Veränderung der Eckdaten im Münchner Nordosten – Auswirkungen auf die Infrastruktur?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Paul Bickelbacher, Herbert Danner, Katrin Habenschaden, Anna Hanusch und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – rosa liste) vom 6.3.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr.(l) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 6.3.2019 haben Sie gemäß Paragraph 68 GeschO eine Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie Folgendes aus:
„Da die Wettbewerbsteilnehmer/-innen immer beauftragt werden, Entwürfe für jeweils 10.000, 20.000 und 30.000 neue Einwohner darzustellen, wäre es für die Diskussion vor Ort bzw. für die bisherigen als auch die neuen Bewohnerinnen und Bewohner wichtig zu wissen, welche Infrastruktur von städtischer Seite bei welcher zukünftigen Einwohnerzahl vorgesehen wäre.“
Frage 1:
Worin unterscheiden sich die für die Personenzahlen 10.000, 20.000 und 30.000 jeweils erforderlichen und von der Landeshauptstadt München geplanten Infrastrukturmaßnahmen für den Münchner Nordosten (v.a. ÖPNV, Bildungsangebote, soziale Infrastruktur, Freizeitangebote, etc.) in Art und Umfang? Und wie wirkt sich die Personenzahl auf die Förderfähigkeit der ÖPNV Projekte durch Land und Bund aus, insbesondere der vorgesehenen U-Bahn in das Gebiet?
Antwort:
In der Auslobung des Ideenwettbewerbs wird unterschieden nach Gemeinbedarfsflächen, die ab 10.000 Einwohnerinnen und Einwohner bereitgestellt werden sollen und weiteren Gemeinbedarfsflächen, die abhängig von der zukünftigen Nutzungsdichte 10.000, 20.000 und 30.000 Einwohnerinnen und Einwohner sind.
Da das Gebiet und auch die angrenzenden Stadtviertel aktuelle Bedarfe hinsichtlich der Bereitstellung von städtischen Infrastrukturen aufweist, werden für den Ideenwettbewerb bereits ab 10.000 Einwohnern und Einwohnerinnen allgemeine Gemeinbedarfsflächen gefordert. Diese Flächen sind in gleicher Größe für die Nutzungsdichten von 20.000 und 30.000 Einwohnern und Einwohnerinnen erforderlich. Darunter fallen beispielsweisesoziale und kulturelle Einrichtungen (u.a. Kulturzentrum, Jugendzentrum, Pflegeeinrichtung und religiöse Einrichtung) und Freiflächennutzungen (Friedhof, Badesee, Flächen für den Pferdesport). Auch technische Infrastrukturflächen (u.a. Straßenreinigungsstützpunkt, Wertstoffhof, Betriebshöfe für Tram und Bus) werden im Grundsatz unabhängig von der Einwohnerzahl benötigt, da diese Flächen im Bestand schon vorhanden sind oder aber Bedarfe darstellen, die in den bestehenden Siedlungsgebieten aktuell keinen Platz finden. Diese Flächen dienen im Wettbewerb auch als Platzhalter, um flexibel auf zukünftige Bedarfe reagieren zu können. Der Bedarf im Bereich der Bildungseinrichtungen (Kindertagesstätten, Grundschulen, weiterführende Schulen) und Freizeit- und Sportnutzungen (Bezirkssportanlagen, Kleingärten, Krautgärten) ist grundsätzlich abhängig von der zukünftigen Zahl der Einwohnerinnen und Einwohner, aber hat zugleich auch Bedarfe aus den Bestandssiedlungen zu berücksichtigen.
Aktuelle Annahmen gemäß Auslobung zum Ideenwettbewerb:
Zur Förderfähigkeit der U4 in Abhängigkeit von der zukünftigen Einwohnerzahl ist darauf hinzuweisen, dass eine Nutzen-Kosten-Untersuchung für die ÖPNV-Projekte im Nordosten bislang noch nicht durchgeführt wurde. Daher können zum jetzigen Zeitpunkt keine Aussagen getätigt werden. Nach Erfahrungen des Referats für Stadtplanung und Bauordnung ist eine Förderfähigkeit nach GVFG allgemein für neue ÖV-Projekte in München nach den derzeitigen Bewertungskriterien schwer zu erreichen. Die U4, insbesondere deren Verlängerung bis zur Messestadt, soll aber vor allem auch der Verbesserung der Leistungsfähigkeit des gesamtstädtischen Netzes dienen.
Frage 2:
Wo liegen nach Ansicht des Planungsreferats die Vor- aber auch die Nachteile in der Entwicklung durch a) eine Weiterführung des Prozesses als geplante Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme oder b) ohne dieses Instrumentarium und damit mit den momentan zur Verfügung stehenden Möglichkeiten (SoBoN)?
Hier soll bei der Beantwortung insbesondere auch auf das Ziel der Schaffung eines möglichst hohen Anteils an (dauerhaft) bezahlbarem Wohnraum eingegangen werden.
Antwort:
Die beiden genannten Instrumente der „Städtebaulichen Entwicklungsmaßnahme“ und der SoBoN sind Verfahren, die der Umsetzung und der Finanzierung städtebaulicher Vorhaben dienen. Den Verfahren ist gemeinsam, dass die planungsbedingten Bodenwertsteigerungen (geringerer Wert vor der Entwicklung, höherer Wert nach der Entwicklung) zur Finanzierung der Folgekosten (bezahlbarer Wohnraum sowie verkehrliche und soziale Infrastruktur) dienen.
Die Städtebauliche Entwicklungsmaßnahme (SEM) ist ein Verfahren, das der Bundesgesetzgeber allen deutschen Kommunen als mögliches Instrument für die Entwicklung von großen gesamtstädtisch bedeutenden Gebieten mit mehreren bzw. einer Vielzahl von Eigentümern an die Hand gegeben hat. Die Sozialgerechte Bodennutzung (SoBoN) ist ein eigens von der Stadt München in den 1990er Jahren entwickeltes Instrument, das vorrangig dazu dient, städtebauliche Verträge im Rahmen einer Baulandentwicklung innerhalb oder in Ergänzung des bestehenden Siedlungsgefüges und auf einer einheitlichen und transparenten Grundlage auszugestalten. Baulandentwicklungen nach SoBoN erfolgen in der Regel mit einem Grundstückseigentümer.
Im Ergebnis sind die wesentlichen Unterschiede zwischen den Instrumenten insbesondere wirtschaftliche Aspekte sowie der Anteil an gefördertem Wohnungsbau. Bei der SoBoN werden ursächliche Lasten aus den Bodenwertsteigerungen bis zu einem festgelegten Rahmen finanziert. So ist in der SoBoN geregelt, dass die ursächlichen Kosten für Grundschulen, Kindertagesstätten, Grün- und Verkehrsflächen sowie 40% geförderter bzw. preisgedämpfter Wohnraum durch die Bodenwertsteigerungen zu finanzieren sind. Das unternehmerische Risiko liegt dabei beim Grundstückseigentümer.
Bei größeren Baulandentwicklungen am Stadtrand entsteht aber ein deutlich größerer Erschließungsaufwand, der über die SoBoN bei weitem nicht abgedeckt wird. Daher wären bei einer SEM (mit Satzungsbeschluss) auch darüber hinaus gehende Kosten und Lasten, z.B. für weiterführende Schulen und für die grundsätzliche Erschließung von Gebieten sowie einhöherer Anteil an bezahlbarem Wohnraum aus den Bodenwertsteigerungen finanzierbar. Bei einer SEM wird der städtische Haushalt und auch der Steuerzahler daher weniger belastet. Bei einer förmlichen SEM mit Satzungsbeschluss besteht für die Kommune die Möglichkeit, planerische Ziele (z.B. bezahlbarer Wohnungsbau, soziale Infrastruktur) rechtlich gegenüber den Eigentümern durchzusetzen. Das Instrument gibt rechtlich aber auch klar vor, dass eine Entwicklung vorrangig kooperativ, d.h. mit städtebaulichen Verträgen erfolgen muss. Zu betonen ist, dass in München derzeit keine SEM mit Satzungsbeschluss vorliegt.