Die demografische Entwicklung führt dazu, dass zunehmend mehr Personen pflegebedürftig werden. Der Bedarf an professioneller pflegerischer Versorgung steigt. Gleichzeitig herrscht schon jetzt ein gravierender Mangel an Fachkräften im Pflegebereich und die Kosten für die Betroffenen steigen. Bürgermeisterin Verena Dietl und Sozialreferentin Dorothee Schiwy fordern deshalb umfassende Reformen der Pflege auf Bundesebene.
Bürgermeisterin Verena Dietl: „Gerade die Corona-Pandemie hat noch einmal deutlich gezeigt, wie wichtig gut qualifizierte Pflegekräfte und optimal ausgestattete Pflegeeinrichtungen sind. Deshalb muss den beruflich Pflegenden auch über die Corona-Pandemie hinaus dauerhaft eine angemessene Wertschätzung entgegengebracht werden. Ausreichend Personal und Ausstattung kosten aber natürlich Geld. Insbesondere im stationären Bereich führen die hohen Eigenanteile deshalb oftmals dazu, dass Betroffene ihr ganzes Angespartes aufbrauchen müssen, um diese Kosten zu decken. Pflege wird so zum Armutsrisiko. Das muss auf Bundesebene dringend geändert werden.“
In München lag der Eigenanteil für die Pflege laut städtischem „Marktbericht Pflege“ Ende 2018 bereits bei 1.124 Euro − mit weiter steigender Tendenz. Der Gesamt-Eigenanteil für die Bewohnerinnen und Bewohner, also inklusive der selbst zu tragenden Kosten unter anderem für Unterkunft und Verpflegung, lag in München sogar bei rund 2.400 Euro. Die Landeshauptstadt München fordert deshalb eine Senkung der Eigenanteile in der Pflege und mittelfristig einen Wechsel zu einer Pflegevollversicherung mit gedeckelter Eigenbeteiligung. Bei der Begutachtung von pflegebedürftigen Personen sollte eine aufwändige pflegerische Versorgung besser gewichtet werden und die Finanzierung dieses höheren Bedarfs aus Steuermitteln erfolgen. Zudem sollte die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege auch in der vollstationären Pflege durch die Krankenversicherung erfolgen.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Der kommunale Einfluss auf die Pflege ist leider sehr begrenzt. In Deutschland ist die Versorgung von pflegebedürftigen Menschen nach den Prinzipien eines freien Marktes und Wettbewerbs organisiert. Dieses Prinzip stößt jedoch angesichts der Herausforderungen im Bereich der Pflege zunehmend an Grenzen. Es gibt zum Beispiel kaum feste Kurzzeitpflege-Plätze zur Entlastung der Angehörigen, weil sich dieses Angebot für die Einrichtungen nicht rechnet. Auch und gerade vor dem Hintergrund der Corona-Pandemie stellt sich deshalb die Frage, ob zur Bewältigung solcher Herausforderungen eine stärkere öffentliche Steuerung der pflegerischen Versorgung nicht effektiver wäre.“ Die Landeshauptstadt München fordert zudem eine bessere Bezahlung aller beruflich Pflegenden und die tarifliche Gleichstellung von Langzeitpflege und Akutpflege im Krankenhaus, um die Rahmenbedingungen gleicherma-ßen attraktiver zu gestalten. Bislang werden Pflegende in der Akut- oder Krankenpflege besser entlohnt als die Kolleginnen und Kollegen in der Langzeitpflege („Altenpflege“). Dies führt schon jetzt zu einer Abwanderung der Fachkräfte vom einen in den anderen Bereich. Im Zuge der Einführung der „Generalistischen Pflegeausbildung“ könnte sich die Gefahr verschärfen, dass die Mehrheit der generalistisch ausgebildeten Absolventinnen und Absolventen in die Akutpflege wandert und der Langzeitpflege daher die entsprechenden Mitarbeitenden fehlen.