Aktivitäten und Überprüfung des Hanauer Attentäters in München
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Dominik Krause und Angelika Pilz-Strasser (Fraktion Die Grünen – Rosa Liste) vom 10.3.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Auf Ihre Anfrage vom 10.3.2020 nehme ich Bezug. Sie haben folgenden Sachverhalt vorausgeschickt:
„Der Todesschütze von Hanau hatte nach Angaben von Generalbundesanwalt Peter Frank eine ‚zutiefst rassistische Gesinnung‘. Frühere Mitschüler und Ex-Arbeitskollegen schildern ihn – laut Medienberichten – als eine schwer gestörte Persönlichkeit, einen Rassisten, der unter Verfolgungswahn litt. Vor dem Attentat hatte sich der Täter über viele Jahre in Bayern aufgehalten. Von 2014 bis 2019 lebte der Attentäter laut Medienberichten fünf Jahre lang in München-Obermenzing zur Untermiete. Seit Juli 2013 besaß der spätere Todesschütze eine Waffenbesitzkarte, die er bei der Kreisverwaltungsbehörde des Main-Kinzig-Kreises beantragt und eine Genehmigung erhalten hatte. Laut Medienberichten müssen sich die In- haber einer solchen Waffenbesitzkarte einer dreijährlichen Überprüfung unterziehen, dies fällt in den Zeitraum, in dem der Attentäter in München gelebt hat. In der Waffenbesitzkarte waren zwei Waffen eingetragen (eine SIG Sauer 226 und eine Walther PPQ M2). Ob Tobias R. diese Waffen für die Morde nutzte, ist noch unklar, auf jeden Fall konnte er für seine Tat auf die Erfahrung im Umgang mit diesen legal in seinem Besitz befindlichen Waffen zurückgreifen. Laut Medienberichten trainierte der Täter regelmäßig von 2014 bis Ende vergangenen Jahres im Schießsportverein ‚Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406‘, dessen Hürden für den Eintritt hoch seien: es müssen zwei langjährige Mitglieder für jeden Neuzugang bürgen. Laut Website des Vereins wird er durch das städtische Referat für Bildung und Sport gefördert.“
Aufgrund Ihrer Anfrage wurden auch Stellungnahmen des Referates für Bildung und Sport, des Polizeipräsidiums München, des Main-Kinzig-Kreises sowie der „Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406“ (HSG) eingeholt. Zu den im Einzelnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
„War Tobias R. für den Zeitraum, in dem er in München gelebt hat, beim Münchner KVR gemeldet? Falls nein: wieso nicht?“
Antwort:
Herr Tobias R. hatte zu keinem Zeitpunkt seinen Haupt- oder Nebenwohnsitz in München angemeldet. Von 2014 bis 2019 war sein Wohnsitz nur in Hanau gemeldet. In einem Schreiben der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises vom 23.5.2017 wurde Herrn Tobias R. mitgeteilt, dass er sich in München anmelden müsse, falls er in München Waffen aufbewahren sollte. [Anm. des Kreisverwaltungsreferates München: Mit Urteil des Verwaltungsgerichtes Köln vom 9.12.2010 (Az: 20 K 577/09) wurde festgelegt, dass die melderechtliche Situation nicht maßgeblich für die zu treffenden Feststellungen im Rahmen von waffenrechtlichen Aufbewahrungspflichten ist. Somit besteht grundsätzlich keine gesetzliche Pflicht für den/die Waffenbesitzerinnen und Waffenbesitzer, einen Wohnsitz am Waffenaufbewahrungsort anzumelden. Einwohnermelderechtlich hätte sich Herr Tobias R. in München zumindest mit Nebenwohnsitz anmelden müssen, da er im oben genannten Zeitraum eine Wohnung in München nutzte und sich dort aufhielt. Da dem Kreisverwaltungsreferat München jedoch nicht bekannt war, dass Herr Tobias R. in München tatsächlich wohnte, konnte er nicht zur Erfüllung seiner Meldepflicht gemäß Bundesmeldegesetz angehalten werden.] Im Antwortschreiben vom 5.6.2017 an die Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises gab Herr Tobias R. an, dass sich im August/September 2017 entscheiden würde, ob er weiterhin in München arbeiten würde. Daher beabsichtigte Herr Tobias R. keine Anmeldung in München. Damit hat Herr R. insoweit gegen Meldepflichten verstoßen, als dass erdie Anmeldung eines Zweitwohnsitzes in München unterlassen hat. Dies ist aber grundsätzlich unabhängig von der Frage, welche Waffenbehörde für ihn zuständig war. Die Waffen des Waffenbesitzers werden bei der Waffenbehörde des Hauptwohnsitzes registriert, der Aufbewahrungsort ist nicht allein maßgeblich, siehe auch Frage 2.
Frage 2:
„War Tobias R. bei der Waffenbehörde des KVR München als Waffenbesitzer registriert? Falls nein: wieso nicht?“
Antwort:
Herr Tobias R. war bei der Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München zu keinem Zeitpunkt als Waffenbesitzer registriert. Die Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München wäre zuständig gewesen, wenn Herr Tobias R. seinen Hauptwohnsitz in München angemeldet hätte. In diesem Fall hätte die Waffenbehörde automatisch eine elektronische Mitteilung erhalten, dass ein Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis nach München zugezogen ist. In diesem Fall hätte die Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München den Datensatz des Herrn Tobias R.aus dem Nationalen Waffenregister sowie die beim Main-Kinzig-Kreis vorhandene Waffenakte angefordert und in eigener Zuständigkeit fortgeführt. Der Main-Kinzig-Kreis teilte in seiner Stellungnahme vom 21.4.2020 dem Kreisverwaltungsreferat München mit, dass der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises seit 3.5.2014 bekannt war, dass sich Herr Tobias R. in München aufgehalten hat. Ein an seinen gemeldeten Wohnsitz in Hanau gerichtetes Schreiben beantwortete er mit einem Schreiben aus München und der Bitte, seine Postanschrift in München zur Antwort zu nutzen. Auf Anfrage der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises teilte Herr Tobias R. in seinen Antwortschreiben vom 5.6.2017 und 23.6.2018 mit, dass er seine Waffen in München aufbewahre, da er dort hauptsächlich schieße. Unter den bayerischen Waffenbehörden wird bei einer auswärtigen Waffenaufbewahrung die Waffenbehörde am Aufbewahrungsort von der zuständigen Waffenbehörde am gemeldeten Hauptwohnsitz entsprechend unterrichtet, da die Waffenbehörde am Aufbewahrungsort (zum Beispiel durch eine Vor-Ort-Kontrolle) am besten einschätzen kann, ob die dortige Waffenaufbewahrung den gesetzlichen Vorschriften entspricht. Eine entsprechende Mitteilung der Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises an die Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München erfolgte nicht. Da Herr Tobias R. in München einwohnermelderechtlich nie gemeldet war, konnte die Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München keine Kenntnis erlangen, dass Herr Tobias R. in München Waffen aufbewahrte. Auch dem Polizeipräsidium München lagen keine Erkenntnisse vor, welche Rückschlüsse zuließen, dass Herr Tobias R. in München Waffen aufbewahrte
Frage 3:
„War das Münchner KVR an der in Medienberichten geschilderten dreijährlichen Überprüfung, um die Voraussetzungen für einen Waffenbesitz sicherzustellen, bei Tobias R. beteiligt? Falls nein: wieso nicht?“
Antwort:
Gemäß den Vorgaben des Waffengesetzes werden die Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse mindestens alle drei Jahre auf ihre Zuverlässigkeit und ihre persönliche Eignung im Sinne des Waffengesetzes durch die zuständige Behörde überprüft. Zuständig für diese Überprüfung ist in der Regel die Behörde, an welcher der Hauptwohnsitz gemeldet ist. Zu diesem Zweck werden auf elektronischem Wege Auskünfte aus dem Bundeszentralregister (BZR), dem Zentralen Staatsanwaltschaftlichen Verfahrensregister (ZStV) sowie von der örtlichen Polizeidienststelle eingeholt. Zwischen 2013 und 2019 führte die zuständige Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises vier entsprechende Prüfungen bezüglich Herrn Tobias R. durch. EineMitwirkung der Waffenbehörde des auswärtigen Waffenaufbewahrungsortes ist bei diesen regelmäßigen Prüfungen nicht vorgesehen.
Frage 4:
„Wie überprüft das Münchner KVR im Allgemeinen diese Voraussetzungen? Gibt es wie seit dem Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke gesetzlich vorgesehen, Regelabfragen beim Verfassungsschutz?“
Antwort:
Gemäß den Vorgaben des Waffengesetzes werden die Inhaber waffenrechtlicher Erlaubnisse mit Hauptwohnsitz in München mindestens alle drei Jahre auf ihre Zuverlässigkeit und ihre persönliche Eignung im Sinne des Waffengesetzes durch die Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München überprüft. Inhaber von Jagdscheinen werden sogar alle zwei Jahre überprüft. Zu diesem Zweck werden Auskünfte aus dem BZR, dem ZStV sowie vom Polizeipräsidium München eingeholt.
Schon vor dem Anschlag auf den Kasseler Regierungspräsidenten hat die Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München über die Regelanfragen beim Polizeipräsidium München allgemein relevante Erkenntnisse des Verfassungsschutzes aus den sogenannten Staatsschutzdateien erhalten. Aufgrund der neuen gesetzlichen Vorgaben sind nun seit Mai 2020 die technischen Voraussetzungen gegeben, dass das Kreisverwaltungsreferat München die Regelabfragen auch direkt beim Verfassungsschutz durchführt. Weitere Voraussetzungen für die Erteilung einer waffenrechtlichen Erlaubnis zum Erwerb bzw. Besitz von erlaubnispflichtigen Schusswaffen sind das Bedürfnis, welches zum Beispiel beim Sportschützen durch eine entsprechende Bescheinigung des Sportschützen-Dachverbandes nachgewiesen wird und die Sachkunde, welche durch ein Sachkundeprüfungszeugnis zu belegen ist. Dass die Waffen sicher verwahrt werden, wird durch Belege über die erworbenen Waffentresore, Erklärungen und Kontrollen am Waffenaufbewahrungsort geprüft.
Frage 5:
„Werden durch das Münchner Kreisverwaltungsreferat Besitzern von Waffenscheinen, die diesen zur Ausübung eines Schießsports in einem Schützenverein [dienen], Waffenbesitzscheine für Waffen, die auf militärische Einheiten ausgelegt sind, ausgestellt?“
Antwort:
Die Frage wird inhaltlich so verstanden, ob das Kreisverwaltungsreferat München Sportschützen den Erwerb und Besitz von Schusswaffen, welcheim Militär Verwendung finden, genehmigt. Die Eintragung von Waffen erfolgt in eine Waffenbesitzkarte. Ein Waffenschein zum Führen von Waffen wird nicht aufgrund des Sportschützen-Bedürfnisses erteilt. Ein Bedürfnis für den Erwerb und Besitz von Waffen und der dafür bestimmten Munition bei Mitgliedern eines Schießsportvereines wird anerkannt, wenn der Verein einem anerkannten Schießsportverband angehört und die zu erwerbende Waffe für eine Sportdisziplin nach der Sportordnung des Schießsportverbandes zugelassen ist. Hier kommen bestimmte halbautomatische Kurz- und Langwaffen in Betracht, jedoch keine vollautomatischen Waffen (welche über die Möglichkeit für Dauerfeuer verfügen und somit unter das Kriegswaffenkontrollgesetz fallen).
Frage 6:
„Legen die Münchner Schützenvereine dem Münchner KVR regelmäßig Mitgliedslisten vor?
a. Falls ja: war Tobias R. auf der Mitgliedsliste der ‘Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406‘ gemeldet?
b.Falls nein: wieso nicht?“
Antwort:
Es ist gesetzlich nicht vorgesehen, dass Schützenvereine den Waffenbehörden regelmäßig Mitgliedslisten vorlegen. Daher legen Münchner Schützenvereine der Waffenbehörde des Kreisverwaltungsreferates München keine Mitgliedslisten vor. Die Waffenbehörde des gemeldeten Hauptwohnsitzes erfährt von der Mitgliedschaft in einem Schützenverein im Rahmen der Bedürfnisprüfung bei Stellung eines Antrages auf Erteilung einer Waffenbesitzkarte durch den betreffenden Sportschützen. Weiterhin prüft die Waffenbehörde nach bisheriger Gesetzeslage mindestens drei Jahre nach Erteilung der ersten waffenrechtlichen Erlaubnis das Fortbestehen des Bedürfnisses und somit die Mitgliedschaft in einem Sportschützenverein durch Vorlage einer entsprechenden Vereinsbestätigung ab. Herr Tobias R. erhielt laut Stellungnahme des Main-Kinzig-Kreises vom 21.4.2020 am 27.4.2017 eine entsprechende Bestätigung von der HSG ausgestellt, da die zuständige Waffenbehörde des Main-Kinzig-Kreises einen entsprechenden Nachweis von Tobias R. forderte.Tritt ein Vereinsmitglied aus dem Schützenverein aus, so wird dies der Waffenbehörde gemeldet. Falls dieses Mitglied Inhaber einer waffenrechtlichen Erlaubnis ist, erfolgt eine erneute Bedürfnisprüfung durch die zuständige Waffenbehörde des Hauptwohnsitzes.
Frage 7:
„Liegen dem Münchner KVR oder dem Polizeipräsidium München Informationen durch eine wie in Frage 4) formulierte Regelabfrage oder aus anderen Quellen vor, dass Mitglieder der ‚Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406‘ in extremistischen Kontexten in Er- scheinung getreten sind?“
Antwort:
Weder beim Polizeipräsidium München noch beim Kreisverwaltungsreferat München liegen entsprechende Erkenntnisse vor.
Der Erste Schützenmeister der HSG teilt hierzu in seiner Stellungnahme vom 26.3.2020 mit, dass „es im Vorstand und im Gesellschaftsausschuss der Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft […] keine Informationen über Mitglieder [gibt], welche in extremistischen Kontexten in Erscheinung getreten wären. Soweit betreffende Personen trotz der Aufnahmekriterien bei der HSG in die Gesellschaft als Mitglied aufgenommen worden wären, würden solche Fälle bei späterem zu Tage treten unverzüglich und ausnahmslos dazu führen, dass der Vorstand das Ausschlussverfahren aus der Gesellschaft einleitet und bis zum Ausschluss Hausverbot erteilt. Es gibt unter den etwa 700 Mitgliedern der Königlich privilegierten Hauptschützengesellschaft vermutlich Anhänger aller wesentlichen politischen Richtungen. Wir erwarten aber von unseren Mitgliedern, dass sie innerhalb der Gesellschaft ihre politischen Überzeugungen nicht thematisieren und schon gar nicht dafür werben. Würden Mitglieder der Gesellschaft diese Pflicht verletzen, würde dies unverzüglich sanktioniert (Abmahnung und bei wiederholter Verletzung Ausschluss).“
Frage 8:
„Ist dem Münchner Kreisverwaltungsreferat, dem Referat für Bildung und Sport oder dem Polizeipräsidium München bekannt, ob das in Medienberichten geschilderte Bürgen zweier Mitglieder für eine Aufnahme in der ‚Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406‘ der Realität entspricht?
a.Falls nein: wurde dies beim Verein bereits abgefragt? b.Falls ja: Liegen dem Münchner Kreisverwaltungsreferts oder dem Polizeipräsidium München Informationen über die beiden Personen vor, die für die Aufnahme von Tobias R. in die ‚Königlich Privilegierten Haupt- schützengesellschaft München 1406‘ gebürgt haben? Ist eine oder beide Personen bisher in rechtsextremen Kontexten in Erscheinung getreten? Gab es eine Abfrage bei dem Verein, wer die beiden Personen sind?“
Antwort:
Dem Münchner Kreisverwaltungsreferat, dem Referat für Bildung und Sport und dem Polizeipräsidium München lagen bisher keine Erkenntnisse zu diesen Aufnahmekriterien vor. Es liegen dem Kreisverwaltungsreferat zudem keine Erkenntnisse zu den beiden Bürgen vor. Es wurden dem Kreisverwaltungsreferat auch keine Erkenntnisse zu den beiden Bürgen vom Polizeipräsidium München mitgeteilt. Der Erste Schützenmeister der HSG teilt hierzu in seiner Stellungnahme vom 26.3.2020 mit, dass „die Aufnahme neuer Mitglieder bei der Königlich privilegierten Hauptschützengesellschaft [...] ein mehrstufiger Prozess [ist]. Er beginnt im Normalfall mit der Kontaktaufnahme durch den Kandidaten und einer ersten Besichtigung der Anlage. Neulinge im Schießsport absolvieren dann meist ein Schnuppertraining. Bei Tobias R. war das nicht der Fall, er war ja mit dem Schießsport vertraut. Im nächsten Schritt gibt es nach Aushändigung der Unterlagen einen Aushang in den Räumen der Gesellschaft über das Aufnahmegesuch, i.d.R. mit Bild und ein Gespräch mit den Bürgen. Alle Mitglieder haben dadurch die Möglichkeit, etwaige Einwände gegen das Neumitglied zu erheben. Es wird ein Bürge aus Schützenmeisteramt oder Gesellschaftsausschuss und ein zweiter aus dem Kreis der Mitglieder verlangt, diese werden aber meist zugeteilt, weil die Kandidaten häufig niemanden in der Gesellschaft kennen. Naturgemäß können Bürgen meistens nicht jahrelang mit dem Kandidaten verbundene persönliche Bekannte sein – das wäre bei 60 bis 70 Neuaufnahmen pro Jahr nicht möglich und es würde den Kreis der möglichen neuen Mitglieder auch unzulässig einschränken. Es geht um einen Eindruck von der Persönlichkeit und den hinter dem Aufnahmebegehren stehenden Absichten. Das ist bei Tobias R. auch so der Fall gewesen. Der Kandidat bringt danach ein aktuelles polizeiliches Führungszeugnis bei und legt ggf. vorhandene waffenrechtliche Erlaubnisse vor. Auch das hat Tobias R. korrekt erledigt. Seine Waffenbesitzkarte wies zu diesem Zeitpunkt die Berechtigung zum Erwerb einer Pistole cal .22 lr auf, die bereits verfallen war (d. h. von der Berechtigung wurde innerhalb des zulässigen Zeitraums kein Gebrauch gemacht) und den Besitz einer 9mm Luger Pistole der Marke SIG Sauer. Die eigentliche Aufnahmeentscheidung wird in einer Sitzung des Gesellschaftsausschuss getroffen. Zum Tagesordnungspunkt „Neuaufnahmen“ werden die Kandidaten der letzten 2 Monate (Rhythmus der Sitzungen) geladen, der Erste Schützenmeister erläutert in einem kleinen Vortrag Geschichte, Ziele, Regeln und Angebote der Gesellschaft. Danach stellen sich die Mitglieder des Gesellschaftsausschuss und des Schützenmeisteramts einzeln vor und zum Abschluss werden die Kandidaten gebeten, sich vorzustellen und insbesondere die Beweggründe für den Eintritt in die Gesellschaft darzulegen. Die Kandidaten verlassen anschließend den Raum und der Gesellschafts-ausschuss berät über die Aufnahme. Bei dieser Gelegenheit ist der Bürge aus dem Gesellschaftsausschuss bzw. dem Schützenmeisteramt aufgefordert, allfällige Ungereimtheiten aus seinem Gespräch mit dem Kandidaten zur Sprache zu bringen. Aus dem sich daraus ergebenden Gesamtbild des Kandidaten (Unterlagen, persönliche Gespräche mit den Bürgen, Vorstellung im Gesellschaftsausschuss) wird dann über die Aufnahme entschieden. Im Fall von Tobias R. gab es nicht den geringsten Hinweis darauf[,] dass es sich um eine unzuverlässige oder mental kranke Person handeln könnte. Er kam neu nach München und erzählte dass er eine Stelle in einem Internet-Vergleichsportal angenommen hat. Die ihm zugeteilten Bürgen sind im Schützenmeisteramt jahrelang bestens bekannt und an deren Integrität sowie deren urdemokratische politische Einstellung besteht nicht der geringste Zweifel. Der Gedanke oder die, aus der Anfrage zu entnehmende Vermutung, es könnte sich bei der HSG oder deren Mitglieder um rechtsradikale Kreise handeln, ist völlig abwegig und in aller Deutlichkeit und Schärfe zurückzuweisen. Hierzu erläuternd: Natürlich sind alle Mitglieder der Königlich privilegierten Hauptschützengesellschaft bestürzt und geschockt über die fürchterlichen Geschehnisse in Hanau. Das Verbrechen wird von den dafür zuständigen Behörden untersucht und schon im Hinblick auf Erfahrungen mit NSU werden mögliche extremistische Verbindungen genau betrachtet. Im Fall Tobias R. hat das Bundeskriminalamt bei uns ermittelt. Es ist auch in unserem ureigensten Interesse, extremistische Netzwerke zu entdecken, wenn sie existieren. Daher haben wir mit dem BKA in maximalem Umfang kooperiert und alle Personen aus der Gesellschaft, die bis Anfang 2019, dem Zeitpunkt seines Wegzuges eventuell mit Tobias R. in Berührung gekommen sein könnten[,] auch genannt. Alle wurden von den Beamten des BKA befragt. Niemand hat Tobias R. näher gekannt. Welche etwaig weiteren Erkenntnisse die Befragungen für das BKA ergeben haben[,] ist uns natürlich nicht bekannt.“
Frage 9:
„Welche Kriterien gibt es seitens des Referats für Bildung und Sport zur Förderung von Schützenvereinen? Gibt es seitens des Referats angesichts des Attentats Überlegungen für eine Überarbeitung der bestehenden Förderkriterien? Falls ja: wie sehen diese aus?“
Antwort:
Das Referat für Bildung und Sport teilt in seiner Stellungnahme vom 27.3.2020 Folgendes mit: „Die Förderung der Münchner Sportvereine erfolgt gem. den vom Stadtrat erlassenen ‚Richtlinien der Landeshauptstadt München zur Förderung des Sports‘. Die Vereine sind förderfähig, wenn sie die allgemeinen Fördervoraussetzungen der Sportförderrichtlinien erfüllen.Die Kriterien sind in § 1 der Sportförderrichtlinien genannt (z.B. die Eintragung in das Vereinsregister, die anerkannte Gemeinnützigkeit, die Mitgliedschaft in einem Fachverband etc.). Die Fördervoraussetzungen sind bei den Königlich Privilegierten Hauptschützengesellschaft München 1406 erfüllt. Die Richtlinien werden regelmäßig überprüft, mit den beratenden Sportgremien diskutiert und bei Bedarf aktualisiert. Die letzte vom Stadtrat beschlossene Überarbeitung trat zum 1.1.2020 in Kraft.“
Für die gewährte Fristverlängerung für die Beantwortung Ihrer Anfrage – welche aufgrund des Zuwartens auf die Stellungnahme des Main-Kinzig-Kreises erforderlich war – möchte ich mich bei Ihnen bedanken.
Ich bitte von den Ausführungen Kenntnis zu nehmen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.