Sozialer Schutzschirm für München?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE./Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 4.6.2020
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 4.6.2020 führen Sie Folgendes aus:
„Die Covid-19 Epidemie führt zu ökonomischen und sozialen Konsequenzen in allen gesellschaftlichen Bereichen - in der öffentlichen Debatte wird inzwischen ausführlich darüber diskutiert, welchen Verlauf die damit verbundene Wirtschaftskrise nehmen wird, vor allem über deren Ausmaß und Dauer. Kurzarbeit alleine betrifft in Deutschland im Mai 2020 7,3 Millionen Menschen (nach Angabe des IfO-Instituts), in München sind es ca. 52.000 Menschen. Die Betroffenen erstrecken sich über diverseste Berufszweige, besonders betroffen sind aber natürlich die Arbeitnehmer*innen z.B. in der Gastronomie, dem Reise- wie Freizeitwesen.
Als Zwischenstand lässt sich dabei festhalten: Eine zunehmende Zahl von Münchner*innen verliert durch Kurzarbeit oder gar Entlassung einen beträchtlichen Teil ihres oft ohnehin knappen Einkommens. Daher ist es mittlerweile höchst wahrscheinlich, dass immer mehr Menschen auf Hilfen der öffentlichen Hand angewiesen sein werden. Ein Großteil dieser Hilfen wird als Bestandteil der öffentlichen Daseinsvorsorge von der Stadt zu erbringen sein. Es müssen jedoch von der zuständigen Verwaltung auch entsprechende Vorkehrungen getroffen werden, die sicherlich einen zeitlichen Vorlauf benötigen.
Die Stadt muss sich auch auf pessimistische Szenarien vorbereiten.“ Sie baten daher den Oberbürgermeister um Beantwortung von Fragen zu den Handlungsfeldern „Wohnraum erhalten“, „Ausbildung und Familie“, „Soziale Spaltung bekämpfen“ und „Analyse der sozialen Lage“.
Zu Ihrer Anfrage vom 4.6.2020 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Handlungsfeld I) Wohnraum erhalten
Frage 1:
Kann die Stadt gewährleisten, dass kein Münchner Haushalt eine angemessene Wohnung wegen Einkommensverlusten räumen muss und der Wohnraum erhalten bleibt?
a)Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b)Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt ihrer Aufgabe der Vermeidung von Obdachlosigkeit und der Gewährleistung einer menschenwürdigen Unterbringung nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Unmittelbar nach Beginn der Maßnahmen gegen die Sars-CoV-2 Pandemie hat das Amt für Wohnen und Migration Arbeitsgruppen eingerichtet, um mögliche Folgeszenarien im Bereich akuter Wohnungslosigkeit und Prävention zu analysieren und eine Gegenstrategie zu entwickeln. Die Ergebnisse werden dem Stadtrat in einer Beschlussvorlage im Herbst 2020 vorgelegt.
Mit dem Gesamtkonzept „Maßnahmen zum Erhalt von Mietverhältnissen“ verfügt die Landeshauptstadt München seit 2007 über ein differenziertes Angebot zur Prävention von Wohnungsverlusten, welches kontinuierlich weiter entwickelt wurde. Die im Gesamtkonzept beschriebenen Strukturen werden beibehalten und sollen fallweise personell verstärkt werden. Mit dem Ziel das erhöhte Fallaufkommen zu entzerren, werden die Bürgerinnen und Bürger aktuell gezielt über die Unterstützungsmöglichkeiten bei drohendem Wohnungsverlust informiert und aufgefordert, sich möglichst frühzeitig an die „Fachstellen zur Vermeidung von Wohnungslosigkeit“ in den Sozialbürgerhäusern zu wenden. Die regulären Beratungs- und Unterstützungsangebote im Rahmen des Gesamtkonzepts setzen dabei aktuell auf dem „Sozialschutz-Paket“ des Bundestags vom 27.3.2020 auf, das u.a. einen temporär erleichterten Zugang in die Grundsicherungssysteme ermöglicht. Die neuen gesetzlichen Regelungen werden insbesondere durch die vereinfachte Antragstellung beim Jobcenter sehr gut umgesetzt. Viele Haushalte, die aktuell Einkommenseinbußen erleiden, werden damit in die Lage versetzt, ihre Miete zu begleichen. Zudem wurde mit dem Ausschluss von Mietvertragskündigungen aufgrund von Corona bedingten Mietschulden vom 1.4.2020 bis 30.6.2020 eine erste mögliche Kündigungswelle verhindert.
Darüber hinaus wird die sozial und ökologisch orientierte Hausverwaltung in den Objekten der Teilprogramme B und BR des Kommunalen Wohnungsbauprogramms eingesetzt. Sie ist Ansprechpartnerin für alle Fragen der Mieterinnen und Mieter und arbeitet vernetzend mit den lokalen Fachdiensten zusammen. Auftretende Probleme (z.B. Mietschulden), welche das Mietverhältnis gefährden, werden so frühzeitig erkannt und können in fast allen Fällen ohne Verlust der Wohnung gelöst werden.Im Bereich der akuten Wohnungslosigkeit ist unter anderem geplant, die Kapazitäten (Flexi-Heime, gewerbliche Beherbergungsbetriebe, städtische Notquartiere) kurzfristig und befristet auszuweiten und die Prävention für eine Erhöhung der Hilfeanfragen vorzubereiten. So kann angemessen auf einen möglichen Anstieg der Wohnungslosigkeit als Folge der Pandemie reagiert werden.
Frage 2:
Kann die Stadt gewährleisten, dass kein Münchner Haushalt wegen Einkommensverlusten ohne Strom und Heizung auskommen muss?
a) Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt dieser Aufgabe nachkommen kann? Sind die vorhandenene Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Zur Vermeidung und Behebung von Sperrungen der Energieversorgung existiert in München seit 2005 eine Kooperationsvereinbarung zwischen den Stadtwerken München, dem Sozialreferat und der Wohlfahrtspflege (seit 2006). Sie sieht für bestimmte Härtefallgruppen (Familien mit minderjährigen Kindern, Personen mit eingeschränkter Handlungsfähigkeit und sonstigen Personen, die sich in einer besonderen Notlage befinden und bei denen die Zahlungsrückstände nicht grob fahrlässig selbst verschuldet sind) eine Schuldenregulierung vor, die sich aus Eigenmitteln, Forderungsverzicht der Stadtwerke München und Stiftungsmitteln zusammensetzt.
Darüber hinaus unterstützen die Sozialbürgerhäuser sowie die Schuldnerberatungsstellen des Sozialreferates und der Wohlfahrtspflege bei der Aushandlung von Ratenzahlungen, die sich an den knappen finanziellen Mitteln der Betroffenen orientieren. Aktuell steht das Sozialreferat in einem engem Austausch mit den Stadtwerken München, um durch einvernehmliche Lösungen die Energieversorgung auch für diejenigen sicherzustellen, die durch die Corona-Pandemie wirtschaftlich am stärksten betroffen sind.
Frage 3:
Kann die Stadt einen Übernachtungsschutz nach dem 30. Juni 2020 in der Bayernkaserne gewährleisten?
a) Falls ja, sind dabei folgende Kriterien eingehalten: Drei warme Mahlzeiten, 24 Stunden Zugang, Internetzugang, Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen, Möglichkeit tagsüber für Erledigungen, der Schichtarbeit nachzugehen oder einen Spaziergang zu machen und die Angebote der Stadt für obdachlose Personen mehrsprachig zu informieren?
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt dieser Aufgabe nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München kann das Übernachtungsschutz-Angebot selbstverständlich auch nach dem 30.6.2020 gewährleisten. Im Jahr 2019 hat der Stadtrat entschieden, dass das Kälteschutzprogramm (ursprünglich von November bis April) ganzjährig angeboten werden soll. Der Stadtrat hat im November 2019 einen ganzjährigen – jedoch keinen ganztägigen – Übernachtungsschutz beschlossen. Der ganztägige Übernachtungsschutz wurde kurzfristig aufgrund der strengen Ausgangsbeschränkungen zur Eindämmung der Coronapandemie im März 2020 befristet bis zum 30.6.2020 beschlossen (siehe Stadtratsvorlage Nr. 14 – 20/V 18500 vom 29.4.2020). In der Sitzung des Sozialausschusses vom 9.7.2020 hat der Stadtrat eine Verlängerung des Ganztagesangebotes bis zum 31.10.2020 beschlossen (Sitzungsvorlage Nr. 20 – 26/V 00847). Allerdings wird ab dem 1.7.2020 keine Vollverpflegung mehr angeboten. Die Klientinnen und Klienten im Übernachtungsschutz erhalten jedoch Kochmöglichkeiten in bereits vorhandenen Küchen im Haus 22 auf dem Gelände der ehemaligen Bayernkaserne.
Drei warme Mahlzeiten
Während des coronabedingten Ganztagesangebotes bis 30.6.2020 gab es eine Vollverpflegung für die Übernachtungsgäste. Das bedeutete jedoch nicht, dass es täglich drei warme Mahlzeiten gibt. Eine Versorgung mit drei warmen Mahlzeiten ist aus Sicht des Sozialreferates eher unüblich, da in Deutschland (und unseres Wissens auch in Bulgarien und Rumänien) i.d.R nur einmal täglich warm gegessen wird. Seit dem 1.7.2020 wird keine Vollverpflegung mehr bereit gestellt (siehe oben). Eine dauerhafte Vollverpflegung aus kommunalen Finanzmitteln ist aus Sicht des Amtes für Wohnen und Migration aus rechtlichen Gründen unzulässig, weil die überwiegende Anzahl der Menschen im Übernachtungsschutz einem Leistungsausschluss nach dem SGB II und SGB XII unterliegt.
Es gelten aus unserer Sicht die gleichen Grundsätze wie sie das Amt für Soziale Sicherung dem Stadtrat zur Höhe der Regelsätze am 19.2.2020 (VV 14-20/V14948) dargestellt hat. Demnach ist eine abweichende Gestaltung von gesetzlich abschließend bestimmten Regelungen nicht möglich. Die Sondersituation von Ende März bis Ende Juni konnte damit begründetwerden, dass durch die Gleichzeitigkeit von Ausgangsbeschränkung, Wegfall der Einkommen und Unmöglichkeit zur Heimreise ein unabweisbarer Bedarf entstanden ist. Diese Sondersituation ist jetzt aber nicht mehr gegeben, u.a. besteht die Möglichkeit zur Heimreise, weshalb nach dem 30.6.2020 u.E. keine weitere Finanzierung der Vollversorgung aus öffentlichen Haushaltsmitteln zulässig ist. Im übrigen steht die Essensausgabe der Caritas in der Schwanthalerstraße vorerst weiter zur Verfügung und kann auch von diesem Personenkreis genutzt werden. Darüber hinaus werden im Haneberghaus (St. Bonifaz) und in weiteren Münchner Klöstern Essen und Lunchpakete verteilt. Eine Weiterführung der Vollversorgung würde natürlich auch die Frage nach einer Gleichbehandlung in anderen Einrichtungen aufwerfen.
24-Stunden-Zugang
Beim Übernachtungsschutz handelt es sich um ein humanitäres Angebot der Landeshauptstadt zum Schutz von Leib und Leben der obdachlosen Personen. Ein dauerhafter 24-Stunden-Zugang ist aus Sicht des Sozialreferates nicht notwendig. Ein dauerhafter Rund um die Uhr-Zugang würde außerdem höhere Kosten für Sicherheitspersonal bedeuten und wäre daher nur mit Stadtratsbeschluss umsetzbar. Während des vom Stadtrat am 9.7.2020 beschlossenen Ganztagesbetriebes (bis 31.10.2020) ist ein Zugang zwischen 9.00 Uhr und 23.00 Uhr möglich. Die Personen können bis 31.10.2020 auch tagsüber das Gelände verlassen und nach Belieben wieder zurückkommen.
Internetzugang bzw. WLAN
Wird derzeit von Freifunk München mit Unterstützung durch städtische Zuschussmittel (Zuschuss Übernachtungsschutz) realisiert.
Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen
Diese muttersprachliche Unterstützungsmöglichkeit bieten selbstverständlich die Anlaufstelle Schiller25 und die Beratungsstelle für obdachlose Zuwanderinnen und Zuwanderer in der Destouchestraße 89 sowie FamAra für obdachlose Zuwanderinnen- und Zuwanderer-Familien (Träger: Evang. Hilfswerk).
Unterstützung beim Ausfüllen von Formularen und Anträgen gibt es außerdem bei vielen weiteren Stellen, die von der Landeshauptstadt seit vielen Jahren bezuschusst werden. Unter anderem bei der Teestube „komm“, bei „otto & rosi“, beim Beratungszentrum in der Sonnenstraße und bei denBeratungsstellen für obdach-/wohnungslose Frauen und Männer des SkF, KMFV und EHW.
Möglichkeit tagsüber für Erledigungen, der Schichtarbeit nachzugehen oder einen Spaziergang zu machen
Selbstverständlich haben alle Klientinnen und Klienten aus dem Übernachtungsschutz die Möglichkeit, Dinge zu erledigen oder einen Spaziergang zu machen. Der kostenlose Übernachtungsschutz ist jedoch kein dauerhaftes Übernachtungsangebot für (Schicht-)Arbeiterinnen und Arbeiter, weil diese über Arbeitseinkommen verfügen und sich von daher selbst um eine Unterkunft (Arbeiterwohnheim etc.) bemühen müssen. Das Übernachtungsschutzprogramm der Landeshauptstadt München ist ein Angebot für mittel- und obdachlose Menschen (Zuwanderinnen und Zuwanderer aus anderen EU-Staaten). Es soll und darf kein Ersatz für ein Arbeiterwohnheim darstellen. Damit würde die Landeshauptstadt München den Niedriglohnsektor indirekt subventionieren, was nicht das Ziel einer Stadtverwaltung sein kann.
Mehrsprachige Information der Klientinnen und Klienten/Übernachtungsgäste
Die Informationen, Flyer, Aushänge zum Übernachtungsschutz und zu den genannten Beratungsangeboten erfolgen selbstverständlich mehrsprachig (z.B. deutsch, englisch, bulgarisch, rumänisch, ungarisch, polnisch, italienisch). Es gibt darüber hinaus weitere Broschüren des Sozialreferats, die in verschiedene Sprachen übersetzt wurden (z.B. „Soziale Sicherung im Überblick“), für individuelle Notlagen ist jedoch eine persönliche Beratung die beste Unterstützungsmöglichkeit. Dafür werden beispielsweise bei der städtischen Schuldnerberatung Dolmetscherdienste hinzugezogen, für die verbandliche Schuldnerberatung werden die Kosten für Dolmetschende vom Amt für Soziale Sicherung übernommen.
Handlungsfeld II) Schule/Ausbildung und Familie
Frage 1:
Kann die Stadt gewährleisten, dass kein Kind oder kein*e Jugendliche*r hungrig bleiben muss? Gibt es dazu Angebote an Schulen/Kinderbetreuungseinrichtungen bzw. in der häuslichen Betreuung?
a) Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt ihrer Aufgabe der Bekämpfung von Hunger nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Nach dem SGB II, SGB XII und dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten leistungsberechtigte Kinder und Jugendliche einen Regelbedarf, mit dem die Kosten für Verpflegung abgedeckt sind. Bei der Berechnung für Kinderzuschlag und Wohngeld gelten ähnliche Bemessungsgrundlagen. Dieser Personenkreis hat zusätzlich einen Anspruch auf Leistungen aus dem Bildungs- und Teilhabepaket. Dieses beinhaltet auch die Kostenübernahme für die Mittagsverpflegung in städtischen und nichtstädtischen Kindertageseinrichtungen sowie in Schulen.
Das Referat für Bildung und Sport (RBS) teilt zu den Angeboten an Schulen und Kinderbetreuungseinrichtungen mit: An den Schulen steht jederzeit, auch während der Notbetreuung, entsprechend der jeweils aktuell geltenden Regelungen zu Corona ein Angebot zur Verfügung. Dies ist angepasst an die Gegebenheiten und Bedarfe vor Ort und dementsprechend individuell unterschiedlich gestaltet. Um weiterhin auch gegen Lebensmittelverschwendung zu kämpfen und insgesamt auf eine Verhältnismäßigkeit im wirtschaftlichen Sinne achten zu können, bedarf es der Meldung der Eltern, dass ein Bedarf besteht. Das gilt insbesondere für die Eltern, deren Kinder nach dem Bildung-und-Teilhabe-Verfahren (BuT) berechtigt sind, ein kostenloses Essen zu erhalten.
Die meisten beruflichen Schulen konnten mit den Mensabetreiberinnen und Mensabetreibern in enger Absprache mit den Sachwalterinnen und Sachwaltern Lösungen finden, wie den Schülerinnen und Schülern eine Pausenverpflegung angeboten werden kann, ohne die Hygienevorschriften außer Acht zu lassen. Nur an wenigen beruflichen Schulen war dies aus organisatorischen Gründen nicht möglich. Hier wurden die Schülerinnen und Schüler informiert, dass sie eine entsprechende Verpflegung mitzubringen haben.
An den städtischen Kindertageseinrichtungen wird in der Regel durch eigenes städtisches Personal die Essensversorgung der Kinder sichergestellt. Somit gibt es grundsätzlich überall ein Angebot für Kinder mit Anspruchsberechtigung aus dem Bildungs- und Teilhabepaket, das bei Anmeldung des Bedarfs auch während der Notbetreuung zur Verfügung gestellt werden kann. Eine Auslieferung des Essens an die Familien kann durch die Vertragscaterer grundsätzlich angeboten werden. Dies muss jedoch gesondert zwischen den Familien und den Caterern vereinbart werden und erfordert eine Vertragsgestaltung und Logistik außerhalb der städtischen Strukturen. Alle Familien mit Kindern, die nach BuT berechtigt sind, ein Essenzu bekommen, können ihren Bedarf in der Kita anmelden und das Angebot vor Ort abholen, auch wenn sie keine Betreuung an diesem Tag haben.
Durch die Notbetreuung der Kitas sind in der Regel bereits eine Vielzahl an leistungsberechtigten Kindern versorgt, so dass davon auszugehen ist, dass die anspruchsberechtigten Kinder und Familien auch künftig vor Ort über die Einrichtungen versorgt werden können.
Frage 2:
Kann die Stadt gewährleisten, dass alle Schüler*innen ihren Übertritt und ihr Klassenziel trotz Corona-Unterbrechung erreichen?
a) Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt dieser Aufgabe nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Gemäß § 13 Abs. 1 des Kinder- und Jugendhilfegesetzes (SGB VIII) sollen jungen Menschen, die zum Ausgleich sozialer Benachteiligungen und individueller Beeinträchtigungen in erhöhtem Maße darauf angewiesen sind, sozialpädagogische Hilfen zur Förderung ihrer schulischen und beruflichen Ausbildung zu erhalten, angeboten werden. Die Landeshauptstadt München stellt in diesem Zusammenhang eine besonders große Anzahl und Bandbreite an sozialpädagogischen Hilfen im Bereich der Jugendsozialarbeit bereit. Dazu gehören zum Beispiel die Schulsozialarbeit und die Jugendsozialarbeit an Schulen, das Projekt JADE - Jugendliche an die Hand nehmen und Begleiten zur Berufsorientierung und Berufswegfindung (ein gemeinsames Projekt mit dem Referat für Bildung und Sport und der Bundesagentur für Arbeit), sozialpädagogische Lernhilfen oder Projekte, die gezielt Schulversäumnissen entgegenwirken und betroffene Schülerinnen und Schüler bei der Reintegration in das Schulsystem unterstützen.
Durch diese sozialpädagogischen Angebote leistet die Stadt im Bereich der Jugendhilfe in enger Kooperation mit den Schulen einen wesentlichen Beitrag dazu, dass Kinder und Jugendliche individuelle Problemlagen und Entwicklungsaufgaben besser bewältigen und dadurch auch den schulischen Anforderungen besser begegnen können. Auch im Bereich der Hilfen zur Erziehung und der Eingliederungshilfen für seelisch behinderte/von seelischer Behinderung bedrohte Kinder und Jugendliche nimmt die Unterstützung der Familien bei der Bewältigung schulischer Probleme einen großen Stellenwert ein. Zu den Aufgaben der Kinder- und Jugendhilfe gehört esgrundsätzlich nicht, die Erreichung des Klassenziels oder den Übertritt der Schülerinnen und Schüler zu gewährleisten.
Das RBS teilt hierzu mit: Hinsichtlich des Übertritts und des Erreichens des Klassenziels sind alle Schulen, auch die kommunalen Schulen, an die Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gebunden. Es besteht keine Möglichkeit für die kommunalen Schulen der Landeshauptstadt München (LHM), in diesem Bereich eine eigene, davon abweichende Entscheidung zu treffen. Jede Schule hat entsprechend der geltenden Vorgaben ein Konzept sowohl zum Präsenzunterricht als auch zum Homeschooling entwickelt und erfolgreich umgesetzt. Diese Konzepte werden laufend an die jeweils aktuellen Regelungen und Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus angepasst.
Derzeit maßgeblich ist das Schreiben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus vom 6. Mai 2020, in welchem verbindliche Vorgaben gemacht werden. Beide Unterrichtsformen (Präsenzunterricht und Homeschooling) greifen ineinander und bauen aufeinander auf. Sollten Inhalte des Lehrplans wegen der durch die Schulschließung fehlenden Zeiten im Präsenzunterricht nicht vermittelt werden können, werden diese Lücken durch die Lehrkräfte dokumentiert und die Fachlehrkraft des folgenden Schuljahres ausführlich informiert. So kann dann darauf aufgebaut und die eventuell bestehenden Lücken geschlossen werden. Gleichzeitig wird für die Planungen des kommenden Schuljahres bereits jetzt darauf geachtet, dass nach Möglichkeit entsprechende zusätzliche Förderkurse begleitend und unterstützend eingeplant werden. Hier erweist sich zum Beispiel bei den städtischen Gymnasien, Realschulen und Schulen besonderer Art der seit Jahren erfolgreich verfolgte Münchner Weg als sehr tragfähig und hilfreich, da bereits Strukturen implementiert sind, die eine individuelle Förderung der Schülerinnen und Schüler ermöglichen und bereits jetzt gewährleisten.
Auch soll laut Information des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus mit Beginn des nächsten Schuljahres an den Schulen ein Förderangebot für Schülerinnen und Schüler angeboten werden, die auf Probe vorrücken durften. Diesen soll die Möglichkeit geboten werden, Lücken im Leistungsstand zu schließen.
Im oben angesprochenen Schreiben wird insbesondere das Hauptziel deutlich gemacht, dass Schülerinnen und Schüler ein reguläres Jahreszeugnis mit validen Zeugnisnoten erhalten. Eventuell fehlende Leistungsnachweise in den Jahrgangsstufen 5 mit 9 können mit einer angemessenenVorlaufzeit den Umständen entsprechend nachgeholt werden. Weiterhin gelten für das Vorrücken grundsätzlich die bestehenden Regelungen der jeweiligen Schulordung sowie des BayEUG. Bei der Möglichkeit des Vorrückens auf Probe gemäß Art. 53 Abs. 6 BayEUG wird die im Einzelfall zu Leistungsminderungen führende erhebliche Beeinträchtigung infolge der COVID-19-Pandemie in besonderer Maße gewichtet.
Für Fragen zum Übertritt oder Klassenziel der staatlichen Grund- und Mittelschulen liegt die Zuständigkeit beim Staatlichen Schulamt der Landeshauptstadt München. Die Landeshauptstadt München übernimmt lediglich die Funktion der Sachaufwandsträgerin.
Frage 3:
Kann die Stadt gewährleisten, dass alle Jugendlichen ihr Ausbildungsziel erreichen?
a) Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt dieser zukunftssichernden Aufgabe nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Für Jugendliche und junge Erwachsene, die ihr Ausbildungsziel auf Grund von Ausbildungsabbrüchen und Kündigungen nicht erreichen oder wegen individueller Beeinträchtigungen nicht in den Ausbildungsmarkt integriert werden können, stehen grundsätzlich die Angebote und Maßnahmen der berufsbezogenen Jugendhilfe BBJH zur Verfügung, wenn sie einen vom Stadtjugendamt festgestellten Jugendhilfebedarf im Übergang Schule Beruf nach § 13 SGB VIII aufweisen und keine geeigneten Maßnahmen der Bundesarbeitsagentur (§§ 45, 48, 49, 51 und 57 SGB III) bzw. der Schulbehörde zeitnah zur Verfügung stehen.
Es handelt sich dabei um Jugendliche und junge Erwachsene, die sich in einer prekären Lebenslage befinden bzw. hiervon bedroht sind, die aktuell aufgrund der individuellen Beeinträchtigungen/sozialen Lage nicht zu einer gelingenden Lebensgestaltung in der Lage sind und deren berufliche Integration ohne langfristige intensive Hilfe zu scheitern droht. Aktuell stehen ca. 350 Maßnahmeplätze in Form von Ausbildungsplätzen, Qualifizierungsmaßnahmen, Berufsorientierungs- und Berufsvorbereitungsmaßnahmen sowie Beratungseinrichtungen zur Verfügung. Die Zuleitung und das begleitende Casemanagement erfolgt durch das in der Jugendberufsagentur JIBB angesiedelte IBZ Jugend.Prognostisch gehen alle Kostenträger im Bereich der Jugendberufshilfe davon aus, dass die Zielgruppe der besonders benachteiligten jungen Menschen in besonderer Weise von den wirtschaftlichen Auswirkungen der Corona-Pandemie betroffen sein wird und mit steigendem Bedarf an Maßnahmeplätzen der BBJH zu rechnen ist. Fachlich wären demnach die Sicherung der bestehenden Angebote und der zielgenaue Ausbau notwendig. Gleichzeitig besteht die Befürchtung, dass Einsparmaßnahmen erhebliche Auswirkungen auf die bewährten vorhandenen Strukturen der BBJH haben, zum Beispiel durch die Reduzierung der sozialpädagogischen Betreuung und Reduzierung der Ausbildungsplätze. Dies betrifft insbesondere Mittel, die im Armutsbeschluss (Sitzungsvorlage 14-20/V 16433, KJHA 5.11.2019) und der Beschlussvorlage zur Förderung freier Träger der Wohlfahrtspflege (14-20/V 15937, KJHA 05.11.2019) beschlossen wurden, sowie Bedarfe, die für das Haushaltsjahr 2021 über Beschlussvorlagen dem Stadtrat zur Entscheidung vorgelegt werden sollten.
Das RBS teilt hierzu mit: Die LHM kann aus oben dargelegten Gründen keine Gewährleistung für das Erreichen des Ausbildungsziels der Jugendlichen übernehmen. Letztendlich ist auch die persönliche Lernqualität einer bzw. eines Jugendlichen für den Lernerfolg und damit für das Erreichen des Ausbildungsziels verantwortlich. Im Rahmen ihrer Möglichkeiten und in ihrer Zuständigkeit als Sachaufwandsträgerin sorgt die Landeshauptstadt München dafür, dass die Jugendlichen ihre angestrebten schulischen Ziele erreichen. So ist zum Beispiel das aktuelle Abitur trotz der zahlreichen zu erfüllenden Sicherheitsauflagen, nach Aussage einiger Gymnasien, sehr gut verlaufen. Vergleichbare Ergebnisse liegen zum jetzigen Zeitpunkt nicht vor, da die Abiturprüfungen noch nicht abgeschlossen sind.
Die Schulen sind bei der Zulassung zu den Abschlussprüfungen und der Umsetzung derselben an die rechtlichen Regelungen der einzelnen Schul- ordnungen sowie des BayEUG als auch an die Vorgaben des Bayerischen Staatsministeriums für Unterricht und Kultus gebunden. Angesichts der aktuellen Lage mit COVID-19 wurde am 20. April 2020 ein entsprechendes Schreiben mit den aktuell geltenden Maßgaben veröffentlicht. Die Umsetzung dieser Vorgaben ermöglicht den Schülerinnen und Schüler ein Erreichen des Ausbildungsziels. Darüber hinaus gibt es weitere Angebote von städtischen Realschulen und Schulen besonderer Art im Rahmen des Münchner Wegs, etwa ein freiwilliger Ferienkurs zur Vorbereitung auf die Abschlussprüfungen.
Die zügige Wiederaufnahme des Präsenzunterrichts für Abschlussklassen des laufenden Prüfungsjahres und anschließend für die Klassen des nächsten Prüfungsjahrgangs nach der „heißen Phase“ der Corona-Pandemiein Bayern – angeordnet durch das Bay. StMUK – wird sicher auch einen großen Anteil daran haben, dass trotz der großen zu bewältigenden Aufgaben den SchülerInnen und Schüler des aktuellen und nächsten Prüfungsjahrgangs keine Nachteile entstehen. Die Landeshauptstadt München hat durch oben dargestellte Leistungen dafür gesorgt, dass dieser Präsenzunterricht reibungslos und sicher für alle Personen an den Schulen starten und fortgeführt werden konnte.
Auch im beruflichen Schulbereich kann – unabhängig von Beeinträchtigungen durch die Corona-Pandemie – nicht gewährleistet werden, dass alle Schülerinnen und Schüler das Klassen- oder Ausbildungsziel erreichen. Allerdings unternehmen alle am Schulleben beteiligten Personen größte Anstrengungen, um den Schülerinnen und Schüler die unter den gegebenen Umständen optimalen Voraussetzungen zu bieten:
Die städtischen Lehreninnen und Lehrer haben innerhalb kürzester Zeit auf diese besondere Situation reagiert und sich in verschiedenste Online-Tools eingearbeitet, um den Schülerinnen und Schüler das Recht auf Bildung zukommen zu lassen und den Erfolg der Aus- bzw. Weiterbildung nicht zu gefährden. Während der Schulschließungen und auch darüber hinaus wurden die Schülerinnen und Schüler aller städtischen beruflichen Schulen mit Unterrichtsmaterialien versorgt. Hierbei wurden zielgruppenorientiert unterschiedliche Kanäle genutzt: Es wurden Online-Foren mit Lernmaterial bestückt und parallel Arbeitsblätter per Post versandt. Live-Chats wurden ebenso angeboten wie selbstgedrehte Erklärvideos.
Zudem haben die Betriebe, Unternehmen und Praxen als Dualer Partner die Vermittlung der Inhalte des fachpraktischen Unterrichts während der Schulschließungen teilweise übernommen. Dennoch kann eine Online-Beschulung nicht die hohe Qualität des Präsenzunterrichts adäquat ersetzen. Im Bereich der beruflichen Schulen besteht flankierend die Problematik, dass ca. 5 Prozent der Schülerinnen und Schüler nicht über einen heimischen Internetzugang verfügen. Es darf zudem nicht außer Acht gelassen werden, dass die Schule neben dem Bildungs- auch einen Erziehungsauftrag hat, welcher über die Online-Beschulung kaum umsetzbar ist. Entstandene Wissenslücken müssen in den Wochen und Monaten nach der Schulschließung durch Berufsorientierte Bildung (BoB) oder andere Instrumente aufgefangen und aufgearbeitet werden – falls sich die Lage entsprechend entspannt, dass diese Instrumente wirksam eingesetzt werden können.
Als flankierende Maßnahme hat das Staatsministerium für Unterricht und Kultus verfügt, dass in diesem Schuljahr keine verpflichtenden benotetenLeistungsnachweise mehr stattfinden. Schülerinnen und Schüler können sich jedoch zur Leistungsverbesserung auf freiwilliger Basis prüfen lassen. Es soll auch jeweils die Möglichkeit des Vorrückens auf Probe geprüft werden.
Frage 4:
Kann die Stadt gewährleisten, dass Alleinerziehende bei der jetzigen Doppelbelastung mit Homeoffice und Kinderbetreuung schnelle und unbürokratische Unterstützung bekommen?
a) Falls ja, bitte um die Darstellung der entsprechenden Maßnahmen.
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt dieser zukunftssichernden Aufgabe nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Alleinerziehende Mütter und Väter stehen aktuell durch die Einschränkungen zur Eindämmung der Covid-19-Pandemie ganz besonderen Herausforderungen gegenüber. Die Landeshauptstadt München bietet schnelle und unbürokratische Unterstützung für Alleinerziehende. Bezüglich der Kinderbetreuung gilt: Seit dem 27.4.2020 haben Alleinerziehende, auch wenn sie nicht in Bereichen der kritischen Infrastruktur arbeiten, Anspruch auf einen Notbetreuungsplatz in einer Kita. Ergänzend teilt das RBS mit, dass dies auch für die ganztägigen Betreuungsangebote der Schulen sowie deren Mittagsbetreuungen gilt.
Die Landeshauptstadt München hat die Bedarfe und besonderen Herausforderungen von Alleinerziehenden im Blick. Es wird stetig daran gearbeitet, die Beratungs-, Unterstützungs- und Hilfsangebote für Alleinerziehende in München, den Bedarfen entsprechend, signifikant auszuweiten.
Um den Alleinerziehenden in München noch passgenauere und umfassendere Hilfen anbieten zu können, hat der Stadtrat der Landeshauptstadt München, zusätzlich zu den bestehenden Unterstützungsangeboten für Alleinerziehende in München, im Rahmen des Projektes „München gegen Armut“ für dieses Jahr unter anderem den Aufbau eines Unterstützungsdienstes (Lotsenmodell) zur zeitlich begrenzten Begleitung hochbelasteter Alleinerziehender in Krisensituationen beschlossen. Des Weiteren wurde der bedarfsgerechte Ressourcenausbau der speziellen Beratungsstellen für Alleinerziehende, VAMV e.V. und siaf e.V., ab 2020 beschlossen.
Handlungsfeld III) Soziale Spaltung bekämpfen
Frage 1:
Kann die Stadt gewährleisten, dass Rentner*innen, chronisch Kranke, Menschen mit Einschränkungen, aber auch Menschen mit ALG II-Bezug in München nicht hungern müssen?
a) Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b) Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt ihrer Aufgabe der Bekämpfung von Hunger nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Die wichtigsten Leistungen, die vor Hunger und Not schützen, sind die Grundsicherung für Arbeitssuchende und die Sozialhilfe nach den einschlägigen Sozialgesetzbüchern (SGB). Wer nicht in der Lage ist, aus eigenen Kräften und mit eigenen Mitteln seinen Lebensunterhalt zu bestreiten oder sich in besonderen Lebenslagen selbst zu helfen und auch anderweitig keine ausreichende Hilfe erhält, hat ein Recht auf wirtschaftliche Hilfen. Diese Hilfe wird in Form von Arbeitslosengeld II nach dem SGB II oder in Form der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw. als Hilfe zum Lebensunterhalt nach dem SGB XII erbracht. Aufgrund der Corona-Pandemie hat die Bundesregierung den Zugang zu den Leistungen nach dem SGB XII und SGB II vorübergehend vereinfacht und ein umfangreiches Sozialschutz-Paket beschlossen, damit die wirtschaftlichen Folgen für die Bürgerinnen und Bürger abgefedert werden.
Diese gesetzlichen Leistungen werden in München durch ein vielschichtiges Angebot ergänzt. So können sich beispielsweise Münchnerinnen und Münchner, die in eine persönliche Notlage geraten sind, an das Servicetelefon des Sozialreferates unter 089-233-96833 oder online an die Sozialbürgerhäuser wenden. Das Servicetelefon ist Montag bis Mittwoch von 8 bis 16 Uhr, am Donnerstag von 8 bis 17 Uhr, am Freitag von 8 bis 13 Uhr erreichbar. Über das Servicetelefon ist auch der Einkaufsservice für ältere Menschen erreichbar, der an allen Sozialbürgerhäusern und Alten- und Service-Zentren (ASZ) eingerichtet war. Aus Kapazitätsgründen wird dieser Einkaufsservice ab Juni nur noch in den ASZ weiter geführt.
Ältere Menschen und ihre Angehörigen erhalten darüber hinaus durch sozialpädagogische Fachkräfte in den ASZ, Beratungsstellen und Sozialbürgerhäusern weitergehende Beratung und konkrete Hilfestellungen. So werdenhier beispielsweise weitere Unterstützungsleistungen organisiert, Hausbesuche angeboten und Dienste der häuslichen Versorgung koordiniert.
Darüber hinaus organisieren die freien Träger der Münchner Nachbarschaftstreffs und der soziokulturellen Einrichtungen seit dem Ausbruch der Pandemie an mehreren Standorten Einkaufsdienste für Senioren und Risikopatienten und liefern teilweise auch Mittagessen aus (z.B. Nachbarschaftshilfe in der Au, AKA e.V., Nachbarschaftstreffs der Diakonie Hasenbergl, NBT Elly, QuarterM gGmbH). Bereits laufende Nachbarschaftshilfeprojekte und Foodsharing/Foodsaving-Angebote blieben auch in der Corona-Zeit bestehen.
Nicht unerwähnt bleiben soll die hilfreiche Unterstützung der Münchner Tafel und der Caritas mit ihrem Projekt „Brot & Mantel“ bei der Lebensmittelversorgung während der Corona-Pandemie. Derzeit werden bedürftige Bürgerinen und Bürger durch die Münchner Tafel am Westtor der Markthallen München versorgt, in den nächsten Tagen und Wochen werden aber viele der 27 Ausgabestellen der Münchner Tafel in den Stadtteilen wieder kontrolliert geöffnet werden.
Frage 2:
Kann die Stadt gewährleisten, dass es öffentlich zugängliche Räumlichkeiten gibt, an denen Menschen mit wenig Geld sich aufhalten können, ohne einem Konsumzwang zu unterliegen? Wie kann die Stadt sicherstellen, dass diese Menschen nicht von einem Ort nach dem anderen vertrieben werden?
a)Falls ja, bitte ich um Darstellung der entsprechenden Vorkehrungen.
b)Falls nein: Was muss geschehen, damit die Stadt dieser Aufgabe nachkommen kann? Sind die vorhanden Strukturen ausreichend für einen massiven Anstieg der Hilfeberechtigten?
Antwort:
Für ältere Münchnerinnen und Münchner sind mit den städtisch geförderten Einrichtungen der offenen Altenhilfe eine ganze Reihe öffentlich zugänglicher Räumlichkeiten vorhanden, in denen kein Konsumzwang besteht. Derzeit werden diese Einrichtungen nach der Corona-Krise schrittweise in den Regelbetrieb zurückgeführt, um ältere Menschen weiterhin möglichst niederschwellig unterstützen zu können. Die schrittweise Öffnung erfordert bei der vulnerablen Zielgruppe jedoch ein sensibles und durchdachtes Vorgehen; hierzu arbeiten derzeit alle Einrichtungen an individuellen Hygiene- und Schutzkonzepten. Die 32 Alten- und Service-Zentren sowie sieben weitere Einrichtungen der offenen Altenhilfe bieten u.a.einen sozialen Mittagstisch für ältere Menschen an, der bei geringem Einkommen kostenfrei ist.
Auch die 43 städtisch geförderten Münchner Nachbarschaftstreffs und die 16 soziokulturellen Einrichtungen haben ihre Angebote in der Pandemie angepasst sowie Hygiene- und Schutzkonzepte ausgearbeitet. Bereits im Mai wurde die schrittweise Öffnung der Einrichtungen eingeleitet. Aufgrund der aktuellen weitreichenden Lockerungen der Kontaktbeschränkungen können nahezu alle niederschwelligen und überwiegend kostenfreien Gruppenaktivitäten sowie Angebote in den Einrichtungen wieder stattfinden.
Für Familien mit Kindern im Alter von 0 bis 6 Jahren sind auch die 28 Familienzentren eine wohnortnahe, niedrigschwellige Anlaufstelle ohne Konsumzwang. An diesem Ort der Begegnung, der Information, des Austauschs und der Aktivitäten für Familien finden sie kompetente Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner in allen Fragen rund um das Thema Familie. Nach angepasster Umstellung der Angebote während der Corona-Pandemie ist eine schrittweise Öffnung gemäß der aktuellen Vorschriften nun wieder möglich.
Für Kinder und Jugendliche in München werden nun sukzessive alle Einrichtungen der Offenen Kinder- und Jugendarbeit wieder geöffnet. Diese Angebote leisten einen Beitrag zur Förderung, Erziehung und Bildung junger Menschen und zu einer kinder- und jugendfreundlichen städtischen Lebenswelt.
Die Angebote orientieren sich am Bereich Freizeit. Sie bieten stationäre und mobile Aktivitäten in den Feldern Kontakt und Kommunikation, kulturelle und politische Bildung, Kinder- und Jugendinformation, Sport, Spiel, Aktion und Bewegung. Die Angebote der Einrichtungen sind in der Regel kostenfrei für die Kinder und Jugendlichen. In den Einrichtungen werden zum Selbstkostenpreis kleine Snacks und Getränke für die Besucherinnen und Besucher bereitgestellt.
Handlungsfeld IV) Analyse der sozialen Lage
Frage:
Die Krise, die sich wahrscheinlich gerade erst aufbaut, besonders im Hinblick auf die Möglichkeit einer zweiten und dritten Welle, verschlechtert das Leben vieler Münchner*innen.
1)Hat die Stadt München in dieser Form schon einen Überblick über die soziale Lage in München?
2)Wie viele Hartz-4 Anträge, wie viele Wohngeld-Anträge und Anträge auf eine Corona – Soforthilfe aus den unterschiedlichsten Programmen wurden seit Beginn des Jahres Januar 2020 gestellt?
3)Lässt sich dabei eine Entspannung oder Steigerung feststellen?
4)Wie viele Anträge sind derzeit unbearbeitet?
5)Wie viele Menschen sind von akuter Armut bedroht und haben dramatische Probleme, ihr Leben zu bestreiten?
6)Welche finanziellen, unbürokratischen Unterstützungen von Familien für die Belastungen Erwerbsarbeit, Kindererziehung und Care Arbeit könnten geschaffen werden?
Diese Erkenntnisse sind unerlässlich, damit die Landeshauptstadt München, so wie es im Koalitionsvertrag von Grün-Rot hieß, eine solidarische Stadt während und nach der Krise bleibt oder bleiben kann. Gegebenenfalls wäre es deswegen ratsam, eine soziologische Studie über die soziale Lage der Stadtbevölkerung anzustreben, die sich der Auswirkungen der Covid-Krise auf die Münchnerinnen und Münchner annimmt.
Antwort:
1) Zum derzeitigen Zeitpunkt ist es nicht möglich, einen Gesamtüberblick über die mittel- und langfristigen Auswirkungen der Corona-Pandemie und insbesondere der damit verbundenen Beschränkungen zu geben. Bereits jetzt zeichnen sich aber in einigen Teilbereichen Entwicklungen ab, die sich nachhaltig auf die soziale Lage in München auswirken können. Wie in ganz Deutschland nimmt auch in München die Zahl der Unternehmensinsolvenzen zu, die Zahl der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer in Kurzarbeit ist sprunghaft angestiegen und ein deutlicher Anstieg der Antragszahlen im SGB II ist zu verzeichnen. Insgesamt ist davon auszugehen, dass viele Münchnerinnen und Münchner aufgrund des Einkommensverlustes ihren Zahlungsverpflichtungen nicht mehr regelmäßig nachkommen können.
Bereits jetzt wenden sich Menschen in wirtschaftlichen Notlagen vermehrt an die sozialen Dienste des Sozialreferats und der Wohlfahrtspflege. Beispielsweise erlebt die Schuldner- und Insolvenzberatung derzeit eine deutlich verstärkte Nachfrage von Verbrauchern und Kleinstunternehmen. Auch bei den Essenstafeln ist eine erhöhte Nachfrage zu beobachten, ebenso bei vielen sogenannten „freiwilligen Leistungen“, mit denen das Sozialreferat Menschen mit geringem Einkommen un-
terstützt (z.B. Zuschuss für einen Laptop für Kinder und Jugendliche im SGB II-Leistungsbezug).
2) Die letzten Wochen waren für das Jobcenter München außerordentlich intensiv, denn es musste ein deutlicher Paradigmenwechsel vollzogen werden. Es ist dem Jobcenter gelungen, die Menschen schnell und
unkompliziert in der Covid-19-Krise mit finanziellen Mitteln zu unterstützen und den vom Gesetzgeber verabschiedeten erleichterten Zugang in die Grundsicherung umzusetzen. Seit Beginn der Covid-19- Krise gingen 12.059 Anträge ein (ab 23. März 2020 bis einschließlich KW 25). Der Bestand an Bedarfsgemeinschaften liegt aktuell bei 38.460 (nicht revidiert), was einer Steigerung von 15 Prozent im Vergleich zu Februar 2020 entspricht.
Aber auch im SGB XII konnte in der Zeit von etwa Mitte April bis Ende Mai ein deutlich höherer Fallzahlanstieg als üblich festgestellt werden. Insgesamt haben von Anfang März bis einschließlich KW 26 etwa 1.200 Münchnerinnen und Münchner einen Antrag auf Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung bzw. Hilfe zum Lebensunterhalt gestellt – das sind etwa viermal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Die Zahl der Wohngeldanträge hat sich im Januar 2020 im Vergleich zu Dezember 2019 bereits mehr als verdreifacht, was aber auch auf die zum 1.1.2020 in Kraft getretene Wohngeldnovelle zurückzuführen ist. Nach einem leichten Antragsrückgang im Februar stieg die Zahl der Anträge wieder deutlich an und erreichte im April 2020 mehr als 140 Prozent des Vorjahresniveaus. Bis Ende Mai 2020 sind insgesamt 7.230 Anträge auf Wohngeld eingegangen.
Zu den Soforthilfen teilt das Referat für Arbeit und Wirtschaft (RAW) mit: Der Bund und die Bayerische Staatsregierung haben Soforthilfe-Programme eingerichtet. Die Landeshauptstadt München hat den Vollzug der Soforthilfeprogramme für das Stadtgebiet München übernommen. Innerhalb der Stadtverwaltung wurde das Referat für Arbeit und Wirtschaft mit der Umsetzung der Programme beauftragt. Seit Pro-
grammstart sind rund 70.000 Anträge auf Corona-Soforthilfe, die in den Zuständigkeitsbereich der LH München fallen, eingegangen. Das Programm endete zum 31.5.2020. Es gibt keine unbearbeiteten Anträge. Insgesamt wurde eine Summe von ca. 302 Mio. Euro (Stand 5.6.2020) ausgezahlt.
3) Das Jobcenter München hat für 2020 die Entwicklung der Bedarfsgemeinschaften prognostiziert: Bis zum Ende des Jahres könnten unter Umständen rund 40.000 Bedarfsgemeinschaften auf Grundsicherung angewiesen sein. Die Zahl der Anträge im SGB XII normalisiert sich derzeit wieder auf die üblichen 100 bis 150 Neuanträge pro Monat. Beim Wohngeld war im Mai 2020 im Vergleich zum Vormonat ein leichterRückgang der Antragszahlen zu verzeichnen, die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Das Soforthilfeprogramm des Freistaats bzw. des Bundes endete zum 31.5.2020, insofern können hier keine weiteren Anträge gestellt werden.
4) Unbearbeitete Anträge liegen derzeit im SGB XII und im Bereich Soforthilfe (RAW) nicht vor. Nach Erhebung des Jobcenters München liegen derzeit 1.385 offene Anträge vor (Stand KW 25). Als offen wird ein Neuantrag gewertet, wenn der jeweils weitere Bearbeitungsschritt nach Vorlage der notwendigen Unterlagen in der Leistungssachbearbeitung umsetzbar ist.
Im Bereich Wohngeld liegt der Antragseingang in den ersten fünf Monaten des Jahres 2020 ca. 80 Prozent über dem Vergleichszeitraum des Vorjahres. Insofern erklärt es sich, dass Ende Mai 2020 ca. 4.600 Wohngeldanträge noch nicht abschließend bearbeitet waren. Davon befinden sich 2.000 aktuell in Bearbeitung (Unterlagenanforderung, Prüfung), 2.600 weitere Anträge müssen noch bearbeitet werden.
5) Laut Armutsbericht 2017 waren etwa 270.000 Münchnerinnen und Münchner im Jahr 2016 von Armut bedroht, das waren 17,4 Prozent der Münchner Bevölkerung. In welchem Umfang sich die Corona-Pandemie und die damit verbundenen Beschränkungen letztendlich auf die Armutsentwicklung auswirken, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht beurteilt werden. Erst die geplante Bevölkerungsbefragung 2020 des Referates für Stadtplanung und Bauordnung und die laufenden Berichte aus den Fachreferaten (z.B. Geschäfts- und Steuerungsbericht des Sozialreferates, Jahreswirtschaftsbericht des Referates für Arbeit und Wirtschaft, Bildungsbericht des Referates Bildung und Sport, Armutsbericht des Sozialreferates) werden die Folgen der Corona-Krise für die Soziale Lage in München annähernd beschreiben und beziffern können.
Fest steht: Von der Corona-Pandemie und den damit einhergehenden Beschränkungen des ökonomischen und sozialen Lebens sind Menschen mit geringem Einkommen und gesundheitlichen Einschränkungen am stärksten betroffen. Demzufolge geht das Sozialreferat davon aus, dass die Anzahl der Personen, die von Armut betroffen sind, ansteigen wird. Besonders deutlich zeigt sich dies bereits jetzt bei Menschen in prekären Beschäftigungsverhältnissen, die häufig nicht nur ihre Arbeit, sondern auch die vom Arbeitgeber gestellte Unterkunft verlieren. Selbstständige sind aufgrund der rückläufigen Auftragslage von der Krise stark betroffen und bangen um ihre Existenz. Von den Unterneh-mensinsolvenzen sind in der Folge auch deren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (Verbraucherinnen und Verbraucher) betroffen.
6) Die Landeshauptstadt München und zahlreiche weitere Akteurinnen und Akteure der Stadtgesellschaft sind derzeit an vielen Stellen aktiv, um möglichst unbürokratisch Unterstützung zu leisten. So wurden von Sozialreferat für mehrere Monate die Essensversorgung mit warmen Mahlzeiten durch Food-Trucks finanziell unterstützt und die kostenlosen Mittagstische der Alten- und Servicezentren auf einen Lieferdienst umgestellt.
Ich bitte Sie, von den vorstehenden Ausführungen Kenntnis zu nehmen, und hoffe, dass Ihre Anfrage zufriedenstellend beantwortet ist.