Wem gehört München? Türkenstraße 52/54: Wohnraum vernichtet für
Spekulation
Anfrage Stadträtin Brigitte Wolf (Die Linke) vom 4.3.2020
Antwort Stadtbaurätin Professorin Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 4.3.2020 haben Sie gemäß § 68 GeschO folgende Anfrage an Herrn Oberbürgermeister gestellt, die vom Referat für Stadtplanung und Bauordnung wie folgt beantwortet wird.
In Ihrer Anfrage führen Sie u.a. Folgendes aus:
„Die Türkenstraße 52/54 ist Sinnbild für eine schonungslose Gentrifizierung in München. Die Gebäude fügten sich perfekt in das Stadtbild des Univiertels in der Maxvorstadt ein. Über Jahrzehnte hinweg boten die unter Denkmal stehenden Wohnhäuser günstigen Wohnraum. Seit 13 Jahren befindet sich das Anwesen in den Händen der Wohnungsspekulation.
Anfang 2007 wurde das Grundstück verkauft. Entmietungen und jahrelanger Leerstand war die Folge. Nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist und vollständiger Entmietung der Wohnungen wurde das Objekt inklusive Abrissgenehmigung und Planungssicherheit weiterveräußert.
Im Februar 2019 folgte der Abriss aller Häuser bis auf das Vorderhaus, Hausnummer 54. Seitdem liegt die Fläche brach. Der Investor sieht sich nicht veranlasst, sein Baurecht zu nutzen, und die Stadt schaut dem Treiben nur zu.“
Frage 1:
Aus welchen Gründen hat die Lokalbaukommission dem Abriss von knapp 60 bezahlbaren Wohnungen zugestimmt und das Baurecht für eine Neubebauung mit Eigentumswohnungen erteilt? Falls Wirtschaftlichkeitsgründe ausschlaggebend gewesen sein sollten, wie kann es sein, dass noch Ende der 80er Jahre renovierte Wohnungen nicht mehr solide bewirtschaftet werden können?
Antwort:
Der Abbruch eines Gebäudes ist baurechtlich nicht genehmigungspflichtig; vielmehr genügt eine Anzeige verbunden mit statischen Nachweisen hinsichtlich der Standsicherheit der Nachbargebäude. Die Beseitigung von Wohnraum bedarf aber einer zweckentfremdungsrechtlichen Genehmi-
gung, die im Jahr 2012 erteilt wurde, da ein ausreichendes Ersatzwoh-nungsangebot vorlag. Das Anwesen liegt auch nicht im Umgriff einer Erhaltungssatzung. Von daher war der Abbruch nach geltender Rechtslage nicht zu verhindern.
Für das Anwesen Türkenstraße 52 und 54 wurden mehrere Genehmigungsverfahren durchgeführt. Die letzte Genehmigung wurde im Jahr 2019 erteilt. Mit den Bauanträgen wurden verschiedene Bebauungsvarianten abgefragt, zuletzt ein Wohn- und Geschäftshaus mit Läden in der Erdgeschosszone. Auch die Genehmigung für die Neubebauung folgte geltendem Recht. Das Vorhaben entspricht nach Art und Maß der Nutzung der prägenden Bebauung entlang der Türkenstraße und im Blockinneren, weshalb ein Anspruch der Antragstellerin auf Erteilung der Baugenehmigung bestanden hat.
Frage 2:
Welche Kenntnisse hatte die Stadt München über den jahrelangen Leerstand in den betroffenen Gebäuden, die im ersten Halbjahr 2019 abgerissen wurden? Welche Maßnahmen hat die Stadt München gegen diesen Leerstand ergriffen? War dies nicht ein eklatanter Fall von verbotener Wohnraumzweckentfremdung? Ist der Stadt bekannt, dass in dem noch bestehenden Vorderhaus in der Türkenstraße 54 vier renovierte Wohnungen leer stehen?
Antwort:
Die Umsetzung der Baumaßnahme setzt die Freimachung des abzubrechenden Anwesens Türkenstraße 52 und der Rückgebäude voraus. Dabei hat das Referat für Stadtplanung und Bauordnung jedoch keine eigenen Erkenntnisse über den Verlauf, da dies ausschließlich das Verhältnis zwischen Mietern und Vermieter betrifft.
Das Sozialreferat hatte 2012 die Zweckentfremdungsgenehmigung zum Abbruch des Vordergebäudes Türkenstraße 52 und der Rückgebäude erteilt. Zu diesem Zeitpunkt war für die Behörden nicht absehbar, dass die Baugenehmigungen nicht unverzüglich umgesetzt werden, sondern sich durch weitere Umplanungen verzögern würden. Aus der Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung ist der jahrelange Stillstand selbstverständlich bedauerlich, auch gerade in Anbetracht der aktuellen Wohnungssituation. Die Erfahrung hat aber gezeigt, dass Investoren und Entwickler wiederholt umdisponieren, um ihre Planungen zu optimieren und dies der Hauptgrund für Verzögerungen ist.In diesen Fällen besteht jedoch keine Möglichkeit, die durch Umplanung unterbliebene Bebauung beispielsweise mittels Baugebot voranzutreiben. Vor dem Hintergrund, dass in solchen Fällen nicht von vorn herein von einer Bauunwilligkeit ausgegangen werden kann, ist ein gemeindliches Baugebot rechtlich nicht zu rechtfertigen. Dies mag anders aussehen, wenn über Jahre hinweg Umplanungen nur „vorgeschoben“ werden. Aufgrund der Tatsache, dass aber erst im Jahre 2018 ein Eigentümerwechsel stattgefunden hat, daraufhin im Jahre 2019 ein Bauantrag gestellt wurde und der Bebauung vor Ort eine gewisse Komplexität nicht abgesprochen werden kann, sind die Voraussetzungen eines Baugebotsverfahrens zum jetzigen Stand noch nicht erfüllt.
Nach Angaben der neuen Bauherrin sollen die leerstehenden Einheiten in dem zum Erhalt vorgesehenen Vordergebäude während der Bauzeit nicht vermietet werden. Andernfalls würde man die potentiellen Mieter den Lärmbelastungen aussetzen, die von dem geplanten Neubau ausgehen. Die Gewerbeeinheiten werden hingegen für die Baustelle selbst genutzt.
Nach Informationen des Referats für Stadtplanung und Bauordnung plant die neue Verfügungsberechtigte die Umsetzung der im Jahr 2019 erteilten Genehmigung mit dem Ziel, die Maßnahme voraussichtlich bis 2022/23 abgeschlossen zu haben.
Frage 3:
2008 wurde der Denkmalschutz für das Ensemble (mit Ausnahme des Vorderhauses Türkenstraße 54) aufgehoben, eine wesentliche Voraussetzung für die folgende Abrissgenehmigung der Stadt. Aus welchen Gründen wurde der Denkmalschutz vom Landesdenkmalamt aufgehoben und wie verhielt sich die untere Denkmalschutzbehörde der Stadt zu dem Fall?
Antwort:
Die Landeshauptstadt München wurde mit Schreiben vom 1.7.2008 vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege informiert, dass das Anwesen Türkenstraße 52 aus der Bayerischen Denkmalliste gestrichen werden müsse, da ihm nach Einschätzung des Landesamtes keine Denkmaleigenschaft mehr zukomme.
Das Bayerische Landesamt für Denkmalpflege hatte bei einer Ortseinsicht festgestellt, dass zahlreiche bauliche Maßnahmen seit 1945 an dem oben genannten Objekt zu einer erheblichen Reduzierung des historischen Baubestandes geführt haben. Nach der Beschädigung im Zweiten Weltkrieg baute man das Haus 1947-50 wieder auf und setzte dabei oberhalb desehemaligen Abschlussgesimses ein neues niedriges Geschoss auf. Auch der Dachstuhl entstand völlig neu. Wohl in den 1960er Jahren wurde das Erdgeschoss mit neuen Schaufenstern versehen und die Fenster erneuert. Im Inneren sind mit den Treppenstufen und Treppengeländer zwar Reste der bauzeitlichen Ausstattung erhalten geblieben, doch erhöhte man die Treppe beim Wiederaufbau um eine Etage. Die Wohnungen waren im Inneren durch Einbauten der Nachkriegszeit bestimmt.
Die Erneuerungen waren damit derart umfassend, dass der ehemals
prächtige Neubarockbau anschaulich nicht mehr erhalten war. Die Rückgebäude waren ebenfalls stark erneuert.
Eine Denkmaleigenschaft dieser Gebäudeteile war nicht mehr gegeben. Das Objekt musste daher von Seiten des Bayerischen Landesamtes für Denkmalpflege aus der Denkmalliste gestrichen werden.
Von der Beurteilung des Rückgebäudes Türkenstraße 54 hat das Landesamt die Untere Denkmalschutzbehörde am 6.11.2008 Informiert:
„Nach Feststellung des Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege sind im Inneren des Gebäudes die Treppe mit den Treppenstufen und dem Treppengeländer als Rest bauzeitlicher Ausstattung erhalten geblieben. Nach einem Bombenschaden im Zweiten Weltkrieg (Brandspuren im Dachstuhl und oberen Treppengeländer) wurde der Dachstuhl teilweise erneuert und später der Dachraum ausgebaut (vermutlich zwischen 1980 und 1990). Die Fenster im gesamten Gebäude sind erneuert. Die Wohnungen sind im Inneren durch Einbauten der Nachkriegszeit bestimmt und beinhalten keinerlei historische Ausstattungsteile. Die Erneuerungen waren damit derart umfassend, dass das ehemals zum prächtigen Neubarockbau gehörende Rückgebäude der Gründerzeit nicht mehr anschaulich erhalten ist. Unter Zugrundelegung eines bayernweiten Maßstabes reichte die Bedeutung des Rückgebäudes nicht aus, um nach Art. 1 DSchG einen Nachtrag als Baudenkmal zu begründen. Es erfolgt daher kein Nachtrag in die Denkmalliste. Das Vordergebäude verfügt hingegen über bedeutenden historischen Baubestand und bleibt weiterhin als Baudenkmal in der Denkmalliste eingetragen“.
Gemäß Art. 12 Abs. 2 Nr. 3 DSchG ist das Landesamt zuständig für die Erstellung und Fortführung der Inventare und der Denkmalliste. Eine Anhörung der Kommunen bzw. Unteren Denkmalschutzbehörde bei Listenstreichungen ist im Gesetz nicht geregelt. Eine Gegenvorstellung der Stadt hätte die vom Landesamt dargelegten Gründe nicht entkräften können. Gemäß der gemeinsamen Bekanntmachung der Bayerischen Staatsminis-terien des Innern und für Unterricht und Kultus vom 27.7.1984 zum Vollzug des Denkmalschutzgesetzes und baurechtlicher Vorschriften sind die Behörden verpflichtet, sich an die Denkmallisten zu halten, um einen einheitlichen Gesetzesvollzug zu gewährleisten.
Frage 4:
Wurde für das Vorderhaus der Türkenstraße 54 eine sogenannte Abgeschlossenheits- bescheinigung, also die Voraussetzung für eine Umwandlung von Mietwohnungen in Eigentumswohnungen, beantragt?
Antwort:
Für die Türkenstraße 54 wurde bislang keine Abgeschlossenheitsbescheinigung beantragt oder erteilt.
Frage 5:
Seit fast einem Jahr liegt die Fläche brach. Es ist offensichtlich, dass mit dem brachliegenden Grundstück auf steigende Bodenpreise spekuliert wird. Was unternimmt die Stadt München gegen diesen Zustand? Wie gedenkt die Stadt dem Art. 161 Abs. 2 der bayerischen Verfassung nachzukommen: „Steigerungen des Bodenwertes, die ohne besonderen Arbeits- oder Kapitalaufwand des Eigentümers entstehen, sind für die Allgemeinheit nutzbar zu machen.“
Antwort:
Zur Beantwortung der Frage ist die aktuelle bodenrechtliche Situation maßgeblich: Die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens bewertet sich im hiesigen Fall nach Paragraf 34 BauGB. Für die Abschöpfung von Bodenwertsteigerungen, wie sie in der Bayerischen Verfassung als sogenannter „Programmsatz“ enthalten ist, bietet das Bauplanungsrecht in solchen Fällen aber gerade keine Grundlage. Nach wie vor gibt es bundesrechtlich in einer derartigen Konstellation bei bestehenden Baurechten keine Möglichkeit einer Abschöpfung leistungsloser Bodenwertsteigerungen.
Die Landeshauptstadt München und Oberbürgermeister Reiter haben sich wiederholt und aufgrund verschiedener Initiativen zur Änderung des Bodenrechts in den letzten Monaten verstärkt beim Bundesgesetzgeber für eine Anpassung dieser unbefriedigenden Situation stark gemacht und gefordert, dass auch für den unbeplanten Innenbereich Instrumente geschaffen werden, preiswerten geförderten Wohnungsbau und soziale Infrastruktur einfordern zu können. Die derzeitigen Beratungen zu einem Baulandmobilisierungsgesetz lassen erkennen, dass die Kommunen das Recht erhalten sollen, im unbeplanten Innenbereich durch Satzung Gebietezu bezeichnen, in denen geförderter Wohnraum festgeschrieben werden kann. Diese sog. Sektoralen Bebauungspläne lösen das Problem des fehlenden sozialen Wohnraums in Innenstädten aus Sicht der LHM jedoch nur unzureichend und nicht effektiv, weshalb sich die LHM, vertreten durch den Oberbürgermeister, für umfassendere Regelungen eingesetzt hat. Der Ausgang des Gesetzgebungsverfahrens ist zum jetzigen Zeitpunkt offen.
Zum aktuellen Bauvorhaben: Aus der Sicht des Referats für Stadtplanung und Bauordnung kann der jahrelange Stillstand der jetzigen Bauherrschaft nicht angelastet werden. Die neue Bauherrin hat angegeben, zeitnah mit den notwendigen Baumaßnahmen zu beginnen. Es handelt sich um eine äußerst komplexe und umfangreiche Baumaßnahme, deren Disposition inklusive der erforderlichen Bauvorbereitungsmaßnahmen erfahrungsgemäß nicht immer sofort möglich ist.
Frage 6:
Wie hoch beziffert die Stadt München den Bodenwertzuwachs des gesamten Grundstückes vom Zeitpunkt des Verkaufs (2007) bis heute?
Antwort:
Ohne in eine detaillierte, aufwändige Einzelbewertung einzusteigen, hat eine Rückfrage beim Bewertungsamt folgende Bodenwertsteigerung ergeben: Ausgehend von den vorliegenden Bodenrichtwerten für 2006 und 2018, die nach Ihrer Fragestellung auf die Jahre 2007 und 2020 projiziert wurden, ergeben sich Bodenwerte von 1.470 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche für 2007 bzw. von 6.930 Euro pro Quadratmeter Geschossfläche für 2020. Dies entspricht einem Bodenwertzuwachs von rund 370 Prozent im fraglichen Zeitraum (der Werteinfluss der denkmalgeschützten Bauteile, die erhalten bleiben, ist dabei noch nicht berücksichtigt, dies würde umfangreiche Einzelgutachten erfordern). Gerade derartige, das ganze Stadtgebiet betreffende Bodenwertsteigerungen sind der Grund für das Engagement des Oberbürgermeisters auf Bundesebene (s. Antwort zu Frage 5). Daher hat er auch mit Schreiben vom 14.1.2020 eine ihm zugegangene, sehr eindrückliche Abhandlung über die Mechanismen der „Ertragserwartungsspekulation am Beispiel der Türkenstraße 52/54“ dem zuständigen Bundesministerium weitergeleitet, um den Handlungsbedarf zu veranschaulichen.
Frage 7:
Wo sieht die Stadt München die Hauptverantwortlichen für diese skandalöse Vernichtung von Wohnraum in Zeiten eines Wohnungsnotstandes in München?
Antwort:
Die enormen Preissteigerungen am Immobilienmarkt sind sicherlich auf mehrere Faktoren zurückzuführen. Größere Ballungsräume wie die Landeshauptstadt München stehen, wie andere Großstädte im Übrigen auch, irgendwann vor dem Problem, dass Wohnraumflächen im Gemeindegebiet aufgebraucht werden. Diese natürliche Verknappung trägt sicherlich dazu bei, dass die Bodenpreise steigen. Der Anstieg der Bodenpreise hat wiederum zur Folge, dass die Errichtung und Veräußerung von Wohneigentum mit der Zeit attraktiver wird. Dieser Prozess wird von einem geänderten Anlageverhalten flankiert, das seine Gründe unter anderem in der seit Jahren anhaltenden Niedrigzinsphase hat. Im Ergebnis haben diese Entwicklungen dazu geführt, dass sich Bodenwertpreise und Mieten entkoppelt haben, mit der Folge, dass die Bodenwertpreise im Vergleich zu den Mieten um ein Vielfaches an Wert gewonnen haben. Vorläufiger Endpunkt des Prozesses war der Umstand, dass die Errichtung insbesondere von Eigentumswohnungen überall dort vorangetrieben wurde, wo dies rechtlich möglich ist. Dies war jedoch primär einer marktliberalen Entwicklung geschuldet als den bloßen Spekulationsabsichten von Investoren. Diese haben diese städtebaulich schädliche Entwicklung sicherlich gefördert, die Hauptgründe liegen aus unserer Sicht jedoch woanders.
Die Mittel, diesen unerwünschten Spekulationen angemessen und sozialverträglich zu begegnen, sind zum jetzigen Zeitpunkt jedoch begrenzt. Dennoch blieb die Landeshauptstadt München in den letzten Jahren nicht untätig.
So wurde zum einen das Zweckentfremdungsrecht angezogen, wonach
Ersatzwohnraum nur noch akzeptiert wird, wenn er nach Art und Lage dem entfallenden Wohnraum entspricht. Außerdem wurde das Instrument der Erhaltungssatzung deutlich verschärft und es wurden weitere, neue Erhaltungssatzungsgebiete ausgewiesen.
Frage 8:
Wie bewertet die Stadt den Umstand, dass der ehemalige Eigentümer des Grundstückes nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist steuerfrei weiterverkaufen konnte, wenn man berücksichtigt, dass dessen einzige Leistung die Entmietung von knapp 60 Wohnungen und ein somit verbundener Leerstand war?
Antwort:
Eine umfassende Bewertung der steuerlichen Zehn-Jahres-Spekulationsfrist kann seitens des Referates für Stadtplanung und Bauordnung nichtgeleistet werden. Beachtet werden muss, dass diese Regelungen bei gewerblichen Immobiliengeschäften ohnehin nicht greifen. Die auf Dauer angelegte Gewinnerzielungsabsicht mittels Grundstücksverkäufen ist auch nach Ablauf der zehnjährigen Spekulationsfrist steuerpflichtig. In allen anderen Fällen steht zu vermuten, dass der Steuergesetzgeber mit der Zehn-Jahresfrist vordergründig Fallgestaltungen im Auge gehabt hat und sogenannten „Schnelldrehern“ vorbeugen wollte. Da die Einstufung als gewerbliches Immobiliengeschäft aber bereits bei dem Erwerb/der Veräu-ßerung von drei Immobilien gesehen wird, besteht aus unserer Sicht nur ein geringer – rein privater – Anwendungsbereich für die genannte Steuerbefreiung.
Frage 9:
Kann man nach Einschätzung der Stadt im Fall der Türkenstraße 52/54 von einem offenbaren Missbrauch des Eigentumsrechtes sprechen?
Antwort:
Ein offenbarer Missbrauch des Eigentumsrechts kann aus unserer Sicht nicht angenommen werden. Das Recht am Eigentum stellt einen verfassungsrechtlichen Grundsatz dar, der nur in engen Grenzen eingeschränkt werden kann. Rein rechtlich betrachtet missbrauchen also diejenigen ihr Eigentumsrecht nicht, die über ihr Eigentum in den Grenzen des rechtlich zulässigen Verfügen. So verhält es sich grundsätzlich auch im vorliegenden Fall.
Diese eher nüchterne Bewertung sagt jedoch nichts darüber aus, dass ein solches Verhalten nicht mit dem Grundgedanken der Sozialbindung des Eigentums kollidieren kann. Hier gibt es gleichwohl Fälle, in denen diesem Grundsatz gerade nicht entsprochen wird. Diese Fälle sieht das Referat für Stadtplanung und Bauordnung ebenfalls kritisch, verfügt aber auch hier nicht über die geeigneten Mittel, diesen Entwicklungen rechtswirksam entgegenzutreten. Insoweit wäre es auch an dieser Stelle Aufgabe des Bundesgesetzgebers diesen Entwicklungen zu begegnen.
Frage 10:
Gibt es Überlegungen der Stadt das leerstehende Grundstück „im Sinne der Allgemeinheit“ zu vergesellschaften und statt unbezahlbarer Eigentumswohnungen 100 Prozent bezahlbaren und dauerhaft gesicherten Wohnraum zu schaffen? Nach Artikel 158 der Bayerischen Verfassung genießt offenbarer Missbrauch des Eigentums- und Besitzrechts keinen Rechtsschutz.
Antwort:
Auch Art. 158 der Bayerischen Verfassung ist nur nach Maßgabe der einfach gesetzlichen meist bundesrechtlich verankerten Regelungen verwirklicht. Wie in der Antwort auf Frage 5 und 7 deutlich gemacht, bemüht sich die Stadt mit den ihr zur Verfügung stehenden Mitteln, der grenzenlosen Spekulation mit Grundstücken Einhalt zu gebieten.
Nochmal sei hier aber betont, dass der jetzige Bauherr das Grundstück vom Voreigentümer übernommen hat und nach einer durchaus als positiv zu bewertenden Überplanung unter Verzicht auf maximale Geschossfläche nun die Planungen umsetzen wird.
Frage 11:
Erwägt die Stadt München eine Baupflicht für brachliegende Grundstücke, auf denen ein Baurecht besteht?
Antwort:
In Rahmen neuerer Bebauungspläne wird das geschaffene Baurecht mittels Bauverpflichtungen sichergestellt, wonach die Bauherrinnen und Bauherren verpflichtet sind, das Grundstück innerhalb einer zuvor bestimmten Frist antragsgemäß zu bebauen.
Auf den vorliegenden Fall bezogen hätte auch ein angeordnetes Baugebot keine Wirkung entfaltet. Bezogen auf die Voreigentümerin hätte in den ersten Jahren die noch vorhandene Vermietung einem Baugebot entgegengestanden, da das Grundstück offenkundig nicht unbebaut oder ungenutzt war. Durch die anschließende Phase der Freimachung war dokumentiert, dass das Grundstück eine zukünftige Änderung erfahren soll. Dies war durch die Planungen bzw. Umplanungen dokumentiert. Auch hier wäre also kein rechtlicher Spielraum für den Erlass eines Baugebots gewesen. Die Gründe, aus denen gegenüber der aktuellen Vorhabenträgerin kein Baugebot hätte ausgesprochen werden können, wurden bereits vorgetragen.
Frage 12:
Wie bewertet die Stadt die ökologischen Folgen des Abrisses unter Berücksichtigung der grauen Energie, die für Abriss und Neubau benötigt wird?
Antwort:
Die Bewertung der ökologischen Folgen eines solchen Neubauvorhabens ist gesetzlich nicht vorgesehen. Die Abwägung trifft der Investor, der dieKosten von Abbruch und Neubau den Kosten des Bestandserhalts gegen-überstellen muss. Dazu kommt, dass häufig moderne Ansprüche an Wohnqualität und gesetzliche Anforderungen, die beim Umbau anspringen, im Altbestand nicht oder nur unter hohem Aufwand geleistet werden können. Dies gilt auch für die technische Gebäudeausstattung und die Erfüllung zeitgemäßer Ansprüche in Sachen Klima und Energie oder den Aspekt der Barrierefreiheit.
Das Referat für Stadtplanung und Bauordnung bemüht sich in seiner Beratungspraxis natürlich nach Kräften, erhaltenswerte Bausubstanz unter Abweichung von aktuellen Vorschriften handhabbar zu machen. Letztlich sind es aber die Eigentümer, die die Entscheidung für sich treffen, welchen Weg sie gehen wollen.