Soziale Infrastruktur in Bestandssiedlungen der städtischen
Wohnungsbaugesellschaften
Antrag Stadtrats-Mitglieder Dr. Reinhold Babor, Heike Kainz und Frieder Vogelsgesang (CSU-Fraktion) vom 1.10.2019
Antwort Stadtbaurätin Professorin Dr. (Univ. Florenz) Elisabeth Merk:
Mit Schreiben vom 1.10.2019 an den Herrn Oberbürgermeister Dieter Reiter fordern Sie die Landeshauptstadt München auf, bei den städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG die Voraussetzungen
dafür zu schaffen, die großen Wohnanlagen aus den 60ern und folgenden Jahrzehnten mit der aktuellen zukunftsweisenden sozialen Infrastruktur wie Wohncafés und Nachbarschaftstreffs o.ä. zu ertüchtigen. Sie stellen dar, dass große Wohnanlagen, die in vergangenen Jahrzehnten errichtet wurden, nicht mit Räumen und Einrichtungen ausgestattet sind, die einem modernen Quartiersmanagement und den Bedürfnissen der dort lebenden Menschen entsprechen.
Als konkretes Beispiel sprechen Sie die Wohnanlage in der Mitterfeldstraße an. Hier sei im Rahmen des Projekts „Wohnen im Viertel“ offenkundig geworden, dass es für beeinträchtigte Bewohnerinnen und Bewohner kein sog. „Wohncafé“ gebe, in dem Begegnungen stattfinden können. Ein ursprünglich hierfür vorgesehener Pavillon sei aus Kostengründen gestrichen worden und die Umnutzung von drei Wohnungen sei aus Gründen der Zweckentfremdung abgelehnt worden.
Nach § 60 Abs. 9 GeschO dürfen sich Anträge ehrenamtlicher Stadtratsmitglieder nur auf Gegenstände beziehen, für deren Erledigung der Stadtrat zuständig ist. Der Inhalt Ihres Antrages betrifft jedoch eine Angelegenheit im Geschäftsbereich der Beteiligungsgesellschaften. Wir können Ihnen zudem nach umfassenden Recherchen und Abstimmungen mitteilen, dass Ihrem Anliegen bereits entsprochen wird bzw. wurde. Eine beschlussmä-ßige Behandlung der Angelegenheit im Stadtrat ist daher nicht möglich.
Für die gewährte Fristverlängerung möchten wir uns bedanken und teilen Ihnen zu Ihrem Antrag vom 1.10.2019 Folgendes mit:
Die Wohnungsbaugesellschaften arbeiten im Themenbereich der sozialen nachbarschaftlichen Infrastruktur eng mit dem Sozialreferat zusammen. Die Ergebnisse der laufenden Bedarfsprüfungen werden hier hinsichtlich potentieller Lösungsmöglichkeiten abgestimmt und regelmäßig neu bewertet.
Die großen Bestandssiedlungen der beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften GEWOFAG und GWG sind zum aktuellen Zeitpunkt fast voll-ständig hinsichtlich der gewünschten Infrastruktur ausgestattet, im Bereich der Bestandssiedlungen der GEWOFAG werden 33 Nachbarschafts- bzw. Bewohnertreffs betrieben, in den Bestandssiedlungen der GWG sind es 16. Damit wird ihrem Anliegen bereits Rechnung getragen.
Lediglich an vier Standorten mit umfangreichen Wohnungsbeständen konnten für die identifizierten Bedarfe noch keine Lösungen gefunden werden. Nachfolgend wird zu Ihrer Information zu diesen Standorten kurz die aktuelle Situation beschrieben.
Stadtbezirk 21 – Mitterfeldstraße
Das Quartier zeigt im städtischen Sozialmonitoring (http://www.msta-tistik-muenchen.de/sozialmonitoring/atlas.html) eine besonders hohe Ausprägung beim Indikator Seniorinnen und Senioren sowie zeitgleich einen hohen Wert beim Indikator Soziale Herausforderungen, damit liegt diese Planungsregion im Negativranking auf Rang 13 unter 114 Planungsregionen für diesen Indikator. Zudem ist das Quartier „Rund um die GE-WOFAG-Siedlung Gotthard-/Fischer-von-Erlach- und Mitterfeldstraße“ seit 2017 Schwerpunktgebiet des Regionalen Netzwerks für soziale Arbeit in München (REGSAM). Die Einrichtung eines Wohncafés ist hier geplant. Im Rahmen von „Wohnen im Viertel“ wurde bereits die Errichtung eines solitär stehenden Gebäudes zur Nutzung als Wohncafé geprüft. Die beiden hierfür in Frage kommenden Flächen scheiden allerdings aus statischen Gründen (darunterliegende Tiefgarage) sowie parallelem Nutzungsbedarf für den U-Bahnbau aus. Insofern kann hier keine kurz- oder mittelfristige Lösung gefunden werden.
Sowohl die GEWOFAG als auch das Sozialreferat, Amt für soziale Sicherung behalten die Situation vor Ort im Blick und arbeiten unter Einbeziehung der umliegenden Träger und sozialen Einrichtungen an alternativen Gestaltungsmöglichkeiten für ältere Bürgerinnen und Bürger.
Stadtbezirk 10 – Moosach
In der GWG-Siedlung an der Karlinger Straße befindet sich aktuell eine vom Sozialreferat geförderte Einrichtung der Quartierbezogenen Bewohnerarbeit. Im Zuge des in den nächsten Jahren geplanten Abrisses und Neubaus der Siedlung durch die GWG soll diese Einrichtung in Räumlichkeiten des ersten Bauabschnitts mit insgesamt 125 m² Geschossfläche situiert werden. Die Siedlung liegt in der Planungsregion 10_4, Westfriedhof – Moosacher Bahnhof – Kapuzinerhölzl, die im städtischen Sozialmonitoring eine hohe Ausprägung des Indikators soziale Herausforderung aufweist (Rang 16 von 114). Zugleich werden in räumlicher Nachbarschaft inden nächsten Jahren weitere Nachverdichtungsmaßnahmen erwartet, was in der Folge zu deutlich steigenden Einwohnerinnen- und Einwohnerzahlen führen wird.
Daraus resultierend wird die geplante Größe der Einrichtung perspektivisch als nicht ausreichend erachtet. Aus diesem Grund und da die künftige Situierung der bestehenden Einrichtung am nordöstlichen Ende des Umgriffs liegt, wird die Notwendigkeit der Sicherung des Standortes im zentralen Bereich Dachauer Straße, Wintrichring bzw. Hugo-Troendle-Straße gesehen.
Seitens der GWG ist der Nachbarschaftstreff wie beschrieben geplant. Die Erneuerung der Siedlung wird sich insgesamt aber voraussichtlich noch bis Ende der 2020er Jahre hinziehen. Deshalb ist es möglich, im Rahmen des städtebaulichen Wettbewerbs über den weiteren Planungsumgriff diesen Bedarf zu berücksichtigen.
Stadtbezirk 22 – Gilchinger Straße
In der GEWOFAG-Siedlung Gilchinger Straße wohnen ca. 1.400 Bewohnerinnen und Bewohner. 2017 wurde die Siedlung aufgrund ihrer Randlage, Größe und Bewohnerstruktur für REGSAM als Schwerpunktgebiet ausgewählt. Das städtische Sozialmonitoring weist eine sehr hohe Ausprägung beim Indikator Familie in der Planungsregion 22_1 auf. Insbesondere die Variable „Familien mit drei und mehr Kindern“ liegt hier ca. 33 Prozent über dem gesamtstädtischen Vergleichswert. Bis dato befindet sich nur eine Kinder- und Jugendeinrichtung in erreichbarer Nähe, weshalb hier ein unmittelbar in der Wohnanlage situierter Nachbarschaftstreff eingerichtet werden soll. Zur Integration der Bewohnerinnen und Bewohner in das Quartier sowie zur Mitnutzung aus der gegenüberliegenden Einfamilienhaussiedlung besteht der Wunsch nach einem solitären Gebäude.
Der Wunsch nach Einrichtung eines Nachbarschaftstreffs in diesem Quartier ist den Beteiligten bekannt und es liegen bereits erste Überlegungen hierzu vor. Im Gebäude Gilchinger Straße 3 ist die Umnutzung eines Kellerraums als kurzfristige Lösungsvariante denkbar. Der separat zugängliche Raum ist ca. 35 m² groß. Die zur Einrichtung notwendigen Rahmenbedingungen wie Schaffung ausreichender Besonnung, Fluchtwege, separater Zugang, Lage im Quartier, WC und Vorraum sind nach bisherigem Planungsstand umsetzbar. Nicht zuletzt deshalb haben sich auch bereits die Akteure im REGSAM-Projekt für diese Möglichkeit ausgesprochen. Die Umsetzung ist förderungsbezogen und könnte schätzungsweise im Frühjahr 2021 erfolgen. Dennoch bleibt die Errichtung eines ausreichend großen – möglichst solitär situierten – Nachbarschaftstreffs die Zielsetzung,um die Integration der Bewohnerinnen und Bewohner in das Quartier und die Mitnutzung aus der Einfamilienhaussiedlung zu befördern.
Stadtbezirk 24 – Hasenbergl Nord
In der Planungsregion 24_5 Hasenbergl Nord weist das städtische Sozialmonitoring eine sehr hohe Ausprägung beim Indikator Soziale Herausforderung auf und liegt damit auf Rang 1 von 114 Planungsregionen. Es ergibt sich daher der Bedarf nach einem Ersatz des bisherigen Nachbarschaftstreffs in geeigneter Größe von 150 m² Nutzfläche (200 m² GF). Bisher stehen dort lediglich 53 m² Nutzfläche zur Verfügung. Aufgrund der besonders hohen Werte für die Variablen des Indikators Soziale Herausforderung im nördlicheren Stadtbezirksviertel sollte der Nachbarschaftstreff dort situiert werden.
Im Stadtbezirk 24 – Hasenbergl Nord befindet sich ein großer Wohnungsbestand der GWG. Diese ist bereits über den Bedarf nach einem ausreichend großen Nachbarschaftstreff informiert, allerdings kann über keine den Anforderungen entsprechende Gewerbefläche verfügt werden. Das Amt für Wohnen und Migration prüft aktuell zwei Umsetzungsoptionen. Die erste wäre die Nachnutzung des bestehenden Seniorenpavillons in der Aschenbrennerstraße nach Fertigstellung des Alten- und Service-Zentrums im neuen Quartierszentrum am Stanigplatz. Sollte dies nicht möglich sein, wird die Anmietung geeigneter Räume im Quartierszentrum in die Prüfung genommen.
Die von Ihnen angesprochene „Zweckentfremdung“ von Wohnraum wird seitens der Wohnungsbaugesellschaften aufgrund der hohen Nachfrage nach Wohnraum aktuell nicht befürwortet. Grundsätzlich kommt eine Zweckentfremdungsgenehmigung nach Vorlage detaillierter Planungen, Schaffung von Ersatzwohnraum bzw. Geltendmachung eines überwiegenden öffentlichen Interesses mit entsprechender Behandlung im Sozialausschuss des Stadtrates in Frage.
Für den Fall der Feststellung weiterer Bedarfe hinsichtlich nachbarschaftlicher Infrastruktur stehen die verantwortlichen Stellen beim Sozialreferat sowie die beiden städtischen Wohnungsbaugesellschaften in regelmäßigem Austausch und suchen geeignete Lösungen.
Um Kenntnisnahme von den vorstehenden Ausführungen wird gebeten. Wir gehen davon aus, dass die Angelegenheit damit abgeschlossen ist.