Wie gehen Berufsschulen mit der Corona-Krise um?
Anfrage Stadtrats-Mitglieder Professor Dr. Jörg Hoffmann, Gabriele Neff, Richard Progl und Fritz Roth (FDP BAYERNPARTEI Stadtratsfraktion) vom 20.5.2020
Antwort Referat für Bildung und Sport:
Auf Ihre Anfrage vom 20.5.2020 nehme ich Bezug.
Sie haben Ihrer Anfrage folgenden Text vorausgeschickt:
„Wie überall herrscht auch an den Münchner Berufsschulen derzeit Ausnahmezustand. Allerdings scheint der Umgang damit von Schule zu Schule unterschiedlich gut zu funktionieren.“
Erlauben Sie mir, bevor ich auf die Fragen eingehe, darauf hinzuweisen, dass der Geschäftsbereich Berufliche Schulen mit den städtischen Schulleiterinnen und Schulleiter eine besonders enge Kooperation pflegt, welche intensive Absprachen impliziert. Während der COVID-19-Pandemie wurde diese Zusammenarbeit nochmals verstärkt und ein Koordinierungsteam mit Schulleiterinnen und Schulleitern aller beruflichen Schularten sowie Mitgliedern des Geschäftsbereichs Berufliche Schulen zur wöchentlichen Abstimmung ins Leben gerufen.
In enger Abstimmung mit dem Staatsministerium für Unterricht und Kultus sowie der Regierung von Oberbayern und unter tatkräftiger Unterstützung aller am Schulleben Beteiligter wurde sichergestellt, dass den Schülerinnen und Schülern besonders in dieser Extremsituation das Recht auf Bildung zuteil wird, gleichzeitig aber allen Auflagen des Gesundheitsschutzes Rechnung getragen wurde und wird.
Ihr Einverständnis vorausgesetzt, weite ich Ihre Anfrage über die Berufsschulen hinaus auf alle städtischen beruflichen Schulen aus.
Zu den von Ihnen gestellten Fragen kann ich Ihnen Folgendes mitteilen:
Frage 1:
Trifft es zu, dass an etlichen Berufsschulen für die Zeit der Schließung nur sehr wenig Lernmaterial, Arbeitsblätter etc. an die Schüler verteilt wurde zur selbstständigen Bearbeitung? Wenn ja, warum?
Antwort:
Während der Schulschließungen und auch darüber hinaus wurden die Schülerinnen und Schüler aller städtischen beruflichen Schulen der Schulart angemessen mit Unterrichtsmaterialien versorgt. Hierbei wurden zielgruppenorientiert unterschiedliche Kanäle genutzt: Es wurden Online-Foren mit Lernmaterial bestückt und parallel Arbeitsblätter per Post versandt. Live-Chats wurden ebenso angeboten wie selbstgedrehte Erklärvideos. Die städtischen Lehrerinnen und Lehrer haben hierbei innerhalb kürzester Zeit auf diese besondere Situation reagiert und sich in verschiedenste Online-Tools eingearbeitet, um den Schülerinnen und Schülern das Recht auf Bildung zukommen zu lassen und den Erfolg der Aus- bzw. Weiterbildung nicht zu gefährden. Insbesondere in der Zeit der stufenweisen Wiederaufnahme der Präsenzbeschulung wurde durch die Lehrkräfte eine erhebliche Mehrarbeit geleistet, da sie teilweise im Schichtbetrieb Unterricht an der Schule abhalten mussten, zugleich aber Klassen, die noch nicht die Schule besuchen konnten, online zu beschulen hatten.
Frage 2:
Trifft es zu, dass viele Lehrer für ihre Schüler kaum erreichbar waren und kaum Feedback zur Bearbeitung der Aufgaben erteilten?
Antwort:
Alle beruflichen Schulen haben unmittelbar nach den Schulschließungen über diverse Verteiler zu den Schülerinnen und Schülern Kontakt aufgenommen. Sowohl die Sekretariate als auch die Schulleiterinnen und Schulleiter waren während des gesamten „Lockdowns“ als Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner an den Schulen und konnten Anfragen z.B. an die Lehrkräfte weiterleiten. Die meisten Lehrkräfte haben direkt mit den Schülerinnen und Schülern kommuniziert und standen überdies per Videochat, per Mail oder WhatsApp mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt. Die bearbeiteten Aufgaben wurden eingeschickt und korrigiert wieder zurückgesandt.
Sogar die Schulsozialarbeit konnte ihre Beratungsgespräche während der Schulschließungen per Videochat oder per Telefon aufrechterhalten.
Frage 3:
Wie ist die Benotung von selbstständig erarbeitetem Lernstoff für die Zeit der Schulschließungen geregelt?
Antwort:
Eine Benotung von häuslichen Arbeiten ist in den Schulordnungen nicht verankert. Darüber hinaus hat das Staatsministerium für Unterricht undKultus verfügt, dass in diesem Schuljahr keine verpflichtenden benoteten Leistungsnachweise mehr stattfinden. Schülerinnen und Schüler können sich jedoch zur Leistungsverbesserung auf freiwilliger Basis prüfen lassen.
Frage 4:
Gilt die Bearbeitung des Lernstoffs zuhause als freiwillig oder als verpflichtend, und wird sie entsprechend benotet?
Antwort:
Die Bearbeitung des Lernstoffes wird auch ohne Benotung vorausgesetzt. Allerdings gibt es – analog zum Präsenzunterricht – in der Schülerschaft große Unterschiede bezüglich der Intensität, mit der man sich den Unterrichtsinhalten zuwendet.
Von den Schulen kam die Rückmeldung, dass die Schülerinnen und Schüler die neue Unterrichtsform sehr gut annehmen und großes Engagement an den Tag legen.
Nicht unerwähnt bleiben sollte jedoch die Tatsache, dass an den Berufsschulen eine Problematik darin besteht, dass nicht alle Betriebe, Unternehmen oder Praxen die Online-Beschulung als Berufsschultag ausgelegt haben. Daher wurde den Schülerinnen und Schülern teilweise nicht ausreichend Zeit für die Lerninhalte zur Verfügung gestellt. In einem Schreiben an alle Kammerpräsidenten habe ich auf diesen Sachverhalt hingewiesen.
Frage 5:
Mit welchen Konsequenzen haben Schüler zu rechnen, die während der Schulschließung keine Aufgaben bearbeitet haben?
Antwort:
Als Konsequenz für die Nichterledigung von häuslichen Arbeiten kommen – wie beim Präsenzunterricht – das Nichtbestehen der Abschlussprüfung bzw. der Abfall der Leistungen im kommenden Schuljahr infrage, da notwendige Grundlagen nicht vorhanden sind.
Frage 6:
Gibt es für das Corona-Schuljahr spezielle Regelungen bezüglich der Versetzung? Wie ist die Verkürzung der Berufsschulzeit von 3 auf 2,5 Jahre geregelt für die aktuelle Ausnahmesituation.
Antwort:
Die Regelungen bezüglich der Versetzung wurden vom Bayerischen Staatsministerium für Unterricht und Kultus festgelegt und am 6.5.2020 im KMS „Vollzug des Infektionsschutzgesetzes (IfSG)–COVID-19; hier: sukzessiveWiederaufnahme des Schulbetriebes an den beruflichen Schulen (außer Berufliche Oberschule) in Bayern ab 11.5.2020“ veröffentlicht.
Grundsätzlich bilden – abweichend von den Regelungen in den jeweiligen Schulordnungen – die bis zum Zeitpunkt der Schulschließung erbrachten Leistungsnachweise in einem Fach die Grundlage zur Festsetzung der Jahresfortgangsnote. Eine freiwillige Prüfung zur Notenverbesserung ist möglich.
Diese Noten bilden die Basis für ein Bestehen der Jahrgangsstufe. Allerdings soll jeweils die Möglichkeit des Vorrückens auf Probe geprüft werden.
Die Entscheidung über eine Verkürzung der Berufsschulzeit wird von der aktuellen Situation nicht beeinflusst.
Frage 7:
Findet derzeit nur rein theoretischer Unterricht statt oder auch praktische Anleitung der Schüler, bspw. an Maschinen? Wie kann gewährleistet werden, dass die Auszubildenden genügend praxisnahe Erfahrungen sammeln können?
Antwort:
An den städtischen beruflichen Schulen findet aktuell fachpraktischer Unterricht statt. Der Fokus liegt hier auf den Abschlussklassen. Um die Hygienevorschriften einzuhalten, kann der Unterricht nur in kleinen Gruppen stattfinden. Die räumlichen und personellen Kapazitäten ermöglichen daher lediglich an wenigen Schulen vor den Abschlussprüfungen fachpraktischen Unterricht für die aufsteigenden Klassen.
Darüber hinaus haben die Betriebe, Unternehmen und Praxen als Dualer Partner die Vermittlung der Inhalte des fachpraktischen Unterrichts teilweise übernommen.