Mobilität in München verbessern – Teil 1 Ampeln nachts konsequent ausschalten!
Antrag Stadtrats-Mitglieder Johann Altmann, Dr. Josef Assal, Eva Caim, Richard Progl, Mario Schmidbauer und Andre Wächter (Fraktion Bayernpartei) vom 8.1.2020
Antwort Kreisverwaltungsreferent Dr. Thomas Böhle:
Vielen Dank für die gewährte Fristverlängerung.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist.
Sie haben am 8.1.2020 Folgendes beantragt (Zitat):
„Der Stadtrat beauftragt zur Beschleunigung des Verkehrs die Verwaltung damit, an Kreuzungen, die nachts kaum frequentiert werden, die Abschaltung der Ampelanlagen zu veranlassen.
Fußgänger sollen an solch abgeschalteten Ampelanlagen durch einen Taster bei Bedarf eine Grünphase einleiten können (Anforderungsampeln).“
Als Begründung dafür haben Sie aufgeführt (Zitat):
„Begründung:
München hat große Verkehrsprobleme – aber nicht in der Nacht. Es ist ein großes Ärgernis, wenn man nachts an einer kleinen, überschaubaren Kreuzung eine Rotphase abwarten muss und dabei auf keinen weiteren Verkehrsteilnehmer trifft. Durch eine Abschaltung von Ampeln in einem Zeitraum zwischen Mitternacht und dem einsetzenden Berufsverkehr reduziert sich die Lärmbelastung für Anwohner durch abbremsende und anfahrende Pkw merklich.
Idealerweise kommen für eine solche Abschaltung Ampelanlagen in Betracht, die kleine und übersichtliche Kreuzungen regeln.“
Der Antrag zielt demnach darauf ab, möglichst viele Lichtsignalanlagen (LSA) nachts auszuschalten; allerdings sollen sich gleichzeitig diese Anlagen bei Bedarf auch nachts wieder einschalten lassen, um Fußgängerquerungen signalgesichert zu erlauben.
Das Kreisverwaltungsreferat als Straßenverkehrsbehörde trifft Maßnahmen auf öffentlichem Verkehrsgrund – wie verkehrliche Anordnungen zuLSA und den dazugehörigen Markierungen im Kreuzungsbereich – nach den Bestimmungen der Straßenverkehrsordnung (StVO). Der Vollzug der Straßenverkehrsordnung ist eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt. Eine beschlussmäßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist rechtlich nicht möglich.
Ich erlaube mir daher, Ihren Antrag in Abstimmung mit dem Oberbürgermeister auf dem Schriftweg zu beantworten.
Zu den beiden angesprochenen Aspekten kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Nachtabschaltung:
Das Kreisverwaltungsreferat prüft bereits seit Jahren im laufenden Betrieb bei allen anfallenden Änderungen an einer LSA auch die Betriebszeiten. Dazu gehört auch die Frage, ob eine LSA nachts abgeschaltet werden kann, bzw. wenn ja, zu welchen Zeiten.
Aktuell sind in etwa die Hälfte aller über 1.100 LSA in München nachts abgeschaltet. Die Aus-Zeiten variieren dabei zwischen 3 und 9 Stunden.
Anregungen zur Änderung der Betriebszeiten kommen oft aus der Bevölkerung oder den Bezirksausschüssen.
Bei einer Entscheidung über die Betriebs- und Abschaltzeiten der Lichtsignalanlagen sind immer die unterschiedlichen Bedürfnisse und Interessen der Verkehrsteilnehmer, der Anwohner und auch die der Luftreinhaltung und des Lärmschutzes zu berücksichtigen, an erster Stelle steht jedoch der Aspekt der Verkehrssicherheit.
Die Verwaltungsvorschrift zu Paragraf 37 der Straßenverkehrsordnung geht ausdrücklich auf die nächtliche Abschaltung von LSA ein: „Lichtzeichenanlagen sollten in der Regel auch nachts in Betrieb gehalten werden; ist die Verkehrsbelastung nachts schwächer, so empfiehlt es sich, für diese Zeit ein besonderes Lichtzeichenprogramm zu wählen, das alle Verkehrsteilnehmer möglichst nur kurz warten lässt. Nächtliches Ausschalten ist nur dann zu verantworten, wenn eingehend geprüft ist, dass auch ohne Lichtzeichen ein sicherer Verkehr möglich ist.“Wie Sie selbst angeführt haben, ist ein nächtliches Abschalten nur dann möglich, wenn die Verkehrssituation an den jeweiligen Stellen übersichtlich ist und bei geringerem Verkehrsaufkommen von den beteiligten Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer sicher bewältigt werden kann.
Das hängt zum einen mit der Geometrie der Kreuzung/Einmündung zusammen, aber zum anderen auch mit dem richtig angepassten Verhalten der am Verkehr Beteiligten.
So spiegelt sich in den Betriebszeiten die Unfallbilanz bzw. das Unfallpotential des jeweiligen Knotens wider. Die Möglichkeit zur Nachtabschaltung von LSA wird maßgeblich vom Verhalten der Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer selbst beeinflusst.
Mit dem Polizeipräsidium München ist vereinbart, dass regelmäßig Informationen zu den Erfahrungen mit der Nachtabschaltung (zum Beispiel im Zusammenhang mit Unfällen/den Unfallzahlen) übermittelt und vom Kreisverwaltungsreferat überprüft werden.
Ein zusätzlicher immer wichtiger werdender Aspekt ist die ÖPNV-Priorisierung. An mehr als 700 LSA werden in München Busse und Trambahnen beschleunigt. Die ÖPNV-Priorisierung ist auch nachts zur Einhaltung der Fahrpläne sinnvoll. Die LSA in Betrieb zu halten bedeutet mehr Schutz der Fahrgäste vor plötzlichen Bremsungen an – bei Abschaltung ungesicherten – Einmündungen. Um den hohen Standard bei Verkehrssicherheit und Pünktlichkeit auch nachts zu halten, richten sich Nachtabschaltungen häufig nach den Betriebszeiten der dort verkehrenden öffentlichen Verkehrsmittel. Die Festlegung erfolgt bei den sogenannten ÖPNV-Anlagen deshalb in Absprache mit Polizei und den Stadtwerken/MVG.
Zwangsläufig ergeben sich in vielen Fällen Zielkonflikte bei der Festlegung, ob und wenn ja, von wann bis wann, eine LSA abgeschaltet wird. Die konkrete Entscheidung muss jedoch immer im Einzelfall an den jeweiligen örtlichen Verhältnissen ausgerichtet bleiben.
Das Kreisverwaltungsreferat wird daher an der bestehenden und bewährten Vorgehensweise festhalten.
Durch die ständige Überprüfung der LSA im Tagesgeschäft, gepaart mit Hinweisen der Bezirksausschüsse und unserer Bürgerinnen und Bürger, ließe eine Sonderaktion „systematisches Überprüfung aller LSA hinsichtlich ihrer Betriebs- oder Auszeiten“ im Ergebnis keine wesentlichen Änderungen erwarten.
Dem ersten Ziel Ihres Antrages wird mit der derzeitigen Praxis bereits weitestgehend entsprochen.
Aktivierung von LSA auf Anforderung:
Die zweite Forderung des Antrages beinhaltet, dass Fußgänger bei Bedarf durch einen Taster eine Grünphase an einer abgeschalteten Ampelanlage einleiten können sollen.
In vielen anderen Gemeinden gibt es LSA, die sich erst auf Anforderung – zum Beispiel durch Drücken einer Anforderungstaste – einschalten. Solche LSA werden auch als „schlafende LSA“ bezeichnet.
„Schlafende“ LSA wurden und werden auch in München immer wieder gefordert.
Das Kreisverwaltungsreferat hat zusammen mit dem Baureferat mehrfach versucht, mit den in der Landeshauptstadt eingesetzten Werkzeugen, „schlafende Ampeln“ programmieren und betreiben zu können. Es ist in unserem System nicht möglich, zwei unterschiedliche „Aus-Zustände“ zu unterscheiden. Unverzichtbare Sicherheitsmechanismen müssten hierfür aufgrund der in der Landeshauptstadt zur Anwendung kommenden Programmierumgebung für LSA außer Kraft gesetzt werden.
Deshalb handelt es sich bei den existierenden „schlafenden“ LSA nahezu ausschließlich um reine Fußgängerschutzanlagen, die unabhängig von anderen LSA betrieben werden.
Sie arbeiten als Einzelanlagen, die nicht mit den anderen LSA vernetzt sind, keine Daten über eine Zentrale austauschen und auch nicht über eine Zentrale signaltechnisch „versorgt“ und dabei laufend auf ihre Funktion überprüft werden. Der Abgriff von Daten, wie Verkehrszahlen oder Wartezeiten, ist wegen der fehlenden Vernetzung nicht möglich.
In München sind inzwischen nahezu alle über 1.100 LSA vernetzt. Dies ist Voraussetzung einer zentralen und digitalisierten, intelligenten Verkehrssteuerung.Mit dem in der Landeshauptstadt eingesetzten Verkehrsingenieurarbeitsplatz kann, wie bereits erwähnt, keine Softwareversorgung von LSA erstellt werden, welche die Eigenprogrammierung schlafender LSA zulässt. Jede Programmierung und Änderung an solchen LSA kann nur durch die Herstellerfirmen erfolgen und ist damit wesentlich kostenintensiver, als es im Regelfall mit der sogenannten Direktversorgung der Münchener LSA erfolgen kann.
Zudem entstehen Zeitverluste, da zunächst die Herstellerfirma beauftragt werden muss, Änderungen oder Neuprogrammierungen vorzunehmen, welche das Kreisverwaltungsreferat andernfalls selbst erzeugen und direkt vom Arbeitsplatz in das Steuergerät einspielen könnte.
In dem in München seit Jahrzehnten gewachsenen, ständig weiter ausgebautem Verkehrssteuerungs- und Überwachungs-System sind Anlagen, die nicht tatsächlich ausgeschaltet sind, in die Systemüberwachung bisher nicht sinnvoll zu integrieren.
Diese Systemüberwachung ist jedoch aus Sicht des KVR und BAU als Verkehrsbehörde und Straßenbaulastträger unverzichtbar.
KVR und Baureferat stehen „schlafenden LSA“ grundsätzlich sehr wohlwollend gegenüber und werden diese Art von LSA bei der Weiterentwicklung der Verkehrssteuerungssysteme nicht aus dem Auge verlieren.
Langfristig sehe ich es durchaus als Ziel an, dass es zu Fuß Gehenden bei einer ansonsten nachts ausgeschalteten Ampel ermöglicht werden sollte, bei Bedarf Grünlicht anzufordern – auch im Hinblick auf die allgemeine Barrierefreiheit und den weiteren Ausbau der Zusatzeinrichtungen für Sehbehinderte.
Bis auf Weiteres werden im Stadtgebiet Münchens „schlafende“ LSA jedoch leider nicht möglich sein.
Ich bitte um Kenntnisnahme der Ausführungen und gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.