HPV-Impfungen zum Schutz vor Gebärmutterhalskrebs auch bei Mädchen mit Fluchthintergrund
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Kathrin Abele, Simone Burger, Anne Hübner, Haimo Liebich, Dr. Ingo Mittermaier, Christian Müller, Marian Offman, Julia Schönfeld-Knor, Dr. Constanze Söllner-Schaar und Christian Vorländer (SPD-Fraktion) vom 15.11.2019
Antwort Stephanie Jacobs, Referentin für Gesundheit und Umwelt:
Ihrer Anfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
„Viele Mädchen zwischen 9 und 18 Jahren erhalten eine HPV-Impfung, welche auch von der Krankenkasse bezahlt wird. Damit besteht ein Schutz gegen Gebärmutterhalskrebs. Die Impfung sollte vor dem 18. Lebensjahr vorgenommen werden. Nach Schätzungen des Robert-Koch-Instituts wird diese Impfung bei circa 30 bis 45% der Zielgruppe vorgenommen. Es handelt sich beim Gebärmutterhalskrebs um eine lebensgefährliche Erkrankung. Da der Anteil von Mädchen unter den geflüchteten Frauen besonders hoch ist, ergibt sich damit im Zusammenhang folgende Fragestellung zu HPV-Impfungen.“
Herr Oberbürgermeister Reiter hat mir Ihre Anfrage zur Beantwortung zugeleitet. Die Beantwortung ist mit der Gleichstellungsstelle für Frauen abgestimmt. Der Beantwortung Ihrer Fragen schicke ich einige allgemeine Erläuterungen voraus:
Aktuell empfiehlt die Ständige Impfkommission (STIKO) generell eine Impfung gegen HPV für alle Kinder und Jugendlichen im Alter von 9-14 Jahren. Spätestens bis zum Alter von 17 Jahren sollen versäumte Impfungen gegen HPV nachgeholt werden. Die vollständige Serie sollte vor dem ersten Sexualkontakt abgeschlossen sein.
Besonders in den ersten Jahren der sexuellen Aktivität werden HPV-Infektionen durch enge Haut- und Schleimhautkontakte übertragen und betreffen fast alle sexuell aktiven Menschen. In den meisten Fällen kann das Immunsystem die Infektion erfolgreich bekämpfen, gelegentlich kommt es jedoch unbemerkt zu persistierenden Infektionen, aus denen mit langjähriger Latenzzeit verschiedene Krebsvorstufen und – wenn unbehandelt – schließlich Krebs an Zervix, Vulva, Vagina, Penis sowie in der Oropharyngeal- und Analregion entstehen können. Diese zwar nur in einem kleinen Teil der Infizierten persistierenden Infektionen führen in Deutschland dennoch zu einer veritablen Krankheitslast von jährlich etwa 6.250 bzw. 1.600 HPV-bedingten Tumoren bei Frauen bzw. Männern.Erfolgt die HPV-Impfung rechtzeitig vor den ersten Sexualkontakten, können eine Infektion mit den meisten der HPV-Hochrisikotypen verhindert und mit hoher Wahrscheinlichkeit die Entstehung von Krebsvorstufen und Krebs vorbeugt werden. Die Erkenntnisse über die HPV-assoziierten Erkrankungen beim Mann und die bisher niedrigen Impfraten bei Mädchen lassen von der aktuellen Impfempfehlung einen besseren direkten Schutz der Jungen vor HPV-Infektionen und einen zusätzlichen indirekten Effekt auf das HPV-Infektionsrisiko der Mädchen erwarten. So kann, im Sinne der Geschlechtergerechtigkeit, die gesellschaftliche Verantwortung für eine Reduktion der HPV-Krankheitslast in Deutschland auf beide Geschlechter verteilt werden.
Geimpfte Personen sind darauf hinzuweisen, dass die Impfung mit den aktuell verfügbaren Impfstoffen zwar sehr lange aber nicht gegen alle potenziell onkogenen HPV-Typen schützt. Auch deshalb ist es wichtig, dass Frauen weiterhin gynäkologische Früherkennungsuntersuchungen in Anspruch nehmen.
Die gesetzlichen Grundlagen für Impfungen bei Asylbewerberinnen und Asylbewerbern ergeben sich aus dem Asylbewerberleistungsgesetz
(AsylbLG). Laut § 4 Abs. 3 AsylbLG haben alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber Anspruch auf alle von der STIKO empfohlenen Impfungen. Die Kosten für Impfungen werden erstattet, und Impfstoffe können aus dem zu Lasten des GKV bezogenen Sprechstundenbedarf entnommen
werden. Auf dieser Grundlage bietet das Referat für Umwelt und Gesundheit (RGU) Impfungen im Rahmen des infektiologischen Erstscreenings nach § 62 Asylgesetz an. Der Fokus liegt entsprechend der STIKO-Empfehlungen zur Priorisierung von Impfungen bei Flüchtlingen auf der Grundimmunisierung (Diphterie, Tetanus, Keuchhusten, Polio) und der Verhinderung von Ausbrüchen impfpräventabler Infektionskrankheiten (Masern, Windpocken).
Alle Asylbewerberinnen und Asylbewerber erhalten darüber hinaus einen Impfplan. Die nötigen Folgeimpfungen sind im Impfausweis gekennzeichnet.
Asylbewerberinnen und Asylbewerber ab einer Aufenthaltsdauer von 18 Monaten, die sich ohne wesentliche Unterbrechung im Bundesgebiet aufhalten und sofern sie die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben, erhalten regelmäßig Leistungen analog Sozialgesetzbuch XII (SGB XII). Sie sind zwar weiterhin formal leistungsberechtigt nach dem AsylbLG, doch es werden die einschlägigen Vorschriften desSGB XII analog auf sie angewandt. Dadurch gehen sie in die Betreuung einer gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) über und sind Mitgliedern der gesetzlichen Krankenversicherung faktisch gleichgestellt. Dies trifft auf die Mehrheit der in München in staatlichen oder städtischen Unterkünften untergebrachten Flüchtlinge zu.
Im Folgenden kann ich die einzelnen Punkte Ihrer Anfrage wie folgt beantworten:
Frage 1:
Werden in den staatlichen und städtischen Flüchtlingsunterkünften in München für Mädchen zwischen 9 und 18 Jahren HPV-Schutzimpfungen angeboten? Wenn ja, wer übernimmt die Kosten?
Antwort:
Das Impfangebot im Rahmen der Erstuntersuchung beinhaltet keine Impfung gegen HPV. Diese sollte nach Abschluss der Grundimmunisierung erfolgen. Die medizinische Versorgung der Bewohnerinnen und Bewohner in staatlichen und städtischen Unterkünften erfolgt durch die niedergelassene Ärzteschaft. Die Asylsozialarbeit und der aufsuchende Dienst des RGU vermitteln Kinder an kinderärztliche Praxen, welche dann auch für das Impfen zuständig sind. Über die Quote an durchgeführten HPV-Impfungen in der Zielgruppe liegen keine Daten vor. Die Impfleistung selbst wird über das Sozialreferat abgerechnet.
Frage 2:
Wenn ja, wie hoch ist der Anteil der Mädchen, die geimpft werden?
Antwort:
Siehe Antwort Frage 1.
Frage 3:
Wenn in den Flüchtlingsunterkünften bisher keine Schutzimpfungen vorgenommen wurden, wie ist dies unter gesundheitspolitischen Gesichtspunkten zu bewerten? Gibt es dann Überlegungen von städtischer und staatlicher Seite, Schutzimpfungen künftig anzubieten? Die Kostenübernahme ist dabei zu klären!
Antwort:
Die HPV-Impfung hat sich in mehreren Ländern mit hohen Impfraten (z.B. Australien, Schottland) als effektiv erwiesen und sollte allen Asylbewerbe-rinnnen und Asylbewerbern der Alterszielgruppe zur Verfügung stehen. Allerdings ersetzt sie nicht die Notwendigkeit der Vorsorgeuntersuchungen.
Da die HPV-Impfung als Standardimpfung von der STIKO empfohlen wird, ist die Kostenübernahme klar geregelt und kann von allen betreuenden niedergelassenen Ärztinnen und Ärzten durchgeführt werden.
Das Impfzentrum des RGU wird ab 2020 subsidiäre Impfungen, einschließlich der HPV-Impfung, anbieten. Für die Impfaufklärungen werden – sofern notwendig – Dolmetscherinnen und Dolmetscher hinzugezogen. Dies ist zwar kein Angebot in den Unterkünften, aber es steht den Bewohnerinnen und Bewohnern frei, dieses Angebot zu nutzen. Die Gesundheits- und Krankenpflegefachkräfte des aufsuchenden Dienstes des RGU informieren über diese Möglichkeit.
Frage 4:
Da laut Ständiger Impfkommission (STIKO) auch Jungen zwischen dem 9. und 18. Lebensjahr gegen HPV geimpft werden sollen, sind auch diese in die Überlegungen einzubeziehen.
Antwort:
Die bestehenden Angebote stehen selbstverständlich auch den Jungen offen.