Oberbürgermeister Dieter Reiter spricht der Witwe von Alt-Oberbürgermeister Dr. Hans-Jochen Vogel sein Beileid aus: „Die Nachricht vom Tod Ihres Mannes, unseres allseits hochgeschätzten Ehrenbürgers Dr. Hans-Jochen Vogel, hat mich bestürzt und erfüllt mich mit großer Traurigkeit. Zu diesem schmerzlichen Verlust spreche ich Ihnen und allen Angehörigen im Namen des Stadtrats der Landeshauptstadt München und persönlich mein tiefempfundenes Mitgefühl aus.
Mit Dr. Hans-Jochen Vogel verlässt einer der ganz Großen die politische Bühne, die er über viele Jahre hinweg in vielen Funktionen so virtuos bespielt hat. Er hinterlässt nicht nur in der Sozialdemokratie eine große Lücke. Sein Name war immer weit über die Grenzen Deutschlands hinaus ein Symbol für Zuverlässigkeit und Integrität; mit der Vielzahl der von ihm bekleideten politischen Spitzenämter nimmt Dr. Hans-Jochen Vogel in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts eine Sonderstellung ein: Nach seiner Zeit als Oberbürgermeister der Stadt München war er von 1972 bis 1974 Bundesminister für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau, danach bis 1981 Bundesminister der Justiz und im Jahr 1981 Regierender Bürgermeister von Berlin, leitete als Vorsitzender von 1983 bis 1991 die SPD-Bundestagsfraktion und war 1987 bis 1991 in der Nachfolge von Willy Brandt Parteivorsitzender der SPD, um nur die wichtigsten zu nennen.
Im Laufe seiner politischen Arbeit wurden ihm zahllose Attribute zugeschrieben, das schönste für ihn ist vielleicht die Bezeichnung ‚Jahrhundert-Münchner‘.
Ihren Anfang nahm die politische Karriere des 1926 in Göttingen geborenen Prädikatsjuristen jedoch in seiner Wahlheimatstadt München. Hier wurde er 1960 mit beachtenswerter Zustimmung der Münchnerinnen und Münchner im Alter von nur 34 Jahren zum jüngsten Oberbürgermeister einer europäischen Millionenstadt gewählt. Bei seiner Wiederwahl im Jahr 1966 erhielt er überwältigenden Zuspruch der Wählerinnen und Wähler. Während seiner zwölfjährigen Amtszeit prägte er München mit seiner enormen Aktivität und heute noch erstaunlicher Weitsicht und erwarb sich unschätzbare Verdienste um unsere Landeshauptstadt.
Untrennbar mit seinem Namen verbunden sind die Olympischen Spiele von 1972, die er mit großem Einsatz und Engagement nach München holte. Der heitere Gegenentwurf zur Monumentalveranstaltung von 1936, der im bis heute einzigartigen Olympiagelände mit seiner lichten und mutigen Zeltdachkonstruktion seinen baulichen Ausdruck fand, zeigte der Welt das neue, andere Gesicht Deutschlands im Herzen Europas und gab München seinen Platz im Reigen der Weltstädte.
Als ‚Großmeister der Kommunalpolitik‘ wurde er einmal bezeichnet, er betrieb Planung und Bau Neuperlachs, die Gründung des Münchner Verkehrs- und Tarifverbundes, den Bau von U- und S-Bahn und bereitete der Entwicklung Münchens zur Stadt der Wissenschaft und Forschung den Weg. Wir erinnern uns an die weitreichenden Reformen und Weichenstellungen in vielen Bereichen der Stadtpolitik, für die er verantwortlich zeichnete. Mit ihm als treibender Kraft hat München als eine der ersten Städte der Bundesrepublik Deutschland einen Stadtentwicklungsplan erarbeitet und hierfür ein eigenes Referat eingerichtet; es wurden offene Planungsverfahren in Gang gesetzt, eine vorausschauende Investitionsplanung eingeführt sowie die Reform der Krankenhäuser verwirklicht. Zu einer Zeit, als sich Deutschland noch ganz selbstverständlich als Autonation begriffen hat, räumte er dem Schienenverkehr gegenüber dem Individualverkehr deutliche Priorität ein und setzte mit dem Beginn des Baus der Fußgängerzone im Herzen der Stadt eine bis heute andauernde Entwicklung in Gang. In der Reihe der Münchner Oberbürgermeister gebührt ihm ein ganz besonderer Platz.
Auch nach seinem Weggang aus München in die Bundespolitik hat er seine Heimatstadt nie vergessen und behielt auch von dort die Geschehnisse in München stets wachsam im Auge, mehr noch, er unterstützte die Belange Münchens, wo immer es ihm möglich war.
In Anerkennung seiner herausragenden Verdienste wurde Dr. Hans-Jochen Vogel mit der Verleihung des Ehrenbürgerrechts am 14. Juni 1972 die höchste Ehrung zuteil, welche die Landeshauptstadt München zu vergeben hat.
Ihr folgten noch unzählige weitere nationale und internationale Ehrungen und Auszeichnungen, die alle belegen, welch außergewöhnliches und über alle Länder- und Parteigrenzen hinweg reichendes Engagement Dr. Hans-Jochen Vogel bis zuletzt an den Tag gelegt hat, denn von einem Ruhestand im Wortsinne konnte bei ihm nie die Rede sein.
Wir verneigen uns vor einem großen Politiker und großartigen Menschen, der immer auch Menschenfreund war und Sozialdemokrat par excellence. Vielleicht kann es Ihnen ein kleiner Trost in dieser schweren Zeit sein, liebe Frau Vogel, dass die Landeshauptstadt München Ihres Mannes immer in Ehrerbietung und großer Dankbarkeit gedenken wird.“