereits nach den Richtlinien des Ökolandbaus wirtschaften und die übrigen kommunalen Landwirtschaftsflächen bevorzugt an Ökolandwirte verpachtet werden, gibt es auf privaten Agrarflächen keine direkten Einflussmöglichkeiten. Eine Mehrung naturnaher Landschaftselemente wie z.B. dauerhafter Blühstreifen und Gewässerrandstreifen soll u.a. durch Beratungsangebote für private Landwirte erreicht werden. Dabei soll aber auch geprüft werden, ob eine höhere Akzeptanz staatlicher Programmangebote in puncto Biodiversität durch kommunale Förderung qualitätsverbessernder Maßnahmen erreicht werden könnte. Wichtig wäre zur Reduktion der Belastungsfaktoren (Überdüngung, Pestizideinsatz) auch eine erhebliche Ausweitung des Ökolandbaus. Derzeit werden gemeinsam mit den Landwirten Möglichkeiten ausgelotet (Runder Tisch, siehe Beschluss „Neues Förderprogramm ökologische Landwirtschaft in München“, Sitzungsvorlagen Nr. 14-20/V 11475).
-Handlungsfeld „Landwirtschaftliche Flächen aktivieren“:
Auch hier bestehen erhebliche Entwicklungschancen über das „Forstliche Förderprogramm“ und das „Vertragsnaturschutzprogramm Wald“, wenn eine verstärkte Nachfrage erreicht wird. Auch hier kann die Stadtverwaltung nur über aktive Beratung wirken.
-Handlungsfeld „Gewässerschutz und -renaturierung“:
Für Insekten, die sich in Gewässern oder an deren Ufern entwickeln, ist die weitere Renaturierung von Fließgewässern und Quellen von besonderer Bedeutung.-Handlungsfeld „Freiflächengestaltung und Gebäudebegrünung“: Durch die Erhöhung der qualitativen Standards in Bezug auf biologische Vielfalt bei Freiflächenbegrünung und Dachbegrünung (insb. höhere Substratstärken) sollen Verbesserungen für die Insektenfauna erreicht werden. Im Idealfall stellt sich nicht nur eine artenreichere Insektenfauna ein, sondern es können sich auch anspruchsvollere Arten ansiedeln. Je besser die Durchgrünung, desto weniger wirken sich dicht bebaute Bereiche als Barriere für den Austausch zwischen den Insektenpopulationen naturnaher Flächen aus.
-Handlungsfelder „Umweltbildung“ und „Öffentlichkeitsarbeit“: Das Bewusstsein über biologische Vielfalt soll im Rahmen der Bildung für Nachhaltige Entwicklung (BNE) mehr als bisher geschärft werden. Das Referat für Bildung und Sport und das Referat für Gesundheit und Umwelt erarbeiten hierfür ein Modul Biodiversität im Rahmen der BNE-Konzeption.
Printmedien zum Thema sind geplant. So befindet sich ein Flyer mit Tipps, was jeder Einzelne für mehr Biodiversität tun kann, bereits in Erarbeitung. Eine spezielle Broschüre zum Insektenschutz, wie im Antrag vorgeschlagen, ist nicht erforderlich, da Insekten als wichtiger Teil der gesamten Artenvielfalt mit abgedeckt sind. Im Übrigen finden sich auch in der vom Referat für Gesundheit und Umwelt geförderten und maßgeblich mit gestalteten Flyerreihe des Bund Naturschutz jeweils solche Tipps. Broschüren zu Tagfaltern, Heuschrecken, Libellen, sowie Bienen und Wespen liegen bereits vor und die Reihe soll weiter fortgesetzt werden. Weiterhin liegt ein inhaltlicher Schwerpunkt des vom Referat für Gesundheit und Umwelt geförderten und vom Münchner Landesbund für Vogelschutz durchgeführten Projektes „Klimawandel und Biodiversität“ in diesem Bereich. Nachdem bereits Themenschwerpunkte zu „naturnahem Gärtnern“ für GartenbesitzerInnen und zu den Möglichkeiten der Förderung biologischer Vielfalt für BalkonbesitzerInnen gesetzt und Informationsangebote erstellt wurden, sollen im kommenden Jahr Maßnahmen in städtischen und privaten Wohnanlagen in Fokus genommen werden.
Informationstafeln vor Ort in einigen wertvollen Insektenlebensräumen wurden im Rahmen dieses Projektes ebenso bereits realisiert. Geplant sind auch künftig Führungen zum Thema, sowie ein „Informationsnetzwerk Biodiversität“ mit zusätzlichen Informationsangeboten auch über Insekten. Eine Stadtratsvorlage, in der die geplanten Aktivitäten detaillierter dargestellt werden, ist in Bearbeitung.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass die Stadtverwaltung unter Federführung des RGU bereits ein umfassendes Konzept zum Schutz derbiologischen Vielfalt, das den Insektenschutz einschließt, erarbeitet hat und die skizzierten Handlungsziele im Rahmen der Umsetzung mit allen betroffenen Referaten intensiv verfolgt.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen von Ihrem Einverständnis aus, die Angelegenheit auf dem derzeitigen Stand als abgeschlossen zu betrachten und im Rahmen der Umsetzung der Biodiversitätsstrategie wie beschrieben weiter zu verfolgen. Der Antrag der Bayernpartei Nr. 14-20/A 04980 vom 12.2.2019 ist damit geschäftsordnungsmäßig erledigt.