Das Sozialreferat hat heute dem Sozialausschuss den Abschlussbericht des Gesamtprojekts „Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege in München“ vorgelegt. In dem Pilotprojekt sind von 2014 bis 2020 drei wesentliche Ansätze (Bausteine) verfolgt worden, um eine chancengleiche Pflege und Betreuung von älteren Migrantinnen und Migranten zu ermöglichen:
Im „Baustein 1“ wurden sieben vollstationäre Pflegeeinrichtungen verschiedener Träger als Modellprojekte gefördert, die in unterschiedlichen Organisationsbereichen Maßnahmen zur Interkulturellen Öffnung umgesetzt und vielfältige Good-Practice-Beispiele generiert haben. Kooperationspartner waren dabei die Arbeiterwohlfahrt München-Stadt, das Bayerische Rotes Kreuz, Kreisverband München, die Hilfe im Alter gGmbH − Innere Mission München, Münchenstift GmbH und die Sozial-Servicegesellschaft des Bayerischen Roten Kreuzes GmbH. Zu den wichtigsten Ergebnissen und Erfahrungen zählen laut Abschlussbericht, dass „Interkulturelle Öffnung“ als strategischer Bestandteil in den Einrichtungen verankert sein muss, um in dieser Hinsicht nachhaltige Veränderungen zu erzielen. Dabei sind Schulungsmaßnahmen für die Mitarbeitenden unerlässlich. Auch Prozessabläufe und Angebote in Einrichtungen der Langzeitpflege sind dann erfolgreich, wenn sie sich an den Bedürfnissen der Seniorinnen und Senioren mit Migrationshintergrund orientieren, zum Beispiel in Form einer migrationssensiblen Pflegeanamnese und Biografiearbeit, durch den Aufbau von hausinternen Dolmetscherdiensten oder durch an Kultur und Tradition angepasste Speiseangebote. Entsprechende Umbaumaßnahmen in den Einrichtungen erleichtern die Interkulturelle Öffnung, zum Beispiel durch erweiterte Angebote wie ein Wohnbereich für Muslima/Muslime, interreligiöse Räume oder ein Dialog-Café.
Der „Baustein 2“ umfasste Fortbildungs- und Schulungsprogramme für Führungspersonen und Mitarbeitende der Langzeitpflege zu Themen der Interkulturellen Öffnung und wurde in Zusammenarbeit mit dem Institut aufschwungalt umgesetzt. Es hat sich gezeigt, dass Schulungen und Fortbildungen eine wichtige Voraussetzung darstellen, um Führungspersonen und Mitarbeitende für spezifische Bedürfnisse von Klientinnen und Klienten mit Migrationshintergrund zu sensibilisieren und interkulturelle Kompetenzen im Bereich Pflege und Betreuung zu stärken. Allerdings sind diese Schulungsangebote nur bedingt angenommen worden, weil gesundheitspolitische Veränderungen im Vordergrund standen und zeitliche Ressourcen bei den ohnehin herausfordernden Rahmenbedingungen in der Langzeitpflege generell knapp sind.
Der „Baustein 3“ widmete sich der Informationskampagne „Brücken bauen“. Ziel war es, insbesondere ältere Menschen mit Migrationshintergrund ab 65 Jahren über wichtige Themen und Inhalte rund um die Langzeitpflege zu informieren. Die Umsetzung erfolgte durch den Paritätischen Wohlfahrtsverband, Bezirksverband Oberbayern. Als ein wichtiges Kriterium für eine gelingende Informationskampagne galt dabei die Einbindung der Migrantenselbstorganisationen und ein partizipatives Vorgehen. Informationen müssen immer mehrsprachig zur Verfügung stehen, um die Adressaten zu erreichen. Eine aufsuchende Netzwerk- und Öffentlichkeitsarbeit ist demnach eine zentrale Aufgabe, um eine Interkulturelle Öffnung in der Langzeitpflege aktiv voranzutreiben. Allein in den fünf Förderjahren nahmen 1.560 Personen mit Migrationshintergrund unterschiedlicher Muttersprachen an Veranstaltungen der Informationskampagne teil. Themen wie Pflegeversicherung, Leben mit Demenz oder rechtliche Betreuung stießen dabei auf besonders große Resonanz. Das außerordentliche, ehrenamtliche Engagement der Schlüsselpersonen aus den Migrantenselbst- organisationen hat wesentlich zum Gelingen der Informationskampagne beigetragen.
Sozialreferentin Dorothee Schiwy: „Das Gesamtprojekt zur Interkulturellen Öffnung der Langzeitpflege hat sehr wertvolle und wichtige Erkenntnisse gebracht und ist in seiner Konzeption bundesweit einmalig. Das große Engagement der beteiligten Träger, Einrichtungen und Projektleitenden, die hohe Kooperationsbereitschaft und die vertrauensvolle Zusammenarbeit in den Gremien haben wesentlich zum Erfolg des Modellprojekts beigetragen. Die Landeshauptstadt München hat sich bereits mit dem Integrationskonzept das Thema Interkulturelle Öffnung offiziell auf die Fahne geschrieben und ist seit mehr als drei Jahrzehnten in verschiedenen Bereichen dahingehend aktiv. Im Vergleich mit anderen deutschen Großstädten weist München einen hohen Anteil an Personen mit Migrationshintergrund auf. Insofern ist es nur konsequent, wenn auch im Bereich der Langzeitpflege der Zugang zu Versorgungs- und Beratungsstrukturen für diese Menschen gestärkt und gefördert wird.“
Die Diversität und Heterogenität der Münchner Wohnbevölkerung mit Migrationshintergrund ab 65 Jahren wird weiter zunehmen. Damit wächst auch der Beratungs-, Unterstützungs- und Pflegebedarf von älteren Migran- ten. Im Gesamtprojekt wurden wichtige Schritte für eine chancengleiche Versorgung, Unterstützung und Pflege gemacht. Gleichwohl bestehen nach wie vor Zugangsbarrieren zu den Versorgungsstrukturen. Auch das Wissen in der Migrationsbevölkerung über Leistungen aus der Pflege- und Krankenversicherung, zu pflegerischen Versorgungsstrukturen und zu Unterstützungs- und Entlastungsstrukturen muss weiter gestärkt werden. Die beteiligten Träger haben durch die Förderung im Gesamtprojekt umfangreiche Maßnahmen entwickeln und implementieren können. Sie stehen nun in der Verantwortung, die Interkulturelle Öffnung fortzusetzen und auszubauen. Die Landeshauptstadt München unterstützt dabei die Interkulturelle Öffnung sowohl in der Offenen Altenhilfe als auch in der Langzeitpflege weiterhin durch die Förderung von Schulungen und Workshops. Ebenso sollen die Informationskampagne „Brücken bauen“ weitergeführt und die Kooperation mit Migrantenselbstorganisationen und ihren Schlüsselpersonen weiter gefördert werden.
Weitere, detaillierte Informationen zum Gesamtprojekt „Interkulturelle Öffnung der Langzeitpflege“ sind unter www.muenchen.de/ik-pflege zu finden.