Kinder- und Jugendarbeit stärken: Kinder raus in die Stadt – die Stadt öffnet sich für Alltagserfahrungen von Kindern und Jugendlichen
Antrag Stadtrat Cetin Oraner (Die Linke) vom 23.1.2020
Antwort Referat für Bildung und Sport:
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrags Nr. 14-20/A 06588 vom 23.1.2020 betrifft jedoch eine laufende Angelegenheit, deren Besorgung nach Art. 37 Abs. 1 GO und § 22 GeschO dem Oberbürgermeister obliegt, weshalb eine Beantwortung auf diesem Wege erfolgt.
In Ihrem Antrag baten Sie darum, dass
• bei allen städtebaulichen Maßnahmen verstärkt beachtet wird, dass Freiräume erhalten bleiben, in denen Kinder und Jugendliche auch ohne institutionelle Betreuung und Anleitung ihre Umgebung
entdecken können und
• bei der Umsetzung der zehn Modellstandorte den Trägern der Kooperativen Ganztagsbildung ermöglicht wird, mit den Kindern und Jugendlichen den „Erlebnisraum Stadt“ zu erschließen sowie bei den Kriterien zur Auswahl der Ganztagskooperationspartnerin bzw. des
Ganztagskooperationspartners darauf geachtet wird, dass sowohl Tendenzen zur Verschulung als auch zur reinen Nachmittags-Verwahrung ausgeschlossen werden.
Das Baureferat hat zur Gestaltung von Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten, die den Jungen und Mädchen eine Erkundung ihrer Umgebung ermöglicht, Folgendes mitgeteilt:
„Das Baureferat baut und unterhält in öffentlichen Grünanlagen ein breitgefächertes Angebot an städtischen Spiel- und Bewegungsmöglichkeiten für Mädchen und Jungen, das je nach Interesse genutzt werden kann. Bei Neu- und Umbauten werden die Handlungs- und
Planungsempfehlungen sowohl für gendergerechte Spielraumgestaltung als auch für inklusive Spiel- und Freiraumgestaltung zu Grunde gelegt. Damit wird bestmöglich gewährleistet, dass jede und jeder ohne institutionelle Betreuung auf Entdeckungstour gehen kann.
Für die Ausweisung und Sicherung von Freiflächen ist das Referat für Stadtplanung und Bauordnung zuständig.“Hinsichtlich der Erhaltung von Freiräumen bei allen städtebaulichen Maßnahmen teilte das Referat für Stadtplanung und Bauordnung Folgendes mit:
„Die Belange von Jugendlichen werden auf der Ebene der Flächennutzungsplanung mit der Einführung der Planzeichenkategorie ‚J‘ für Flächen, die vorrangig Jugendlichen vorbehalten sein sollen, berücksichtigt.
Von großer Bedeutung allgemein sind ausreichend dimensionierte öffentliche Grünflächen, deren Dimensionierung durch die Freiflächenorientierungswerte bei Neubauvorhaben festgelegt wird. Bei größeren Neubauvorhaben werden darüber hinaus Spielraumkonzepte erarbeitet, die für ein attraktives, für die verschiedenen Altersgruppen angemessenes Spielflächenangebot Sorge tragen.
Im Rahmen der Konzeption Freiraum M 2030 wurde eine Freiraumkulisse erarbeitet, die auf gesamtstädtischer Ebene die zu sichernden und zu entwickelnden Freiräume darstellt. Diese Freiraumkulisse wird derzeit durch die Erarbeitung von Schlüsselprojekten konkretisiert. Hierzu zählen Masterplänen für Parkmeilen sowie Freiraumquartierskonzepte.
Freiraumquartierskonzepte zeigen auf, wo Möglichkeiten der Freiraumqualifizierung gerade in dichten Stadtquartieren liegen, um gerade angesichts des Wachstumsdrucks und zunehmenden Nutzungsdrucks
auf die Freiflächen, Maßnahmen der Aufwertung und besseren Nutzbarkeit von Freiräumen auszuarbeiten. Durch die damit verbundene Aufwertung wohnungsnaher Freiräume kommt dies auch Kindern und Jugendlichen zugute.
Gerade Jugendliche benötigen nicht nur formale Spielplätze, sondern nutzen häufig auch eine Vielzahl an informellen Orten, um sich zu treffen und verschiedensten Aktivitäten nachzugehen. Insofern sind o.g. Schlüsselprojekte sowie deren attraktive Erreichbarkeit für den Fuß- und Radverkehr eine wichtige Maßnahme der Freiraumversorgung für Jungen wie Mädchen.“
Zur Umsetzung der Kooperativen Ganztagsbildung sowie der Kriterien zur Trägerauswahl kann ich Ihnen, nach Abstimmung mit dem Sozialreferat, Folgendes mitteilen:Zentrales Merkmal der Kooperativen Ganztagsbildung ist eine gemeinsame Umsetzung des Modells durch Schule und Ganztagskooperationspartnerin bzw. -partner. Gemeinsam wird eine Bildungs- und Erziehungspartnerschaft geschaffen. Der Auftrag zur regelmäßigen Bildung, Erziehung und Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen – also auch in der Kooperativen Ganztagsbildung – erfolgt unter den Vorgaben der Kinder- und Jugendhilfe und ist insbesondere im Achten Buch des Sozialgesetzbuchs (SGB VIII) sowie im Bayerischen Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz (BayKiBiG) geregelt. In der Ausführungsverordnung des BayKiBiG (AVBay-KiBiG) finden sich u.a. folgende Vorgaben:
„§ 7 Naturwissenschaftliche und technische Bildung
Kinder sollen lernen, naturwissenschaftliche Zusammenhänge in der belebten und unbelebten Natur zu verstehen und selbst Experimente durchzuführen. Sie sollen lernen, lebensweltbezogene Aufgaben zu bewältigen, die naturwissenschaftliche oder technische Grundkenntnisse erfordern.
§ 8 Umweltbildung und -erziehung
Kinder sollen lernen, ökologische Zusammenhänge zu erkennen und mitzugestalten, ein Bewusstsein für eine gesunde Umwelt und für die Bedeutung umweltbezogenen Handelns zu entwickeln und so zunehmend Verantwortung für die Welt, in der sie leben, zu übernehmen. (…)
§12 Bewegungserziehung und -förderung, Sport
Kinder sollen ausgiebig ihre motorischen Fähigkeiten erproben und ihre Geschicklichkeit im Rahmen eines ausreichenden und zweckmäßigen Bewegungsfreiraums entwickeln können.
§13 Gesundheitsbildung und Kinderschutz
Kinder sollen lernen, auf eine gesunde und ausgewogene Ernährung, ausreichend Bewegung und ausreichend Ruhe und Stille zu achten.
Sie sollen Hygiene- und Körperpflegemaßnahmen einüben sowie sich Verhaltensweisen zur Verhütung von Krankheiten aneignen, unbelastet mit ihrer Sexualität umgehen und sich mit Gefahren im Alltag, insbesondere im Straßenverkehr, verständig auseinandersetzen. Richtiges Verhalten bei Bränden und Unfällen ist mit ihnen zu üben.“
Darüber hinaus finden bei der pädagogischen Arbeit in der Kooperativen Ganztagsbildung auch das Bayerische Gesetz über das Erziehungs- und Unterrichtswesen (BayEUG), das Bayerische Integrationsgesetz (BayIntG),das Gesetz zur Kooperation und Information im Kinderschutz (KKG), die Bayerischen Leitlinien für die Bildung und Erziehung von Kindern bis zum Ende der Grundschulzeit, die Fachlichen Empfehlungen für die pädagogische Arbeit in bayerischen Horten, die UN-Kinderrechts-, UN-Behindertenrechtskonvention sowie selbstverständlich der bayerische LehrplanPLUS für Grundschulen maßgebliche Berücksichtigung.
Die Schwerpunkte der jeweiligen Regelungen wurden auch im Eckpunktepapier sowie in der zwischen Freistaat Bayern und Landeshauptstadt München geschlossenen Kooperationsvereinbarung zur Kooperativen Ganztagsbildung festgeschrieben. In der sich derzeit in der Endabstimmung befindenden Rahmenkonzeption zur Kooperativen Ganztagsbildung werden u.a. explizit folgende pädagogische Schwerpunkte behandelt:
• Sozialraumorientierung, Vernetzung und Kooperation
• Freiräume zur individuellen Verfügung
• Räume innen und außen
• Kulturelle Bildung
Selbstverständlich ist bei der Erfüllung der genannten Schwerpunkte sowohl der „Erlebnisraum Stadt“ als auch die nähere Umgebung außerhalb Münchens bis hin zur Durchführung mehrtägiger Ferienfahrten in Schullandheime und Jugendherbergen miteinbezogen. Bei der Erkundung des „Erlebnisraums Stadt“ wird den unterschiedlichen Bedarfen von Mädchen und Jungen Rechnung getragen. Eine Unterstützung des pädagogischen Personals kann durch die Fachberatungen für geschlechtergerechte Pädagogik bei RBS-A-4 und RBS-KITA-FB erfolgen. Soweit dies unter Einhaltung der Aufsichtspflicht ermöglicht werden kann, sollen auch Freiräume zur Selbststeuerung von Mädchen und Jungen ohne pädagogische Intervention im Rahmen der Freispielphasen in der Kooperativen Ganztagsbildung angeboten werden.
Im dem vom Stadtrat der Landeshauptstadt München am 5.11.2019 beschlossenen Auswahlverfahren für die Trägerschaft als Ganztagskooperationspartnerin bzw. Ganztagskooperationspartner im Rahmen der Kooperativen Ganztagsbildung (Sitzungsvorlage Nr. 14-20/V 16675) müssen die Bewerberinnen und Bewerber zwingend Aussagen zur Sozialraumorientierung und Vernetzung im Stadtteil ausführen. Konkret wurde in der genannten Beschlussvorlage folgende Anforderung festgehalten:
„Die Trägerinnen und Träger stellen in ihrer Bewerbung ihren besonderen Bezug zum Schulstandort bzw. zum Stadtteil dar und beschreiben,welche Synergien durch bereits bestehende andere Angebote und
Einrichtungen der Trägerin/des Trägers in der Sozialregion entstehen können, wenn z.B. die Räume, Sportplätze oder die Ausstattung trägereigener anderer Einrichtungen im Kooperativen Ganztag mit genutzt werden können.“
Beispielhaft für die praktische Umsetzung der genannten Rahmenbedingungen kann die Hauskonzeption der Kooperativen Ganztagsbildung an der Grundschule Schererplatz genannt werden, bei der das Referat für Bildung und Sport selbst Träger ist. Darin wird u.a. Folgendes aufgeführt:
„3.) Pädagogische Grundhaltung Kooperative Ganztagsbildung ‚Zusammen sind wir gut‘
Schule sowie Kinder- und Jugendhilfeträger sind Experten für institutionelle Bildungsarbeit. Jedoch setzen wir unsere Schwerpunkte unterschiedlich, sodass wir gemeinsam das Kind und seine Bildung in seiner Ganzheitlichkeit wahrnehmen können. Unsere Heterogenität mit dem Blick auf das Kind ist unsere Stärke. Für uns steht das Wohl des Kindes an erster Stelle. Chancengleichheit, Bildungsgerechtigkeit und Öffnung in den Sozialraum sind für uns unerlässlich, um das Kind auf seinem Weg in die Zukunft zu begleiten. Wir wollen Kindern eine Perspektive ermöglichen, damit sie in einer komplexen Welt mit ihrer Schnelllebigkeit flexibel und bestens ausgebildet agieren und reagieren können. Dazu bedarf es verknüpfte Bildungsprozesse, die durch Ko-Konstruktion also die Interaktion und Kommunikation mit den Kindern entsteht. Das Kind kann sich aktiv und gleichwertig am sozialen Prozess beteiligen. Es erlebt sich als Teil der Gesellschaft, in der es demokratisch, partizipativ und politisch engagiert eine Teilhabe erfährt. Durch unsere familienergänzende Arbeit erfahren die Familien ihre gemeinsame Zeit als Qualitätszeit. Hierfür ist eine gute Zusammenarbeit mit den Eltern wichtig. Unser gemeinsames Ziel ist es, den Kindern eine optimale altersgerechte Entwicklung zu gewährleisten, damit die Kinder ihre individuellen Potenziale in einer sozialen Gemeinschaft ausschöpfen können. (…)
Bedeutung des Kindlichen Spiels
Das Spiel als ureigene Methode menschlichen Lernens hat eine herausragende Bedeutung für die Entwicklung von Kindern von Geburt an. Spielen heißt mit allen Sinnen lernen. Durch das Spiel wird die Entwicklung des kindlichen Gehirns unterstützt. Die Kinder erweitern ihre sozialen und sprachlichen Kompetenzen im Bereich der Kommunikation. Im Spiel nehmen die Kinder andere Perspektiven ein, vor allemdurch das Rollenspiel. Hierbei entwickeln sie ein Regelverständnis und erleben Normen des Zusammenlebens.
In unserer Einrichtung der KoGa sorgen wir für eine vorbereite, anregende Umgebung und bieten ausreichend Zeit und Raum sowie Materialien zum eigenständigen und gemeinsamen Spielen und Lernen, entsprechend dem Entwicklungsstand, dem Geschlecht und dem Interesse der Kinder. Wir begleiten das Spiel der Kinder achtsam durch Mitspielen oder Beobachten. Auf dies Art und Weise erleben die Kinder, dass die Erwachsenen ihnen im Spiel auf Augenhöhe begegnen. Projekte, die sich aus dem Spiel ergeben, greifen wir mit den Kindern auf. So können sich die Kinder im kreativen Tun die Welt mit Freude aneignen. Sie wählen eigenständig Spielpartner, legen Spielregeln, Spielgruppengröße und -ort fest, machen dadurch die Erfahrung ihrer Selbstwirklichkeit und üben soziales Miteinander im geschützten Raum ein. So können sie Erlebtes verarbeiten, Antworten auf ihre Fragen suchen und sich die Welt erschließen.
Bildung vollzieht sich als individueller und sozialer Prozess. Kinder gestalten ihren Bildungsprozess aktiv mit. Sie sind von Geburt an mit grundlegenden Kompetenzen und reichhaltigen Lern- und Entwicklungspotenzial ausgestattet. Eine elementare Form des Lernens ist das Spiel, das sich zunehmend zum systematischen Lernen entwickelt.
Zentrale Aufgaben der Pädagoginnen und Pädagogen sind die Planung und Gestaltung optimaler Bedingungen der Bildungsprozesse. Die
eigenaktives, individuelles kooperatives Lernen nachhaltig ermöglichen. Dies erfordert eine stete Anpassung der Lernumgebungen,
die individuelle Kompetenzentwicklung im Rahmen der heterogenen
Lerngruppe zulassen. Im pädagogischen Alltag wird dies anhand einer Methodik umgesetzt, bei der kommunikative Prozesse sowie vielfältige Formen der inneren Differenzierung und Öffnung im Vordergrund stehen.
Das Spiel ist die ureigenste Ausdrucksform des Kindes. Von Anfang an setzt sich das Kind über das mit sich und seiner Umwelt auseinander. Spielen und Lernen sind zwei Seiten einer Medaille. Das Spiel ist die elementarste Form des Lernens. (…)
9.) Vernetzung und Darstellung nach Außen
Die Einrichtung der KoGa im Stadtviertel
Wir möchten den uns anvertrauten Kindern eine Vielzahl an unterschiedlichen Erfahrungsräumen bieten. Deswegen findet unser pädagogischer Alltag auch außerhalb der Räumlichkeiten der Einrichtungder KoGa im Stadtteil statt. Unser Ziel ist es, dass die Kinder ihre Umgebung ganzheitlich kennenlernen. Somit gehören Ausflüge und Exkursionen zu anderen Einrichtungen und Angeboten im Stadtteil zu unserem pädagogischen Alltag. Regelmäßig besuchen wir öffentliche Spielplätze, nahegelegene Parks oder die Stadtteilbibliothek. Wenn es die Distanz zulässt versuchen wir das Ziel gerne zu Fuß zu erreichen, nutzen aber natürlich genauso die öffentlichen Verkehrsmittel, um mit den Kindern das Verhalten im Verkehr zu üben.
Zusammenarbeit mit externen Institutionen und Fachdiensten
Ein Fundament unserer pädagogischen Arbeit ist die Vernetzung und Zusammenarbeit mit den anderen sozialen Akteuren in unserem
Stadtteil. Aus diesem Grund ist unsere Einrichtung aktives Mitglied im REGSAM-Facharbeitskreis.
Unter Berücksichtigung der bestehenden Datenschutzrichtlinien (Datenschutzgrund-verordnung) kooperieren wir mit unterschiedlichen Institutionen: Erziehungsberatungsstellen, Bezirkssozialarbeit, Frühförderstellen, Jugendzentrum. (...)
Wir treffen uns regelmäßig mit unseren Vernetzungspartnern, kommen in engen fachlichen Austausch und planen gemeinsame Angebote und Aktionen für die Familien im Stadtteil. Durch die Vernetzung können wir Familien in den unterschiedlichsten Fragestellungen beraten bzw. schnell und unkompliziert an die entsprechenden Fachstellen verweisen.“
Den vorstehenden Ausführungen kann entnommen werden, dass die von Ihnen beantragten Zielsetzungen sowohl bei den städtebaulichen Maßnahmen als auch in der Ausgestaltung der Kooperativen Ganztagsbildung sowie in der praktischen Umsetzung bereits berücksichtigt wurden und auch weiterhin werden.
Das Antwortschreiben ist mit der Gleichstellungsstelle für Frauen abgestimmt.
Um Kenntnisnahme der vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Ich gehe davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.