Senior-Experten-Programm: Beschäftigten ermöglichen, ihr Know- How länger einzubringen
Antrag Stadtrats-Mitglieder Sonja Haider, Tobias Ruff und Johann Sauerer (ÖDP) vom 17.1.2020
Antwort Personal- und Organisationsreferent Dr. Alexander Dietrich:
In oben genanntem Antrag fordern Sie ein Konzept der Landeshauptstadt München, wie Beschäftigte aus Mangelberufen, die das Ruhestandalter erreicht haben, weiterhin für die Stadt tätig sein können. Rechtliche und organisatorische Voraussetzungen sollen dafür geschaffen werden.
Als Begründung führten Sie aus:
„Die Landeshauptstadt München klagt über Personalmangel und in man- chen Bereichen ist es schwierig geeignetes Personal zu finden. (…) Viele scheidende Arbeitskräfte, insbesondere aus den Bereichen in denen sich schwer Mitarbeitende finden lassen, haben allerdings ein großes Expertenwissen und würden dieses gerne im Rahmen eines Altersteilzeitvertrages oder Ähnlichem weiterhin zur Verfügung stellen“.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrags betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Erledigung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher nicht möglich.
Zu Ihrem Antrag/Anliegen teile ich Ihnen aber Folgendes mit:
Zunächst kann ich Ihnen erfreulicherweise mitteilen, dass im Bereich der kommunalen Entwicklungszusammenarbeit kein Personalmangel mehr
vorliegt. Die Stellen sind vollauf besetzt. Bei einer derzeit vorliegenden Elternzeit ist eine entsprechende Vertretung vorhanden. Die Aufgaben im Zusammenhang mit der Weiterentwicklung des städtischen Konzepts für die kommunale Entwicklungszusammenarbeit können daher nun ohne personelle Beeinträchtigungen wahrgenommen werden.
Wie von Ihnen beschrieben, liegt es in Zeiten einer schwierigen Personalgewinnung im Interesse der Landeshauptstadt München, dass Kolleginnen und Kollegen idealerweise vor Erreichen der gesetzlichen bzw. tariflichen Altersgrenzen ihre langjährigen Erfahrungen weitergeben, um Expertinnen und Expertenwissen zu erhalten. Sofern dies nicht vor dem Ruhestand möglich ist, gibt es bereits diverse Maßnahmen, um die Referate undEigenbetriebe zu unterstützen. Eine Ausweitung der Bemühungen über zusätzliche Stellen für die Referate ist aus unserer Sicht derzeit nicht zwingend erforderlich und vor dem Hintergrund der aktuellen Haushaltssituation nicht realisierbar.
Die vorhandenen Maßnahmen möchte ich Ihnen nachfolgend darstellen:
A. Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung bzw. erneuten Beschäftigung
Grundlegende Voraussetzung für die Weiterbeschäftigung oder erneute Beschäftigung von Beamtinnen und Beamten bzw. Tarifbeschäftigten stellt zunächst eine freie und finanzierte Stelle dar. Dies liegt in der Verantwortung der jeweiligen Referate. Zudem müssen die sonstigen, persönlichen Einstellungsvoraussetzungen vorliegen.
Das Personal- und Organisationsreferat hat im Jahr 2015 die bis dahin geltende interne Regelung bzgl. der Weiterbeschäftigung über die entsprechenden Altersgrenzen hinaus gelockert. Bis zu diesem Zeitpunkt war eine Weiterbeschäftigung nur in „absoluten Ausnahmefällen“ möglich. Diese Formulierung ist entfallen. Bei der Landeshauptstadt München werden aktuell Weiterbeschäftigungen auf der Grundlage folgender gesetzlicher, tariflicher und interner Rahmenbedingungen ermöglicht:
1) Beamtinnen und Beamte:
Beamtinnen und Beamte treten mit Erreichen der in Art. 62 BayBG genannten Altersgrenze in den Ruhestand ein. Die Landeshauptstadt München macht von folgenden Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung bzw. erneuten Beschäftigung Gebrauch:
a) Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus durch Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts
Das Beamtenrecht sieht zwei Möglichkeiten vor, in denen eine Tätigkeit über diese Altersgrenze hinaus möglich ist (Art. 63 BayBG). Beide Varianten sind bei der Landeshauptstadt München denkbar, wobei die erste Variante den absoluten Ausnahmefall darstellt.
Zum einem kann der Ruhestandseintritt hinausgeschoben werden, wenn zwingende dienstliche Rücksichten im Einzelfall die Fortführung der Dienstgeschäfte durch einen oder einen bestimmten oder bestimmte Beamtin oder Beamten erfordern, (Art. 63 Abs. 1 BayBG). In diesem Fall ist eineZustimmung der/des Beamtin/Beamten nicht erforderlich, jedoch diejenige der obersten Dienstbehörde.
Zum anderen kann der Ruhestandseintritt hinausgeschoben werden, wenn die Fortführung der Dienstgeschäfte im dienstlichen Interesse liegt und die/der Beamtin/Beamter dies beantragt. Eine Zustimmung der obersten Dienstbehörde ist hier nicht erforderlich.
In beiden Fällen ist die Dauer des Hinausschiebens begrenzt auf eine bestimmte Frist, die jeweils ein Jahr nicht übersteigen darf und um nicht mehr als insgesamt drei Jahre. Liegt eine sonstige gesetzlich festgesetzte Altersgrenze (z.B. Einsatzdienst bei der Branddirektion, Art. 132 BayBG) beim Hinausschieben der Altersgrenze aufgrund dienstlichem Interesse vor, darf sie höchstens bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres erfolgen. Weiterhin handelt es sich jeweils um eine Ermessensentscheidungen des Dienstherrn.
Die Hinausschiebung bedarf bei beiden Varianten der Zustimmung der Personalvertretung (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 8 BayPVG).
b) Erneute Beschäftigung durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit Sachgrund
Kommt ein Hinausschieben des Ruhestandeintritts nicht (mehr) in Betracht, kann mit Ruhestandsbeamtinnen oder Ruhestandsbeamten ggf. ein befristeter Arbeitsvertrag mit einem die Befristung rechtfertigenden Sachgrund i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG vereinbart werden.
Die Neueinstellung/Wiedereinstellung bedarf der Zustimmung der Personalvertretung (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3a BayPVG).
2) Tarifbeschäftigte:
Das Arbeitsverhältnis endet grundsätzlich kraft Tarifvertrag (§ 33 Abs. 1, Buchstabe a TVöD). Die Landeshauptstadt München macht von folgenden Möglichkeiten der Weiterbeschäftigung bzw. erneuten Beschäftigung Gebrauch:
a) Weiterbeschäftigung über die Altersgrenze hinaus durch Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts
Vor Beendigung des Arbeitsverhältnisses wird eine Vereinbarung über das Hinausschieben des Beendigungszeitpunkts nach § 41 Satz 3 SGB VI geschlossen. Bei dieser Form der Weiterbeschäftigung bleiben die im bis zum Renteneintritt laufenden Arbeitsverhältnis geltenden Arbeitsbedingungen(insbesondere Kündigungsfristen nach § 34 Abs. 1 Satz 2, TVöD oder eine „Unkündbarkeit“ nach § 34 Abs. 2 TVöD) nach der Gesetzesbegründung bestehen. Änderungen im Vertragsverhältnis dürfen nicht zeitgleich vorgenommen werden.
Die Weiterbeschäftigung bedarf der Zustimmung der Personalvertretung (Art 75 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 1, 3a und 9 BayPVG).
b) Erneute Beschäftigung durch Abschluss eines befristeten Arbeitsvertrages mit Sachgrund
Entfällt die Möglichkeit der Weiterbeschäftigung nach § 41 Satz 3 SGB VI, kann auf Grundlage des § 33 Abs. 5 TVöD ein neuer, befristeter Arbeitsvertrag mit einem die Befristung rechtfertigenden Sachgrund i.S.v. § 14 Abs. 1 TzBfG vereinbart werden. Änderungen im Vertragsverhältnis können vorgenommen werden.
Die Neueinstellung/Wiedereinstellung bedarf der Zustimmung der Personalvertretung (Art. 75 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, 3a BayPVG).
3) Steuer-, versorgungs- und sozialversicherungsrechtlichen Auswirkungen einer Weiterbeschäftigung bzw. erneuten Beschäftigung
Die Weiterbeschäftigung bzw. erneute Beschäftigung von Beamtinnen und Beamten und Tarifbeschäftigen hat individuelle steuer-, versorgungs- und sozialversicherungsrechtliche Auswirkungen zur Folge. Das Personal- und Organisationsreferat empfiehlt jeder interessierten Dienstkraft, sich vor dem Abschluss eines Arbeitsvertrags persönlich beim POR P 4 – Abteilung Personalleistungen zu informieren.
B. Möglichkeiten des Wissenstransfers
1) Instrumente zur Wissensweitergabe
Neben der Möglichkeit der Weiterbeschäftigung ist es wichtig, das Expertenwissen frühzeitig weiterzugeben bzw. festzuhalten. Dazu können verschiedene Modelle wie z.B. Beratung, Wikis o.ä. genutzt werden. Diese Instrumente müssen rechtzeitig angestoßen werden. Es handelt sich dabei um eine Führungsaufgabe, die situationsorientiert vor Ort umgesetzt werden muss. Das Personal- und Organisationsreferat unterstützt durch Fortbildungsangebote, z.B. „SMT0101 Wissen wirksam weitergeben Teil 1-2“, im Fortbildungsprogramm. Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner sind auch die Fortbildungsbeauftragten in den Referaten.
2) Methode Expert Debriefing
Zudem stellt das Personal- und Organisationsreferat in Kürze eine Methode zum systematischen Wissenstransfer bei ausscheidenden Beschäftigten, das sog. Expert Debriefing, stadtweit zur Verfügung. Bei dieser Methode handelt es sich um einen strukturierten Prozess, der alle für die Organisation relevanten Wissensgebiete eines ausscheidenden Beschäftigten abdeckt und sie durch einen oder einen Moderator oder Moderatorin systematisch erfassen lässt. Damit wird zum einen das Wissen für die Organisation bewahrt, zum anderen der ausscheidenden Expertin/dem ausscheidenden Experten Wertschätzung für ihre/seine Leistungen zuteil. Zur Erfassung und zum Transfer aller relevanten Wissensgebiete steht ein Werkzeugkasten zur Wissensbewahrung zur Verfügung. Allen Referaten und Eigenbetrieben wird in Schulungen, Vorträgen und Webinaren über das städtische Intranet WiLMA sowie einen WiLMA Arbeitsraum diese Methodik des Wissenstransfers vermittelt.
Ich hoffe Ihnen ausreichend dargelegt zu haben, dass die Landeshauptstadt München bereits die notwendigen Maßnahmen getroffen hat, um das Experten-Wissen von Kolleginnen und Kollegen im Ruhestandalter zu halten.