Darf das sein? – MVG erschießt Tauben
Anfrage Stadtrat Johann Sauerer (ÖDP) vom 20.4.2020
Antwort Clemens Baumgärtner, Referent für Arbeit und Wirtschaft:
In Ihrer Anfrage vom 20.4.2020 führten Sie als Begründung aus: „In verschiedenen Zeitungen war am 17. April 2020 zu lesen, dass Zeugen beobachtet haben, wie Mitarbeiter der MVG im Januar an der U-Bahnstation Harras zahlreiche Tauben mit einer Langwaffe erschossen hätten. Die Kadaver hätten sie eingesammelt und in Müllbeuteln weggeschafft. Die Tierschutzorganisation PETA hat vergangene Woche Anzeige wegen Vergehen gegen das Tierschutz- und Waffengesetz erstattet. Das KVR hat den Abschuss der Tiere behördlich genehmigt.
Zoologen und Tierärzte sind sich aber größtenteils einig, dass der Ruf von Tauben als Krankheitsüberträger unbegründet ist. Die meisten Erreger sind bei Tauben wirtspezifisch und können nicht auf den Menschen übertragen werden. Laut dem bayerischen Amt für Denkmalpflege ist Taubenkot nicht ätzend, sondern liegt im ph-neutralen Bereich, weswegen keine dauerhaften Schäden an Gebäuden zu erwarten sind.
Natürlich muss die Stadt trotzdem Maßnahmen zur Eindämmung der Tau- benpopulation vornehmen, da diese sich sonst unkontrolliert in der Stadt verbreiten würde. Dafür gibt es aber deutlich humanere, wissenschaftlich und wirtschaftlich sinnvollere und tierfreundlichere Methoden, als den Abschuss.“
Die in Ihrer Anfrage gestellten Fragen können wie folgt beantwortet werden:
Frage 1:
Wurde der Stadtrat über den Abschuss der Tauben an der U-Bahnstation Harras informiert?
Antwort der SWM/MVG:
„Nein, die Aufrechterhaltung der Sicherheit und Ordnung in den U-Bahnhöfen ist eine laufende Aufgabe der SWM, für welche die SWM als verantwortlicher Betreiber zuständig ist. Die Thematik erfordert deshalb keine Einbindung des Stadtrates.“
Frage 2:
Welche Maßnahmen wurden seitens der MVG versucht, bevor sie zum Abschuss der Tauben übergegangen sind?
Antwort der SWM/MVG:
„Das Problem besteht schon seit Jahrzehnten. Es wurde mit Vergrämungsarbeiten, Spikes, Krähenattrappen, Raubvogelrufe über die Lautsprecheranlage, Akustikwellen, die für das menschliche Gehör nicht wahrnehmbar sind und dem Einsatz von Falknern versucht, die Tauben aus den U-Bahnhöfen zu bekommen.“
Frage 3:
Über welchen Zeitraum wurden diese Maßnahmen durchgeführt?
Antwort der SWM/MVG:
„Die SWM beschäftigt sich seit weit über 10 Jahren mit dieser Problematik und der Vertreibung der Tiere. Entsprechend wurden in den letzten Jahren Maßnahmen unterschiedlichster Art durchgeführt:
-dauerhafte Maßnahmen: z.B. Taubenvergrämungen am Candidplatz, Krähenattrappen in Fröttmaning;
-temporäre Maßnahmen: z.B. Raubvogelrufe oder Akustikwellen an der Münchner Freiheit.
Bei Akutvorkommen von Tauben plus gehäufter Fahrgastbeschwerden wird in einer Nachtschicht (in der Betriebsruhe im verschlossenen Bahnhof) in dem betroffenen Bereich die Bejagung durchgeführt.“
Frage 4:
Wurden Experten hinzugezogen, bevor die MVG den Abschuss beantragt hat?
Antwort der SWM/MVG:
„Ja, Inhaber eines gültigen Jagdscheines und Falknerjagdscheines .“
Frage 5:
Auf welcher Basis hat das KVR den Abschuss der Tauben genehmigt? Welche Dokumentation der Störung musste erbracht werden?
Antwort der SWM/MVG und des KVR:
„Aufgrund der nachstehenden Punkte wurde die Bejagung vom Kreisverwaltungsreferat genehmigt:
Die Stadttaube ist per se nicht als Schädling vom Gesetzgeber definiert und darf daher nicht ohne vernünftigen Grund ‚bekämpft‘ werden. Insoweit ist es notwendig, dass für Maßnahmen zur Abwehr von Tauben, die über das reine Vergrämen durch Netze oder Stacheln hinausgehen, die Schädlingseigenschaft der Taube festgestellt wird. Im vorliegenden Fall wurde der Antrag zur Erlaubnis des Abschuss bei der Waffenbehörde desKreisverwaltungsreferates gestellt und das Veterinäramt um fachliche Stellungnahme gebeten.
Ein vernünftiger Grund, Tauben als Schädlinge zu bekämpfen, ist beispielsweise dann erfüllt, wenn eine konkrete Gesundheitsgefahr besteht, die Lebensmittelsicherheit gefährdet ist, denkmalgeschützte Gebäude Schaden nehmen oder wie im vorliegenden Fall hinsichtlich der Fahrgastsicherheit eine nachvollziehbare Gefahr von Tauben im U-Bahn-Bereich ausgeht. Sofern die Schädlingseigenschaft der Taube vom Veterinäramt als zutreffend bewertet wurde, dürfen weitergehende Maßnahmen zur Abwehr von Tauben ergriffen werden. Hier ist zu beachten, dass zunächst im Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung alle milderen für die Tiere schonende Mittel ausgeschöpft werden müssen, um den Tieren keine unnötigen Schmerzen, Leiden oder Schäden zuzufügen. Insofern ist das Töten der Tiere nur als äu-ßerstes Mittel anzusehen und nur dann genehmigungsfähig. Im vorliegenden Fall waren die Voraussetzungen erfüllt:
-Gefahr für Zugverkehr wegen Fahrgastirritationen, ausgelöst durch herumfliegende Tauben am Bahnsteig.
-Gefahr für den Zugverkehr wegen durch den Tunnel fliegende Tauben.
-Beschädigung von Sicherheitseinrichtungen (z.B. Linienlaser der Brandmeldeanlagen) durch Taubenkot.
Gemäß einer Auflage des Veterinäramts sind wir verpflichtet, vor dem Abschuss alle sonstigen Maßnahmen auszuschöpfen (siehe Antwort zu Frage 2) und zu belegen.“
Frage 6:
Hat die MVG ein stadtweites Gesamtkonzept zur Taubenabwehr an den U-Bahnhöfen, Tram- und Bushaltestellen? Wenn ja, wie sieht dieses aus?
Antwort der SWM/MVG:
„Nein, es handelt sich um Einzelmaßnahmen, die auf den jeweiligen Bahnhof abgestimmt sind. Bei Tram- und Bushaltestellen gibt es diese ‚Taubenplage‘ nicht in diesem Ausmaß.“
Frage 7:
Welche Maßnahmen unternimmt die Landeshauptstadt München zur Eindämmung der Taubenpopulation? Gibt es Kooperationen beispielsweise mit dem Tierschutzverein München e.V.?
Antwort des RGU:
„Das Referat für Gesundheit und Umwelt (RGU) setzt im Umgang mit Stadttauben auf ein 3-Säulen-Modell. Es besteht aus der Einrichtung von Taubenhäusern, einem Fütterungsverbot für Stadttauben und der Information der Bürgerinnen und Bürger.
-Zur Zeit gibt es in München 18 Taubenhäuser, die teilweise vom Tierschutzverein München e.V., zum größten Teil von einem Dienstleister im Auftrag der Grundstückseigentümerinnen und Grundstückseigentümer bzw. Hausverwaltungen betrieben werden.
-Seit 1996, zuletzt erneuert 2018, gibt es in München ein Fütterungsverbot für Stadttauben.
-Das RGU hat eine Reihe von Informationen zum Umgang mit den
Stadttauben erstellt. Zum Beispiel eine umfassende Broschüre „Leben mit Stadttauben“, vertiefende Fachinformationen zu einzelnen Themen sowie Plakate zum Fütterungsverbot. Alle Informationen sind unter der Webseite muenchen.de/stadttauben eingestellt und abrufbar. Das RGU kooperiert mit dem Tierschutzverein München und hat Kontakte zu einer Reihe von weiteren Tierschutzorganisationen wie dem Bund gegen Missbrauch der Tiere (bmt) e.V. und der Taubenhilfe München.“
Frage 8:
Wie kann verhindert werden, dass die MVG weitere Tauben an U-Bahnhöfen zum Abschuss freigibt?
Antwort der SWM/MVG:
„Die SWM/MVG ist in Besitz einer gültigen Genehmigung des KVR. Sofern eine Gefährdungslage erkennbar ist und alle oben beschriebenen Maßnahmen keine Verbesserung der Situation gebracht haben, muss zur Gewährleistung der Sicherheit für die Fahrgäste weiterhin bejagt werden.“
Ich hoffe, dass ich Ihre Fragen gemäß der obigen Ausführungen hiermit zufriedenstellend beantworten konnte.