Sozialwohnungen zu Wucherpreisen: Ausnahme oder die Regel?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Marie Burneleit, Stefan Jagel, Thomas Lechner und Brigitte Wolf (DIE LINKE./Die PARTEI Stadtratsfraktion) vom 22.6.2020
Antwort Sozialreferentin Dorothee Schiwy:
In Ihrer Anfrage vom 25.6.2020 führen Sie Folgendes aus:
„Die Wohnungssituation in München verschärft sich Jahr für Jahr. Breite Teile der Bevölkerung können sich im freifinanzierten Bereich keine Wohnung mehr leisten und sind deswegen auf geförderten Wohnraum angewiesen. Während Mietpreise immer neue Höhen erreichen, hat sich in den letzten 35 Jahren die Zahl der Sozialwohnungen in München trotz starkem Bevölkerungswachstum von 115.000 auf 45.000 mehr als halbiert. Nur etwa einem Zehntel der Haushalte auf der Warteliste für eine geförderte Wohnung, konnten in den letzten Jahren eine solche zugeteilt werden. Doch selbst eine vom Wohnungsamt zugeteilte Sozialwohnung ist keine Garantie für eine sozial verträgliche Miete. Eine Mieterin der Dawonia (ehemalige GBW), der erst kürzlich eine Wohnung zugeteilt wurde, ist auf unsere Fraktion zugekommen und hat mitgeteilt, dass die Dawonia eine Miete von 15 Euro pro Quadratmeter von ihr verlangt. Dabei handelt es sich um eine der etwa 1.000 EOF-Wohnungen der Dawonia, die im Zuge der Privatisierung von 32.000 landeseigenen Wohnungen an ein Konsortium um die Patrizia AG für einen Spotpreis verkauft wurden. Die Geschäftspraxis der Dawonia, selbst bei geförderten Wohnungen die maximale Miete aus den Betroffenen zu pressen, ist seit Jahren bekannt. Alle drei Jahre werden die Mieten um 15 Prozent erhöht. Die Gehälter der Betroffenen, oft Pflegekräfte, Erzieherinnen oder Verkäufer können mit diesen Mietsteigerungen nicht annähernd mithalten. Viele Menschen wurden bereits verdrängt, obwohl sie davon ausgingen mit einer geförderten Wohnung nach jahrelangem Warten endlich ein sicheres Zuhause zu haben. Handelt es sich hierbei nur um Einzelfälle oder ist dies die Regel bei privaten Vermietern von geförderten Wohnungen?“
Zu Ihrer Anfrage vom 25.6.2020 nimmt das Sozialreferat im Auftrag des Herrn Oberbürgermeisters im Einzelnen wie folgt Stellung:
Frage 1:
Welche Quadratmeterpreise (nettokalt) müssen Mieter*innen bei vom Wohnungsamt zugeteilten und geförderten Wohnungen aktuell bezahlen (ohne Berücksichtigung der EOF-Zuschüsse)? Bitte schlüsseln Sie die Zahlen nach Eigentümer (kommunale Wohnungsgesellschaften, Genossen-schaften und private Eigentümer) und Mietpreisspanne (< 9/m²; 9-11/m²; 11-13/m²; 13-15/m²; > 15/m²) auf.
Antwort:
Weder im Sozialreferat noch im Referat für Stadtplanung und Bauordnung liegen Erhebungen über die verlangten Quadratmeterpreise geförderter Wohnungen vor. Lediglich bei Überprüfungen von Mieten erhält das Referat für Stadtplanung und Bauordnung von Eigentümerinnen und Eigentümer oder Mieterinnen und Mieter Auskunft über die tatsächlich verlangten Mieten. Dies betrifft aber nur einen sehr kleinen Prozentsatz der geförderten Wohnungen. Die gewünschte Aufstellung mit einer Aufschlüsselung nach Eigentümer und Mietpreisspanne kann daher leider nicht geleistet werden.
In den Jahren 2001 bis einschließlich 2019 wurden ca. 12.500 Wohneinheiten in der EOF bewilligt, von denen knapp 10.000 Wohneinheiten bereits vermietet sein dürften. Die Ermittlung der aktuellen Miethöhe wäre hier nur mit einem unverhältnismäßig hohen Aufwand möglich. Zudem sind die Eingangsmieten nur moderat gestiegen (2015: 9,40; 2020: 9,60/m² Wohnfläche).
Frage 2:
Inwiefern klärt das Wohnungsamt bei der Vergabe einer geförderten Wohnung im Eigentum der Dawonia die neuen Mieter*innen über die Mieterhöhungspraxis des Vermieters auf?
Antwort:
Das Amt für Wohnen und Migration ist für die Registrierung von Haushalten für geförderten Wohnraum sowie für die Vergabe von gefördertem Wohnraum zuständig. Eine Beratung der wohnungssuchenden Haushalte hinsichtlich der zukünftigen Vermieter und deren Mieterhöhungspraktiken findet nicht statt. Auskunft zur Miete, zur Zulässigkeit von Mieterhöhungen und zu Betriebskosten erteilt im Referat für Stadtplanung und Bauordnung das Team der ‚Mietfachstelle für geförderten und preisgedämpften Wohnungsbau‘. Bisher sind dieser Stelle aber keine unzulässigen Mieterhöhungen der Dawonia bekannt.
Frage 3:
Hält das Wohnungsamt Kaltmieten von über 15 Euro pro Quadratmeter für geförderten Wohnraum als angemessen?
Antwort:
Aktuell wurden der Landeshauptstadt München noch keine Mieterhöhungen vorgelegt, die einen Mietpreis von 15/m² zur Folge hatten. Alle bisher überprüften Mieterhöhungen für EOF-Wohnungen der Dawonia lagen deutlich darunter.
Für die Adams-Lehmann-Straße z.B. führten die Mieterhöhungen aus dem Jahr 2017 zu Kaltmieten zwischen 11,00 und 11,80/m² (durchschnittlich 11,40). Hierbei ist der EOF-Zuschuss noch abzuziehen. Selbst eine mögliche Mieterhöhung in 2020 um 15 % hätte eine Kaltmiete von 12,65 bzw. 13,57/m² (durchschnittlich 13,11) zur Folge und liegt damit immer noch deutlich unter 15/m². Bei Berücksichtigung des EOF-Zuschusses noch deutlich mehr.
Das Sozialreferat selbst setzt sich, wie auch Oberbürgermeister Dieter Reiter, wo immer möglich, für bezahlbares Wohnen für alle ein.
Frage 4:
Die ehemalige GBW-AG hat beim Bau vieler geförderter Wohnungen in München Förderdarlehen in Millionenhöhe erhalten. Sieht die Stadt Möglichkeiten gegebene Fördergelder zumindest in Teilen zurückzuerhalten, da der Förderzweck offensichtlich nicht mehr erfüllt wird?
Antwort:
Mit dieser Frage wurde bereits wiederholt der Stadtrat bzw. der Oberbürgermeister befasst. So z.B. mit:
- Beschluss des Ausschusses für Stadtplanung und Bauordnung vom 27.3.2019 „Mieterhöhungspraxis der GBW bei EOF-Wohnungen“
- Stadtratsanfrage der Fraktion DIE GRÜNEN/RL, DIE LINKE vom 6.8.2019 Rechtsgutachten für ehemalige GWB Wohnungen
- Schreiben an Herrn Staatsminister Dr. Hans Reichhart vom 30.11.2018 Mieterwunsch Entschädigungsfonds
Antwort des Staatsministers vom 18.12.2018 – Ablehnung eines Entschädigungsfonds
Dabei wurde jeweils festgestellt, dass der Förderzweck erfüllt ist und eine Rückforderung der Fördermittel nicht möglich ist.
Das Staatsministerium für Wohnen, Bau und Verkehr hatte auf Anfrage der Bewilligungsstelle München (Referat für Stadtplanung und Bauordnung)zur Frage einer Aufhebung des Förderbescheides, was eine Rückforderung der Fördergelder zur Folge hätte, mitgeteilt, dass selbst eine Teilaufhebung des Bewilligungsbescheids daran geknüpft wäre, dass der Förderzweck nicht mehr erreicht wird. Das sei aber gerade nicht der Fall.
Die Belegungsbindung sorge weiterhin dafür, dass Wohnungssuchende, die sich am Markt nicht angemessen mit Wohnraum versorgen können, prioritär (insbesondere aufgrund der Auswahl im Benennungsverfahren) mit Wohnraum versorgt würden und nicht auf den freien Markt angewiesen seien. Die Zusatzförderung sorge zudem dafür, dass dieser Wohnraum gegenüber dem Wohnraum auf dem freien Markt auch eher bezahlbar sei. Selbst wenn der Mietvorteil auf die Gewährung der Zusatzförderung beschränkt ist, trage dies dem allgemeinen Förderzweck des Bayerischen Wohnraumförderungsgesetzes (vgl. Art. 1 und Art. 2 Abs. 1 BayWoFG) Rechnung. Was die höchstzulässige Miete angeht, stellt Art. 15 BayWoFG keine besonderen Anforderungen.
Allgemein ist der Verkauf der GBW-Wohnungen zu bedauern. Dies hatte die damalige Stadtspitze zu verhindern versucht und auch selbst ein Kaufangebot kommunaler Seite organisiert. Der damalige Finanzminister Markus Söder hatte damals 33.000 Wohnungen ohne Not durch den Verkauf an einen Privatinvestor zum Spekulationsobjekt gemacht.